Schimpfen, meckern, fluchen

11.06.2010
"Spieler schwach wie Flasche leer!" ist der Pokalsieger unter den aktuellen Fußball-Hörbüchern. Von Trapattoni bis Hoeneß - wer öffentlich geschimpft hat, ist hier aufgezeichnet.
Sich beschweren über Beschwerden - beim Fußball oder besser: auf Pressekonferenzen über den Fußball - geht so:

"Unverschämtheit, mir so eine Frage zu stellen. Ich haue Ihnen in die Fresse. Mehr sind Sie nicht wert."

Erzähler: "So ist es richtig. Fairplay hat hier nichts mehr verloren. Hier muss endlich mal Klartext geredet werden."

"Das habe ich noch nicht erlebt, so etwas Dreckiges. Schicken Sie mir den Chefredakteur. Wie können Sie mich auf so etwas ansprechen? Ich habe in meinem Leben noch kein Geld in die Schweiz überwiesen."

Ja, da geht´s ab …

"Dreckschwein!"'"

… da geht es ziemlich ab bei dem, was das Trio Bärmann, Radtke und Schwarz für das Hörbuch "Spieler schwach wie Flasche leer!" zusammengetragen haben. Nur Sport?

""Ich habe unseren alten Freund Udo Lattek gesehen, der hat geweint."

Welche Worte könnten diesem Spiel gerecht werden? Also, dazu gehört, wenn man sich der akustischen Erfahrung dieses Hörbuchs aussetzt, zuallererst der Begriff "Emotion", dann "Affekt, Aufregung, Empfindung, Erregung, Gefühlswallung" sowie "Leidenschaft". Beispiel:

"Das ist respektlos ohne Ende! Ja!","

beschwert sich ein weiterer Trainer über die Medien.

""Und das ist das, was mich so ärgert."

Erzähler: "Gut, aber was denn jetzt genau?"

""Jeden Tag wird einen ins Gesicht gelächelt und der und der, und dann wird dir jedes Mal ein Knüppel irgendwo reingeworfen."

"Ich finde es immer wieder beschissen."

"Dass wir in der Bundesliga nicht gut gespielt haben. Einige Spiele. Das wissen wir."

Man muss schon eine gehörige Portion linguistischer Kompetenz gepaart mit, nun ja, Durchgeknalltheit besitzen, um das zu gestalten, was man im Hörbuch "Spieler schwach wie Flasche leer!" als Höhepunkt im dramaturgischen Sinn erleben darf.

Die Rede ist vom überzeugenden wie brillanten Versuch, Uli Hoeneß' Auswürfe auf der Jahreshauptversammlung von Bayern München am 15.11.2007 als kongeniale Übersetzung der neun Jahre zuvor - 1998 - abgehaltenen legendären Pressekonferenz von Bayern-München-Trainer Trapattoni zu erkennen und uns - Danke! - zu vermitteln. Bärmanns, Radtkes und Schwarz´ These ist diese:

Erzähler: "Denn Trapattoni ging es nicht, wie anfangs immer angenommen, um eine spezielle Art der Spielerschelte, sondern um die Kritik an den Ewiggestrigen unter den Fußballfans, wie wir jetzt, seit der offiziell autorisierten Uli-Hoeneß-Übersetzung wissen."

Trapattoni: "Wissen Sie nicht, warum italienische Mannschaft nicht kaufen diese Spieler? Aber weil die haben gesehen nicht Meister."

Erzähler: "Die Tücken des Trappatoni-Idioms liegen in Wörtern, die deutschen Begriffen oder Wörtern ähnlich klingen, wie zum Beispiel das Wort 'Meister'. Was aber nicht mit 'Meister', also 'Gewinner einer Meisterschaft' zu übersetzen ist, sondern einfach nur 'Scheißstimmung' be-deutet."

Hoeneß: ""Dann müsst ihr euch aber einen anderen Vorstand holen. Mit uns eben nicht. Eure Scheißstimmung, da seid ihr doch für verantwortlich und nicht wir. Das ist doch unglaublich."

Will man denn Bärmanns, Radtkes und Schwarz´ Hörstück - ein absurd komisches, ach was, saukomisches Stück - vergleichen mit "Egersdörfers Fußball-Lexikon" im Kunstmann-Verlag beispielsweise, oder dem bei audiomedia erschienenen Hörbuch "50 legendäre Szenen des deutschen Fußballs" von Manni Breuckmann, dann kann "Spieler schwach wie Flasche leer!" ohne Frage als Pokalsieger angesehen werden. Kabarettist Matthias Egersdörfer analysiert Begriffe aus dem Fussball-Leben wie "Debakel", "Eintrittspreis", "Einzelaktion" oder "Heimvorteil":

Aus Egersdörfers Fußball-Lexikon: "Da kennt man sich aus. Da ist die linke Ecke, da ist es abschüssig. Da ist mal Farbe ausgekippt worden. Und dann ist der Rasen nicht gescheit ge-wachsen. Das weiß man, was man hat."
Wenn man auch die räudige Akustik dieser Aufnahme akzeptieren mag, so haben sowohl die kabarettistischen Texte von Matthias Egersdörfer wie auch alle Formulierungskunst bei Manni Breuckmann …

"Uli Hoeneß ähnelt der Schwanenmutter. Wenn einer es wagt, seinem FC Bayern zu nahe zu kommen, gibt's scharfe Schnabelhiebe."

… sie haben keine Chance gegen den Originalton der Fußballmenschen, von dem "Spieler schwach wie Flasche leer!" lebt: Der Originalton explodiert sozusagen vor Authentizität und erweist sich an sich und für sich als Manifestation der psychosozialen Energie, die Fußball in Tiefe und Essenz innewohnt. Oder so in der Art! Schaue die nächsten vier Wochen!

"Jeder redet über Fußball, Trainer macht alles verkehrt. Das geht mir auf den Sack langsam."

Christian Bärmann, Jörn Radtke und Martin Maria Schwarz haben bewiesen, dass Fußball eine nachgerade shakespearsche Dimension hat. Und mehr! Hier zeigen sich Affektlandschaften, die einem Hamlet oder Macbeth wie harmlose Weicheier erscheinen lassen.

Nicht wahr, Herr Vogts, Hoeneß, Beckenbauer, Völler, Daum oder war's doch der "Trapper Toni", nein, der nicht, kurzum:

"So, das war´s. Mehr wollte ich nicht sagen. Das reicht auch."

Besprochen von Hartwig Tegeler

Christian Bärmann, Jörn Radtke, Martin Maria Schwarz: Spieler schwach wie Flasche leer! Die bekanntesten Schimpftiraden der Trainer, Manager und Präsidenten
HörVerlag, München 2010
1 CD, 47 Minuten, 12,95 Euro