Schick in der Küche

Von Judith Kochendörfer |
Weiße Hosen, Schürze, weiße Jacke - hierzulande sehen Köche und Köchinnen überall gleich aus. Zu langweilig und zu unmodisch, findet die Köchin Harriet Deris und entwirft Mode vor allem für Frauen, die ihre Arbeit in der Küche verrichten.
"Das hier ist eine Jacke, die heißt Jacke 'Club', wird vorne mit Messing-Druckknöpfen geschlossen. Und sie ist figurbetont geschnitten. Das heißt, man sieht, dass man Brüste hat, man sieht, dass man eine Taille hat, und man sieht, dass man eine Frau ist."

Neuthard bei Bruchsal. Die kleine badische Gemeinde ist seit kurzem die Heimat von Harriet Deris: 29 Jahre alt, groß, sehr schlank, lange rotbraune Haare. Köchin, Schneiderin, Designerin für Kochmode.

"Ich muss kurz abschneiden. Aber ich weiß zum Glück schon, wo meine Schere liegt ..."

In Jeans und elegantem Strickpulli sitzt Harriet Deris in ihrer Küche, neben dem Herd auf der Arbeitsplatte und trinkt einen Milchkaffee. Das neue Haus, das sie und ihr Freund gerade bezogen haben, ist halb eingerichtet. Die Kisten sind noch längst nicht alle ausgepackt.

So ganz sicher ist sich Harriet Deris nämlich nicht, ob das Abenteuer Dorfleben für sie das richtige ist. Bisher war es ihr wichtig, von einem Ort jederzeit wieder weg zu können. Ein paar Jahre Hamburg, eine Zeitlang Heidelberg, zwei Jahre Yachtschippern in Südamerika, dann Berlin, Südfrankreich – und jetzt wieder Baden, wo sie herkommt, und wo sie nun plant, erstmal sesshaft zu werden.

"Ich hab nie gedacht, dass ich Koch werde, ich hab wohl mit vier, fünf schon zuhause bei meiner Mutter rumgewurschtelt. Dann während dem Abi dachte ich, ich werde Gebärdensprachendolmetscher. Ich hatte diesen Kinofilm gesehen, 'Jenseits der Stille'..."

Vieles hat Harriet Deris nach dem Abitur ausprobiert und dann doch wieder bleibenlassen, eine Schneiderlehre, ein Informatikstudium, ein Eventmanagement-Praktikum. Nebenher kellnerte sie im gehobenen Hamburger Restaurant "Rexrodt" und ließ sich dort auch gleich zur Köchin ausbilden. Mit 25 machte sie sich mit einem Mietkochservice selbstständig, kellnerte abends immer noch und hatte bald das dringende Bedürfnis nach Urlaub.

""Und dann hab ich in einem Yachtmagazin annonciert – in dem Jargon heißt das 'Hand gegen Koje'. Da hab ich geschrieben, hey, ich würde gerne für zwei Wochen meine Arbeitskraft anbieten, dafür, dass ich dann umsonst die Reise bekomme. Und eine Woche später hat mich ein Käpt’n aus Mexiko angerufen."

Aus den geplanten zwei Wochen wurden zwei Jahre. Zwei Jahre, in denen sich Harriet Deris um die Verpflegung der Crew kümmerte und um den Bootseigner, einen mexikanischen Milliardär. Im ersten Jahr hatte Harriet Deris noch Zeit, nebenbei Tauchen zu lernen. Im zweiten Jahr kaufte sich der Eigner ein größeres Boot und war von nun an fast jeden Tag an Bord.
Die Crew wuchs, Gäste kamen und wollten versorgt sein. Am Ende schlief Harriet Deris nur drei Stunden pro Nacht.

"Ich bin morgens um vier aufgestanden, wir sind auch nur rumgefahren, und dann musste ich eben jeden Morgen frisches Brot backen und Kuchen. Und dann gab’s Frühstücksbuffet für die Gäste und Mittagessen und Snacks dazwischen, und Abendessen hatten sie meistens erst zwischen zehn und zwölf Uhr nachts."

Das wollte sie nicht mehr, kündigte, zog zurück nach Bruchsal. Und widmete sich gleich einem nächsten Projekt: Kochmode.
Als sie seinerzeit auf dem Boot für die Uniformen der Crew zuständig war, hatte sie ein Berufsbekleidungshaus nach dem anderen durchstöbert. Ohne etwas zu finden, was ihr gefallen hätte.

"In der Zeit hab ich eben festgestellt, dass es für Köchinnen gar nichts gibt. Und auch für die Köche nicht wirklich was Schönes. Es gibt halt diese ganz klassischen Jacken mit diesen Knöpfen, die man so durchsteckt doppelreihig, aber das war’s dann auch schon."

Also entwirft Harriet Deris nun selbst Kleidung für die Küche – und vor allem für die Frauen darin. Weiße, weiblich geschnittene Kleider und Jacken, graue Marlene-Hosen aus einem Baumwoll-Polyester-Gemisch – praktisch, bequem zu tragen und vor allem schön anzusehen. Wie die taillierte, an der Seite mit Messingknöpfen verschließbare Jacke "Dojo". Oder das mädchenhafte Hemdchen "Wiege" im Empire-Stil: ohne Knöpfe, dafür mit Bändchen unter der Brust.
Bei Harriet Deris werden Köchinnen als Frau wahrgenommen und nicht als "schwitzende Mamsell mit geschwollenen Beinen", wie sie selbst sagt.

"Dann hab ich jetzt hier noch mein Kleidchen da. Das hatte ich auch auf dem Boot schon an, und es ist gut angekommen. Das ist ein Wickelkleid, und ein bisschen nach dieser Hauskittelmanier gemacht, wie es früher die Omas hatten, nur dass es die leider erst ab 48 gibt. Und meine gibt’s ab Größe 34."

Das Projekt ist erst ein paar Monate alt, und zur Zeit verkauft Harriet Deris pro Woche etwa drei Kleider. Das ist noch zu wenig, um davon leben zu können, aber genug, um optimistisch zu stimmen. Das ein oder andere Mal setzt sie sich selbst an die Nähmaschine. Den Großteil der Handarbeit aber macht die Schneiderin im Atelier im benachbarten Dorf.

Harriet Deris schlüpft dann selbst in ihre Kochjacken und -kleider, lässt sich fotografieren und stellt die Fotos auf ihre Internetseite. Das Aussehen dafür hat sie ja.