Schick: Geänderte Bankenrichtlinie ist keine "Zähmung des Monsters"

Nach Ansicht des Grünen-Finanzexperten Gerhard Schick taugt die geplante Verschärfung der Bankenrichtlinie nicht dazu, künftige Turbulenzen auf den Finanzmärkten zu vermeiden. Das Gesetz werde nicht verhindern können, dass Banken auch in Zukunft bankrottgingen, sagte Schick vor der Abstimmung im Bundestag.
Nana Brink: Über die Kapitaladäquanzrichtlinie, die das Eigenkapital von Banken regelt - das wird heute im Bundestag verabschiedet -, möchte ich jetzt sprechen mit Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Einen schönen guten Morgen, Herr Schick!

Gerhard Schick: Ja, guten Morgen!

Nana Brink: Schwere Kost heute Morgen. Wir verstehen ja noch, was eine Kürzung von Bonuszahlungen bedeutet, aber wie viele Ihrer Kollegen im Bundestag, die heute darüber abstimmen, verstehen Worte wie Kapitaladäquanzrichtlinie?

Schick: Ja, das ist in der Tat sehr komplexe und technische Gesetzgebung. Dazu kommt, dass die Begriffe meistens aus dem englischen Sprachraum kommen. Es geht ja um eine Reihe von europäischen Richtlinien, die wir heute umsetzen in deutsches Recht, und deswegen sind da auch viele Anglizismen drin.

Nana Brink: Warum ist denn diese Sprache so kompliziert - geht es um Insiderwissen? Wir haben ja in dem Beitrag gehört, es geht eigentlich darum, das Eigenkapital von Banken zu erhöhen. Warum kann man das nicht so einfach sagen?

Schick: Also es gibt schon ein paar sehr einfache Regelungen, die man auch treffen und erklären kann. Ansonsten ist es eben so, dass sich in der Finanzwelt in den letzten Jahren eine sehr hohe Komplexität herausgebildet hat. Und wenn man die versucht in Regeln zu fassen und wieder zu begrenzen, dann muss man ein Stück dieser Komplexität auch im Gesetz erfassen und wieder Klarheit reinbringen, was zählt eigentlich als Eigenkapital und was zählt nicht als Eigenkapital, und muss man dafür sorgen - das ist ein Ansatz dieser Richtlinie -, dass die Aufsichtsbehörden in der ganzen Europäischen Union ähnliche Regeln anwenden, damit Umgehungsmöglichkeiten begrenzt werden.

Nana Brink: Dann schauen wir uns doch das mal in Deutschland an: Was bringt diese Bankenrichtlinie konkret?

Schick: Die Bankenrichtlinie bringt eine Verschärfung der Grenzen für Kredite, die zwischen Banken vergeben werden, weil man gesehen hat in der Finanzkrise, dass es eben sehr gefährlich ist, wenn ein Institut an ein anderes sehr viel Geld ausgeliehen hat. Wenn nämlich dieses Institut pleitegeht, dann ist die ausleihende Bank ja auch gefährdet. Allerdings ist nach unserer Ansicht diese Grenze zu hoch gesetzt worden. Wenn durch einen Kredit schon ein Viertel des Eigenkapitals ausfallen kann, dann ist die Bank sehr stark gefährdet. Wir wollen da eine kleinteiligere Struktur und hätten eine Deckelung bei zehn Prozent für richtig gefunden, um dieses Risiko in Zukunft zu minimieren.

Nana Brink: Bedeutet das denn, diese Richtlinie - wie eine deutsche Zeitung, eine Wirtschaftszeitung es heute geschrieben hat -, die Zähmung des Monsters? Andersrum gefragt: Verhindert es, dass Banken, wie in der Vergangenheit zu sehen, einfach bankrottgehen und dann der Steuerzahler einspringen muss?

Schick: Dieses Gesetz, das wir heute beschließen, verhindert das noch nicht, und das ist noch nicht die Zähmung des Monsters, sondern es ist ein kleiner Baustein, und manches, was wir heute umsetzen, geht eigentlich auf Sachen zurück, die schon vor der Krise beschlossen worden sind. Es gibt also Teile des Gesetzes, die stammen aus einer Zeit vor der Krise, und andere sind jetzt nachgelegt worden, zum Beispiel bei der Regelung des Selbstbehaltes, wo man versucht, für Verbriefungen klarere Standards festzulegen, was darf eigentlich eine Bank an Verbriefungsprodukten kaufen, muss sie wissen, was drinsteckt, und muss sie …

Nana Brink: Was heißt Verbriefung? Vielleicht müssen wir das kurz erklären.

