Scheer lehnt Börsengang der Bahn ab
SPD-Vorstandsmitglied Hermann Scheer hat sich grundsätzlich gegen einen Börsengang der Bahn ausgesprochen. Es sei kurzsichtig, ein hohes öffentliches Gut um einer aktuellen Haushaltssanierung willen zu verscherbeln, sagte Scheer.
Hanns Ostermann: Fährt die Bahn doch noch an die Börse oder gleichen die Pläne dafür einem toten Gleis? Die Bundeskanzlerin wackelt jedenfalls nicht, sie hat ein Festhalten der Bundesregierung am Börsengang angekündigt. Zum Wie und Wann schwieg sie bisher. SPD, CDU, Bahn und Gewerkschaften streiten seit Monaten über ein geeignetes Modell, im Zentrum des Konflikts steht die Frage, ob die Bahn ohne das Schienennetz privatisiert werden soll oder mit. Mit – das will Bahnchef Mehdorn, das wollen auch die Gewerkschaften. Heute ist ein Treffen von Fachpolitikern der Koalition und Regierungsvertretern geplant. Da dürfte es sicherlich auch um diese Streitfrage gehen. Am Telefon von Deutschlandradio Kultur ist Hermann Scheer, Bundestagsabgeordneter und Mitglied des SPD-Vorstandes. Guten Morgen, Herr Scheer.
Hermann Scheer: Guten Morgen.
Ostermann: Die Mehrheit der Deutschen, aber auch eine große Gruppe in Ihrer Fraktion ist gegen einen Börsengang. Gehen Sie davon aus, dass er dennoch kommt, wenn auch ein wenig später, weil Frau Merkel, weil die Bundesregierung und Bahnchef Mehdorn ihn wollen?
Scheer: Also ich muss gleich vorweg schicken, ich bin gegen diesen Börsengang und zwar sehr grundsätzlich. Und es ist lange Zeit überhaupt nicht über die Frage diskutiert worden, ob man an die Börse gehen soll mit der deutschen Bahn oder nicht und es wurde von vorneherein, seit Mehdorn seine Pläne entwickelt hat - seinerseits unterstützt von Bundeskanzler Schröder - lange Zeit nur noch über das Wie eines Börsengangs diskutiert und die eigentliche Kernfrage, ob das überhaupt der richtige Weg ist, schien erledigt, schien entschieden. Und die meisten haben noch vor wenigen Wochen gedacht, an dieser Vorentscheidung ließe sich nichts ändern. Und das ist genau der Irrtum, denn von dem Augenblick an, wo die Frage des Ob wieder ins Spiel gebracht worden ist von einer Reihe von Parlamentariern, einschließlich von mir, von dem Augenblick an sieht man, dass es keineswegs so selbstverständlich ist, dass es dafür eine Mehrheit geben würde. Meine Diskussionserfahrung ist und auch die Resonanz, die man erfährt, wenn man dagegen spricht, dass man überhaupt an die Börse geht mit der Bahn, die überwiegende Zahl der Abgeordneten diesen Börsengang der Bahn eigentlich gar nicht will.
Ostermann: Warum nicht? Was spricht gegen diesen Weg an die Börse?
Scheer: Dagegen spricht, dass die Bundesbahn eine gemeinnützige Aufgabe hat, die sogar im Grundgesetz verankert ist, nämlich einen Schienenverkehr, eine Schienenverkehrsdienstleistung für die Bevölkerung in der Breite und zwar auch in der Fläche und nicht nur bezogen auf einige Schwerpunktlinien zu realisieren. Das ist das öffentliche Gut Bundesbahn. Das ist ein hoher Wert, das ist das höchste, das größte öffentliche Gut, das wir haben, jedenfalls ein Gut, das so viel Wert hat, weit über 200 Milliarden, dass man sich sehr sorgsam überlegen muss, kann das mit diesem gemeinnützigen Verkehrsdienstleistungsauftrag aufrechterhalten werden, wenn es an die Börse geht, wo anonyme Shareholder, die keinerlei Interesse daran haben, wie es mit der Gewährleistung dieses Auftrags in der Bundesrepublik Deutschland für die bundesrepublikanische Bevölkerung aussieht, kann das richtig sein, dass das an diese Shareholder geht, die irgendwo an der Börse in Buenos Aires, in New York oder Tokio Anteile mal kaufen und mal verkaufen, je nachdem wie die aktuelle Rendite ist.
Ostermann: Nun gibt es verschiedene Modelle diesbezüglich und einen Kompromiss sucht ja auch der Verkehrsminister. Ein Börsengang Herr Scheer, brächte dem Finanzminister, Ihrem Parteifreund Steinbrück vermutlich bis zu neun Milliarden Euro. Soll die Regierung einfach so auf das Geld verzichten?
