Schick und fair bezahlt

Von Elena Gorgis · 16.01.2013
Die Berliner Fashion Week, die derzeit läuft, gibt auch Labels eine Plattform, die auf Nachhaltigkeit und faire Produktionsbedingungen achten. Mit dabei ist das Label "P. Age" - von zwei Schwestern, die den fairen Handel eher zufällig entdeckt haben.
Berlin, am Abend des angekündigten Weltuntergangs. 40 junge Menschen stehen in einem ehemaligen Ladenraum dicht gedrängt um einen Flachbildschirm. Tagsüber ist der Raum Büro. Für Ania Pilch und ihre Schwester Iwona. An den Wänden hängen Bilder, auf Schaufensterpuppen und Bügeln sind Kleider ausgestellt. Häppchen und Getränke stehen dekorativ auf einem Tisch.

Zum Rhythmus der Musik wechseln im Sekundentakt die Fotos auf dem Bildschirm. Das Motiv ist fast immer dasselbe: Ania und Iwona Pilch, wie sie in kleinen Werkstätten in Guatemala und Nicaragua bei der Herstellung ihrer Kollektion selbst Hand anlegen. Gemeinsam mit einheimischen Frauen spinnen, weben, färben, nähen und Stoffe zuschneiden.

Als Starttermin für ihre erste Mode-Kollektion haben sich die Eventmanagerin und die Modedesignerin den 21. Dezember ausgesucht, den Beginn eines neuen Zeitalters. "P. Age" heißt ihr Label - ein Wortspiel mit dem Anfangsbuchstaben ihres Nachnamens und dem Englischen Wort "Age".

Die Stoffe für die Kleidungsstücke werden in Guatemala von Maya-Frauen produziert, anschließend verarbeiten Näherinnen in Nicaragua die Stoffe weiter. Pro Kleidungsstück bekommen die Frauen 7 bis 15 Euro - doppelt so viel wie sie für die traditionellen Trachten verlangen, die sie normalerweise nähen und nur in unregelmäßigen Abständen an Touristen verkaufen.

Ania: "Das ist eigentlich daraus entstanden, dass wir in Guatemala und Nicaragua gereist sind, privat, und haben uns ein bisschen in die Kultur und die Menschen verliebt und fanden das so schön wie diese Frauen mit kompletter Freude diese Kleider machen und die zwar diese wunderschöne Tradition leben, aber damit halt nicht so wirklich Erfolg haben, das zu verkaufen und das fanden wir so schade und da haben wir auch Potential gesehen."

Das war vor neun Monaten, erzählt Ania Pilch und dreht einen Pappbecher mit Punsch in den Händen. Sie erklärt, dass die Baumwolle ohne Pestizide angebaut wird, die Stoffe dann auf traditionelle Art ohne Chemikalien gefärbt. Die Kollektion ist also sowohl umweltverträglich hergestellt als auch fair bezahlt.
Anias zwei Jahre ältere Schwester schlängelt sich auf hohen Pumps elegant von Besucher zu Besucher. Viele betrachten die Kleider und nicken ihr anerkennend zu. Einfarbige Kleider hat Iwona entworfen, bei denen an ungewöhnlichen Stellen etwas herausgeschnitten ist. Mal ein Dreieck an der Hüfte, mal Löcher am Dekolté. Sie legt Wert darauf, dass ihre Mode auch schick, ästhetisch anspruchsvoll ist.

Iwona: "Sachen nur deswegen zu kaufen, weil ich weiß, oah, das ist super bio und super öko - und ich kauf jetzt egal, was rauskommt, ist nicht der richtige Ansatz, finde ich. Man kanns halt auch verbinden."

Knapp drei Wochen später, Anfang Januar, sitzen Iwona und Anja mit ausgestreckten Beinen auf dem Parkettboden im Zimmer eines alten Hamburger Herrenhauses und stecken Einladungskarten in Briefumschläge.

Zwischendurch wandert ihr Blick immer wieder zu einer Schauspielerin beim Foto-Shooting. Hier wollten beide Schwestern unbedingt dabei sein, obwohl in wenigen Tagen die Berliner Fashion Week beginnt, zu der ihr Label überraschend eingeladen worden ist. Jede Sekunde nutzen sie jetzt für die Vorbereitungen.

Ania: "Wir könnten eigentlich auch die heute schon abschicken, ’ne? Kommen wir irgendwann an ’ner Post vorbei?"

Die Einladungen zu ihrer Show schicken sie an rund 50 Boutiquen in ganz Deutschland. Und hoffen, dass darunter potenzielle Einkäufer ihrer ersten Kollektion sind. Insgesamt kostet sie der Auftritt bei der Fashion Week 6000 Euro. Deshalb mussten beide auch einen Kredit aufnehmen.

Der Druck ist hoch, die Schwestern sind aber trotzdem gut gelaunt und betrachten stolz das schlichte, dunkelrote Etuikleid, in dem die Schauspielerin jetzt posiert. Ania erinnert es an ihren Trip nach Guatemala.

Ania: "Ja, also erst mal sind wir tatsächlich von Frau zu Frau gegangen und haben gefragt, ob es diese Stoffe auch als Meterware gibt und da haben sie uns schon ziemlich komisch angeguckt. Dann war die nächste Hürde als wir den bestimmten Stoff wollten, ohne viele Muster und in nur einer Farbe, das war für die sehr unverständlich.

Weil bei denen bedeutet jede Farbe, die sie anziehen, auch irgendwas. Und deswegen, wenn man dann einen schwarzen Stoff bestellt, ist das für die undenkbar, also undenkbar langweilig halt auch!"

Bald fliegen die Schwestern wieder nach Mittelamerika, für die nächste Kollektion. Dann wollen sie mit den Arbeiterinnen auch darüber sprechen, ob die ihre Betriebe kontrollieren lassen würden. Damit Ania und Iwona ein Öko- und Fairtrade-Siegel bekommen können.

Abends geht es mit dem Auto wieder nach Berlin.

Ania und Iwona im Wechsel:
Ania lacht: Ich freu mich auch schon wieder auf morgen. Nee, ich bin echt zufrieden. Also, es hat (beide gemeinsam:) richtig viel Spaß gemacht. (Iwona:) Und keiner war gestresst. (Ania:) ’n bisschen, klar, aber also angenehm, sehr angenehm.

Zwischen 100 und 300 Euro sollen ihre Kleider am Ende kosten. Sonst rechnet sich der ganze Aufwand nicht, sagt Ania. Ob sich ihr Label tatsächlich am Markt etablieren kann, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen.
Im Atelier der Schwestern etnstehen schöne, faire Kleider.
Im Atelier der Schwestern entstehen schöne, faire Kleider.© Paul Weiß