Schick: Verbriefung heißt, dass man über ein Wertpapier zum Beispiel eine Hypothek handelbar macht - das ist das, was bei den Subprime-Schwierigkeiten in den USA eine ganz zentrale Rolle gespielt hat, wo ja Hypotheken, also Immobilienkredite, handelbar gemacht wurden über Wertpapiere. Und das Problem war, dass viele Investoren, also beispielsweise Banken, die solche Produkte gekauft hatten, gar nicht wussten, was dahintersteht. Sie wussten gar nicht, wie groß das Risiko ist, dass dieses Wertpapier ausfällt, weil es intransparent war.

Nana Brink: Was dann zu dieser immensen Immobilienkrise in den USA ja geführt hat.

Schick: Genau. Und jetzt gibt es da eben Vorschriften, dass eine Bank nur ein solches Verbriefungsprodukt kaufen darf, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind, also insbesondere, wenn sie weiß, wie es zusammengesetzt ist, und wenn derjenige, der das Wertpapier emittiert hat, einen gewissen Selbstbehalt hat, dass er also einen Teil des Risikos trägt. Damit hofft man zu verhindern, dass sehr riskante Wertpapiere in den Bilanzen deutscher Banken landen. Da gab es allerdings eine Auseinandersetzung im Finanzausschuss, ob dieser Selbstbehalt von fünf Prozent ausreichend ist, um überhaupt dieses Risiko zu verringern. Und wir haben jetzt durchgesetzt, dass das noch mal evaluiert wird in einer Übergangsphase von zwei Jahren, weil die Bundesregierung uns nicht nachweisen konnte, dass diese fünf Prozent, die jetzt im Gesetz stehen, wirklich etwas verändern im Markt.

Nana Brink: Was nützt es aber dann, wenn wir in Deutschland über solche Sachen entscheiden, über eine höhere Eigenkapitalausstattung der Banken, also um eine Risikominimierung – wenn wir das nur in Deutschland tun, das nützt doch eigentlich nichts, wenn der Finanzmarkt so global ist, wie er ist?

Schick: Es gibt schon Regelungen, die man in Deutschland gezielt machen könnte und sollte, weil das Risiko wackelnder deutscher Banken, das trägt zunächst einmal der deutsche Steuerzahler. Das haben wir am Beispiel Hypo Real Estate oder auch am Beispiel der Landesbanken oder der Commerzbank gesehen, wo dann der Staat einspringen musste. Das heißt, wir haben ein Interesse daran, deutsche Banken so stabil wie möglich zu machen. Und da ist ein ganz klares Defizit zu erkennen der bisherigen Regulierungsbemühungen in Deutschland. Uns fehlt hier eine strikte Schuldenbremse für Banken, im Fachterminus (…), mit der man also sicherstellt, dass die Banken mehr Eigenkapital haben und damit stabiler aufgestellt sind in der Krise. In Kanada ist das erfolgreich eingeführt worden, auch in der Schweiz geht man in diese Richtung, weil man sagt, große Banken, die viel zu viele Schulden aufhäufen, sind so instabil, das gefährdet die Sicherheit unseres Landes, weil wenn diese Banken kippen, muss der Steuerzahler einspringen – und das wird teuer und gefährlich für die Volkswirtschaft.

Nana Brink: Warum passiert das denn in Deutschland nicht?

Schick: Die Banken in Deutschland haben sich bisher sehr stark dagegen gewehrt, und das, was wir uns hier vorstellen, würde eine deutliche Veränderung der Geschäftspolitik verursachen und vor allem weniger Gewinne. Sie müssen sich vorstellen, dass die Deutsche Bank zurzeit auf jeden Euro Eigenkapital, den sie hat, 49 Euro Fremdkapital, also Schulden aufhäuft. Wir wollen das auf 1 zu 20 reduzieren. Das würde eine massive Reduzierung des Gewinnes der Deutschen Banken bringen, es würde aber auch den Finanzmarkt in Deutschland stabiler machen. Und das Risiko, dass irgendwann der deutsche Steuerzahler einspringen würde, das würde deutlich reduziert. Aber da haben Sie einen ganz klaren Interessenkonflikt: Gewinne der Banken versus Risiko für den Steuerzahler. Und da, finden wir, macht die Regierung bisher zu wenig.

Nana Brink: Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch! Und wir sprachen über die neue Bankenrichtlinie, die heute im Bundestag verabschiedet wird.

Schick: Herzlichen Dank
Mehr zum Thema