Schein und Sein
Ein reicher und mächtiger Börsenspekulant ist der Protagonist in Marlene Streeruwitz' neuem Roman "Kreuzungen". Und wenig überraschend steckt hinter der spiegelglatten Fassade des Erfolgstypen eine jämmerliche Kreatur.
Er ist reich. Er hat Macht. Er liebt Sex mit zierlichen Asiatinnen. Er vertraut seiner Therapeutin mehr als seiner Ehefrau. Sein durch Börsenspekulationen angehäuftes Vermögen verleiht ihm den Habitus, dass mit Geld alles zu regeln ist. Sollte es für diesen Mann überhaupt eine Angst geben, dann die, dass sein gigantischer Vermögensstand im Magazin "Forbes" veröffentlicht werden könnte. Denn das, was er besitzt, ist nur noch als "Information zu erfassen".
Damit ist der Protagonist, dessen Name Max erst auf den letzten Seiten genannt wird, in Marlene Streeruwitz' neuem Roman "Kreuzungen" hinlänglich charakterisiert. Ihr Interesse gilt nicht der literarischen Verfeinerung dieses globalisierten Managertyps. Streeruwitz erkundet, wie so einer tickt, weshalb sie auch nicht von seinem unaufhaltsamen Aufstieg erzählt.
Nach dem Entwurf des Typus folgt dessen Demontage. Da er sich als Imperium selbst kreiert hat, soll nun das Prinzip der Schöpfung freigelegt werden. Überzeugt davon, dass omnipotente Kreationen dieser Art ein kurzes Dasein fristen, - denn neue drängen bereits in der Warteschleife nach vorn - lässt die Autorin die glamouröse Scheinwelt im Wiener Upper-Class-Milieu aus den Fugen geraten.
Das mühsam aufrecht erhaltene Eheidyll wird von seiner Frau Lilli aufgekündigt. Sie profitiert zwar reichlich vom Geldrausch, fühlt sich aber körperlich wie seelisch von ihm bedroht. Damit geraten auch die Töchter Hetty und Netty außer Reichweite. Plötzlich befindet er sich "mit seiner Identität in transit" und versucht, in eine neue Existenz zu flüchten.
Konkret bedeutet das den Austausch seiner privaten Grundausstattung: Wohnort, Ehefrau, Kinder. Um sein Image aufzupolieren, lässt er sich in der Schweiz ein strahlend weißes Gebiss implantieren. Die dabei erfahrenen Schmerzen signalisieren ihm, dass er außer seinem Phallus auch noch einen Kopf hat.
Danach scheint ihm Venedig der rechte Ort zu sein, um einen sinnlichen Eindruck seines Vermögens zu bekommen. Aber alles, was ihm einfällt, ist: "Venedig kaufen und allein herumgehen."
Streeruwitz geht es um personifizierte Zentren von Reichtum und Macht, die als Faktotum der Globalisierung agieren. Doch die dazu aufgerufenen Handlungsverläufe liefern kaum neue Erkenntnisse.
Dass sich hinter der spiegelglatten Fassade und den uniform von Labeln gepanzerten Körpern mitunter jämmerliche Kreaturen verbergen, die nur spielen wollen und deren Stichwortgeber bestenfalls Therapeuten und Psychoanalytiker sind, ahnten wir längst.
Nach den aus der weiblichen Perspektive geschriebenen Romanen "Jessica, 30" (2004) und "Entfernung" (2006) kriecht Streeruwitz erstmals in die Gedankengänge eines männlichen Protagonisten hinein. Doch ihr kulturkritisches Gepäck ist zu schwer, um den weiblichen Ort des Sprechens wirklich zu verlassen.
Die Figur franst durch die Kommentare der Autorin aus, deren Sendungsbewusstsein störend wirkt. Aber vielleicht ist ja gerade das der Ertrag des Romans, dass sich kein spektakulärer Text hinter der Stirn der Hochfinanz finden lässt.
Rezensiert von Carola Wiemers
Marlene Streeruwitz: Kreuzungen
Roman, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2008
251 Seiten, 18,90 Euro
Damit ist der Protagonist, dessen Name Max erst auf den letzten Seiten genannt wird, in Marlene Streeruwitz' neuem Roman "Kreuzungen" hinlänglich charakterisiert. Ihr Interesse gilt nicht der literarischen Verfeinerung dieses globalisierten Managertyps. Streeruwitz erkundet, wie so einer tickt, weshalb sie auch nicht von seinem unaufhaltsamen Aufstieg erzählt.
Nach dem Entwurf des Typus folgt dessen Demontage. Da er sich als Imperium selbst kreiert hat, soll nun das Prinzip der Schöpfung freigelegt werden. Überzeugt davon, dass omnipotente Kreationen dieser Art ein kurzes Dasein fristen, - denn neue drängen bereits in der Warteschleife nach vorn - lässt die Autorin die glamouröse Scheinwelt im Wiener Upper-Class-Milieu aus den Fugen geraten.
Das mühsam aufrecht erhaltene Eheidyll wird von seiner Frau Lilli aufgekündigt. Sie profitiert zwar reichlich vom Geldrausch, fühlt sich aber körperlich wie seelisch von ihm bedroht. Damit geraten auch die Töchter Hetty und Netty außer Reichweite. Plötzlich befindet er sich "mit seiner Identität in transit" und versucht, in eine neue Existenz zu flüchten.
Konkret bedeutet das den Austausch seiner privaten Grundausstattung: Wohnort, Ehefrau, Kinder. Um sein Image aufzupolieren, lässt er sich in der Schweiz ein strahlend weißes Gebiss implantieren. Die dabei erfahrenen Schmerzen signalisieren ihm, dass er außer seinem Phallus auch noch einen Kopf hat.
Danach scheint ihm Venedig der rechte Ort zu sein, um einen sinnlichen Eindruck seines Vermögens zu bekommen. Aber alles, was ihm einfällt, ist: "Venedig kaufen und allein herumgehen."
Streeruwitz geht es um personifizierte Zentren von Reichtum und Macht, die als Faktotum der Globalisierung agieren. Doch die dazu aufgerufenen Handlungsverläufe liefern kaum neue Erkenntnisse.
Dass sich hinter der spiegelglatten Fassade und den uniform von Labeln gepanzerten Körpern mitunter jämmerliche Kreaturen verbergen, die nur spielen wollen und deren Stichwortgeber bestenfalls Therapeuten und Psychoanalytiker sind, ahnten wir längst.
Nach den aus der weiblichen Perspektive geschriebenen Romanen "Jessica, 30" (2004) und "Entfernung" (2006) kriecht Streeruwitz erstmals in die Gedankengänge eines männlichen Protagonisten hinein. Doch ihr kulturkritisches Gepäck ist zu schwer, um den weiblichen Ort des Sprechens wirklich zu verlassen.
Die Figur franst durch die Kommentare der Autorin aus, deren Sendungsbewusstsein störend wirkt. Aber vielleicht ist ja gerade das der Ertrag des Romans, dass sich kein spektakulärer Text hinter der Stirn der Hochfinanz finden lässt.
Rezensiert von Carola Wiemers
Marlene Streeruwitz: Kreuzungen
Roman, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2008
251 Seiten, 18,90 Euro