Scheitern als Impuls
Die Gesellschaft für Aktuelle Kunst Bremen (GAK) zeigt in ihrer aktuellen Ausstellung Werke, die das Scheitern bewusst in den künstlerischen Arbeitsprozess einbeziehen. Die GAK feiert mit dieser Schau ihr 30-jähriges Bestehen.
"An einem schönen Morgen des Monats Mai durchritt eine elegante Amazone auf einer wunderbaren Fuchsstute die blühenden Alleen des Bois de Boulogne." Der perfekte Roman: So mag er vielleicht anfangen – denkt sich der Möchtegern-Romancier Joseph Grand in Albert Camus' Parabel "Die Pest". Joseph Grand hat Ambitionen. Er möchte nun einmal den perfekten Roman schreiben. Aber: Er scheitert immer schon an diesem ersten Satz, und produziert am Ende nichts als grauenhaften Kitsch.
"Es geht ja nicht darum, zu scheitern, auch wir wollen nicht scheitern, die Künstler, die wir zeigen, die scheitern ja nicht oder empfinden sich nicht als gescheitert", " sagt Janneke de Vries, " "sondern setzen sich mit Scheitern auseinander oder Fehlern oder Restriktionen oder ( ... ) Erwartungen, die an sie gestellt werden, um das umzuwerten."
Mit dem Einsetzen des Konzeptualismus in den siebziger Jahren, so argumentieren Janneke de Vries und Imke Itzen, die beiden Kuratorinnen der Gesellschaft für Aktuelle Kunst, habe es eine Umdeutung des Scheiterns in der Kunst gegeben – nicht mehr mit dem Beigeschmack des heroischen Versagens, des Ringens mit den Göttern, sondern mit dem Scheitern als produktivem Impuls, das nicht mehr nur fatalistisch hingenommen, sondern nun bewusst in den künstlerischen Arbeitsprozess miteinbezogen wird. Zum Beispiel bei dem 1976 in London geborenen, heute in Los Angeles lebenden Walead Beshty.
De Vries: "… der das Scheitern und die Limitierung sehr wortwörtlich umgesetzt hat, indem er Glaskuben anfertigen lässt, die die exakte Größe von FedEx Transportkisten haben, diese dann ( ... ) von Los Angeles, seinem Studio, zu dem jeweiligen Ausstellungsort schickt, also diesmal war es Los Angeles - Bremen, und das Werk entsteht auf dem Weg, durch die normale Behandlung von FedEx. ( ... ) Was wir jetzt ausgepackt haben und hier ausstellen, sind völlig zerschlagene Glaskuben."
Bas Jan Ader, der zu den Referenzfiguren für die siebziger Jahre gehört, mit denen alles begonnen haben soll, verkörpert das bewusst als Kunst thematisierte Scheitern schon in seiner Biografie. 1942 in den Niederlanden geboren, ist er seit 1975, als er versuchte, für eine Kunstaktion den Atlantik zwischen den USA und England mit einem einfachen Segelboot zu überqueren, verschollen. Sein berühmtes Video "I am too sad to tell you" ist hier zu sehen, mit dem er tränenüberströmt in einer Endlosschleife das öffentliche Weinen enttabuisieren wollte.
Die Ausstellung erinnert spätestens hier an die seinerzeit heftig umstrittene These vom "romantischen Konzeptualismus", die der Kunstkritiker Jörg Heiser vor drei Jahren aufstellte und damit meinte, dass sich die ansonsten doch stark auf Theorie gestützte Konzeptkunst zeitweilig ganz romantischer Vorstellungen vom Individuum in der Kunst bediene. Auch der Franzose Cyprien Gaillard, der in seinem düsteren Video einen modernen Plattenbau bei dessen Sprengung filmte und ihn einer Rauchwolke verschwinden lässt, darf in diesem Sinn als "Romantiker" gelten. Denn am Ende bleiben unter allem Gewölk nur noch die natürliche Umgebung aus Wiesen, Hügeln und Bäumen sichtbar. Doch zu besinnlich soll es hier nicht werden, Janneke de Vries sieht durchaus auch praktischen Alltagsnutzen:
"Umgekehrt kann man die Umwertung, die durch Künstler in bestimmten Bereichen stattfindet, ( ... ) vielleicht auch wieder rückwirken in die Gesellschaft. ( ... ) Zum Beispiel hat mir neulich jemand erzählt, dass es mittlerweile Managerseminare gibt, um den Managern beizubringen, dass es nicht darum geht, fehlerlos zu sein, sondern wie wichtig Fehler plötzlich sind, einfach im Lernprozess, um Dinge besser zu machen."
Die Gesellschaft für Aktuelle Kunst selbst bürgt für diese praktische Alltagserfahrung, immer mit dem Abgrund vor Augen nie den Trotz und Optimismus zu verlieren. Denn mit dieser Ausstellung feiert diese Institution, die inzwischen zu den renommiertesten Kunstvereinen Deutschlands gehört, ihren 30. Geburtstag. Angesichts eklatanter finanzieller Balanceakte in den letzten Jahrzehnten keine Selbstverständlichkeit, aber auch kein Grund zu klagen.