Scheer: Nun das ist ja eine etwas kurze Sicht, gesetzt den Fall, es gäbe diese neun Milliarden Euro, so muss man sehen, hier wird ein Wert, den der Berliner Finanzsenator Sarrazin, der ehemals Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn war, mit über 200 Milliarden taxiert. Hier wird ein Unternehmen, dass einen weit, weit höheren Wert hat im Grunde genommen damit verscherbelt, um damit aktuell vielleicht ein bisschen die Haushaltskasse zu sanieren. Entschuldigung, das sind keine Größenordnungen, das wird nicht nur von Abgeordneten wie von mir so wahrgenommen, das wird auch in der Allgemeinheit so wahrgenommen. Nicht zufällig ist eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, wie eine aktuelle Umfrage auch gezeigt hat, gegen den Börsengang.
Ostermann: Richtig.
Scheer: Und man muss wissen, sie sind selbst dagegen, obwohl über Jahre hinweg immer nur von Argumenten für einen Börsengang zu hören war.
Ostermann: Herr Scheer und trotzdem fragt man sich natürlich, warum haben eigentlich so viele Politiker auch in Ihrer Partei an den Börsengang der Bahn geglaubt?
Scheer: Weil, manchmal reden - es ist ja sehr häufig so, in fast jedem Gebiet- es wird über eine bestimmte Sache geredet, von einigen die eine bestimmte Idee haben, wenn dann darüber diskutiert werden soll, dann heißt es, es ist eigentlich noch viel zu früh, dann lass uns erst einmal diese Überlegung reifen, lass uns erst einmal das konzipieren, eine Studie in Auftrag geben, da kann man ja mal sehen, ob da mal etwas dran ist. Das heißt, es wird etwas entschieden und es wird gleichzeitig erklärt, es sei noch zu früh für eine Diskussion und dann werden Vorbereitungen getroffen, es wird besonders noch einmal darüber geredet und dann anschließend heißt es, wenn dann die Sache einigermaßen spruchreif gemacht worden ist, jetzt ist es aber zu spät für die Diskussion. So sind viele Projekte durchgesetzt worden, bei denen sich die Leute fragen, wie kam überhaupt die Mehrheit zustande?
Ostermann: Damit kritisieren Sie doch aber nicht nur die Ministerien, sondern auch einen Teil der Abgeordneten, die sich das gefallen lassen.
Scheer: Nein. Ich kritisiere einen bestimmten Entscheidungsprozess, der auch weit in die Medien hineingeht, denn die Medien, ein großer Teil der Medien, machen dieses Spiel ja mit. Bis vor wenigen Wochen haben auch mir Journalisten noch gesagt, es ist doch völlig aussichtslos, sich vorzustellen, dass der Börsengang noch in Frage gestellt werden könnte. Diese Entscheidung ist doch gefallen und ich habe immer gesagt, ja wieso, wo ist sie denn eigentlich gefallen. Es gibt keinen Bundestagsbeschluss dafür, es gibt keinen Parteitagsbeschluss dafür, weder bei der SPD noch bei der CDU, noch bei der CSU, auch nicht bei den anderen Parteien, vielleicht gibt es einen bei der FDP, das weiß ich jetzt nicht, das liegt alles nicht vor und trotzdem hatte sich das Meinungsbild verdichtet. Daran sei nichts mehr zu ändern. Die Grundentscheidung sei jetzt gefallen.
Ostermann: Herr Scheer, uns läuft die Zeit davon, in drei Minuten gibt es bei uns um sieben die Nachrichten. Nur dies würde ich Sie gerne noch fragen wollen, jetzt heißt es in der "Süddeutschen Zeitung" von heute, dass der Bahnchef Hartmut Mehdorn bis zu 12,5 Milliarden Euro investieren will, um die Deutsche Bahn als europäischen Champion im Verkehrsmarkt zu etablieren, also er richtet den Blick Richtung Osten. Was kommt da auf die Bahn zu?
Scheer: Damit zeigt er aber gleichzeitig, wenn er das als Leckerbissen für den Börsengang hinstellt, zeigt er aber gleichzeitig, dass er sich im Grunde genommen auf der falschen Schiene befindet. Die Bundesbahn hat zwei Kernaufgaben. Das eine ist das, was wir ja schon angesprochen haben, das ist die Bedienung in der Fläche, die Verkehrsdienstleistung für die Allgemeinheit der Bevölkerung und nicht nur die Orientierung auf einige Rendite orientiere Strecken. Das zweite ist eine ökologische Verkehrsdienstleistung anzubieten. Die Bahn soll nicht konkurrieren in erster Linie mit irgendwelchen Unternehmen, in irgendwelchen anderen Kontinenten als International Champion. Die Hauptkonkurrenzaufgabe der Bahn ist, erfolgreich zu konkurrieren mit den Verkehrsangeboten auf der Straße und in der Luft. Das heißt mit dem Luftverkehr und dem Straßenverkehr in Deutschland, um ein attraktiveres Dienstleistungsangebot aus ökologischen Gründen, aus Klimaschutz-Gründen hinzubekommen, weil die Schiene überweltfreundlicher ist. Das ist die Kernaufgabe.