De Vries: "Es geht nicht darum, sich jetzt hinzusetzen und zu weinen, ( ... ) Wir haben unter harten Bedingungen gearbeitet, normalerweise scheitert man unter diesen Bedingungen, ( ... ) aber ( ... ) es gibt uns immer noch, und wir werden auch weitermachen."
Links zum Thema:
Ausstellung "An einem schönen Morgen des Monats Mai ..."
"Es geht ja nicht darum, zu scheitern, auch wir wollen nicht scheitern, die Künstler, die wir zeigen, die scheitern ja nicht oder empfinden sich nicht als gescheitert", " sagt Janneke de Vries, " "sondern setzen sich mit Scheitern auseinander oder Fehlern oder Restriktionen oder ( ... ) Erwartungen, die an sie gestellt werden, um das umzuwerten."
Mit dem Einsetzen des Konzeptualismus in den siebziger Jahren, so argumentieren Janneke de Vries und Imke Itzen, die beiden Kuratorinnen der Gesellschaft für Aktuelle Kunst, habe es eine Umdeutung des Scheiterns in der Kunst gegeben – nicht mehr mit dem Beigeschmack des heroischen Versagens, des Ringens mit den Göttern, sondern mit dem Scheitern als produktivem Impuls, das nicht mehr nur fatalistisch hingenommen, sondern nun bewusst in den künstlerischen Arbeitsprozess miteinbezogen wird. Zum Beispiel bei dem 1976 in London geborenen, heute in Los Angeles lebenden Walead Beshty.
De Vries: "… der das Scheitern und die Limitierung sehr wortwörtlich umgesetzt hat, indem er Glaskuben anfertigen lässt, die die exakte Größe von FedEx Transportkisten haben, diese dann ( ... ) von Los Angeles, seinem Studio, zu dem jeweiligen Ausstellungsort schickt, also diesmal war es Los Angeles - Bremen, und das Werk entsteht auf dem Weg, durch die normale Behandlung von FedEx. ( ... ) Was wir jetzt ausgepackt haben und hier ausstellen, sind völlig zerschlagene Glaskuben."
Bas Jan Ader, der zu den Referenzfiguren für die siebziger Jahre gehört, mit denen alles begonnen haben soll, verkörpert das bewusst als Kunst thematisierte Scheitern schon in seiner Biografie. 1942 in den Niederlanden geboren, ist er seit 1975, als er versuchte, für eine Kunstaktion den Atlantik zwischen den USA und England mit einem einfachen Segelboot zu überqueren, verschollen. Sein berühmtes Video "I am too sad to tell you" ist hier zu sehen, mit dem er tränenüberströmt in einer Endlosschleife das öffentliche Weinen enttabuisieren wollte.
Die Ausstellung erinnert spätestens hier an die seinerzeit heftig umstrittene These vom "romantischen Konzeptualismus", die der Kunstkritiker Jörg Heiser vor drei Jahren aufstellte und damit meinte, dass sich die ansonsten doch stark auf Theorie gestützte Konzeptkunst zeitweilig ganz romantischer Vorstellungen vom Individuum in der Kunst bediene. Auch der Franzose Cyprien Gaillard, der in seinem düsteren Video einen modernen Plattenbau bei dessen Sprengung filmte und ihn einer Rauchwolke verschwinden lässt, darf in diesem Sinn als "Romantiker" gelten. Denn am Ende bleiben unter allem Gewölk nur noch die natürliche Umgebung aus Wiesen, Hügeln und Bäumen sichtbar. Doch zu besinnlich soll es hier nicht werden, Janneke de Vries sieht durchaus auch praktischen Alltagsnutzen:
"Umgekehrt kann man die Umwertung, die durch Künstler in bestimmten Bereichen stattfindet, ( ... ) vielleicht auch wieder rückwirken in die Gesellschaft. ( ... ) Zum Beispiel hat mir neulich jemand erzählt, dass es mittlerweile Managerseminare gibt, um den Managern beizubringen, dass es nicht darum geht, fehlerlos zu sein, sondern wie wichtig Fehler plötzlich sind, einfach im Lernprozess, um Dinge besser zu machen."
Die Gesellschaft für Aktuelle Kunst selbst bürgt für diese praktische Alltagserfahrung, immer mit dem Abgrund vor Augen nie den Trotz und Optimismus zu verlieren. Denn mit dieser Ausstellung feiert diese Institution, die inzwischen zu den renommiertesten Kunstvereinen Deutschlands gehört, ihren 30. Geburtstag. Angesichts eklatanter finanzieller Balanceakte in den letzten Jahrzehnten keine Selbstverständlichkeit, aber auch kein Grund zu klagen.
De Vries: "Es geht nicht darum, sich jetzt hinzusetzen und zu weinen, ( ... ) Wir haben unter harten Bedingungen gearbeitet, normalerweise scheitert man unter diesen Bedingungen, ( ... ) aber ( ... ) es gibt uns immer noch, und wir werden auch weitermachen."
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Ausstellung "An einem schönen Morgen des Monats Mai ..."