Ostermann: Vielen Dank Herr Scheer!
Hermann Scheer: Guten Morgen.
Ostermann: Die Mehrheit der Deutschen, aber auch eine große Gruppe in Ihrer Fraktion ist gegen einen Börsengang. Gehen Sie davon aus, dass er dennoch kommt, wenn auch ein wenig später, weil Frau Merkel, weil die Bundesregierung und Bahnchef Mehdorn ihn wollen?
Scheer: Also ich muss gleich vorweg schicken, ich bin gegen diesen Börsengang und zwar sehr grundsätzlich. Und es ist lange Zeit überhaupt nicht über die Frage diskutiert worden, ob man an die Börse gehen soll mit der deutschen Bahn oder nicht und es wurde von vorneherein, seit Mehdorn seine Pläne entwickelt hat - seinerseits unterstützt von Bundeskanzler Schröder - lange Zeit nur noch über das Wie eines Börsengangs diskutiert und die eigentliche Kernfrage, ob das überhaupt der richtige Weg ist, schien erledigt, schien entschieden. Und die meisten haben noch vor wenigen Wochen gedacht, an dieser Vorentscheidung ließe sich nichts ändern. Und das ist genau der Irrtum, denn von dem Augenblick an, wo die Frage des Ob wieder ins Spiel gebracht worden ist von einer Reihe von Parlamentariern, einschließlich von mir, von dem Augenblick an sieht man, dass es keineswegs so selbstverständlich ist, dass es dafür eine Mehrheit geben würde. Meine Diskussionserfahrung ist und auch die Resonanz, die man erfährt, wenn man dagegen spricht, dass man überhaupt an die Börse geht mit der Bahn, die überwiegende Zahl der Abgeordneten diesen Börsengang der Bahn eigentlich gar nicht will.
Ostermann: Warum nicht? Was spricht gegen diesen Weg an die Börse?
Scheer: Dagegen spricht, dass die Bundesbahn eine gemeinnützige Aufgabe hat, die sogar im Grundgesetz verankert ist, nämlich einen Schienenverkehr, eine Schienenverkehrsdienstleistung für die Bevölkerung in der Breite und zwar auch in der Fläche und nicht nur bezogen auf einige Schwerpunktlinien zu realisieren. Das ist das öffentliche Gut Bundesbahn. Das ist ein hoher Wert, das ist das höchste, das größte öffentliche Gut, das wir haben, jedenfalls ein Gut, das so viel Wert hat, weit über 200 Milliarden, dass man sich sehr sorgsam überlegen muss, kann das mit diesem gemeinnützigen Verkehrsdienstleistungsauftrag aufrechterhalten werden, wenn es an die Börse geht, wo anonyme Shareholder, die keinerlei Interesse daran haben, wie es mit der Gewährleistung dieses Auftrags in der Bundesrepublik Deutschland für die bundesrepublikanische Bevölkerung aussieht, kann das richtig sein, dass das an diese Shareholder geht, die irgendwo an der Börse in Buenos Aires, in New York oder Tokio Anteile mal kaufen und mal verkaufen, je nachdem wie die aktuelle Rendite ist.
Ostermann: Nun gibt es verschiedene Modelle diesbezüglich und einen Kompromiss sucht ja auch der Verkehrsminister. Ein Börsengang Herr Scheer, brächte dem Finanzminister, Ihrem Parteifreund Steinbrück vermutlich bis zu neun Milliarden Euro. Soll die Regierung einfach so auf das Geld verzichten?
Scheer: Nun das ist ja eine etwas kurze Sicht, gesetzt den Fall, es gäbe diese neun Milliarden Euro, so muss man sehen, hier wird ein Wert, den der Berliner Finanzsenator Sarrazin, der ehemals Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn war, mit über 200 Milliarden taxiert. Hier wird ein Unternehmen, dass einen weit, weit höheren Wert hat im Grunde genommen damit verscherbelt, um damit aktuell vielleicht ein bisschen die Haushaltskasse zu sanieren. Entschuldigung, das sind keine Größenordnungen, das wird nicht nur von Abgeordneten wie von mir so wahrgenommen, das wird auch in der Allgemeinheit so wahrgenommen. Nicht zufällig ist eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, wie eine aktuelle Umfrage auch gezeigt hat, gegen den Börsengang.
Ostermann: Richtig.
Scheer: Und man muss wissen, sie sind selbst dagegen, obwohl über Jahre hinweg immer nur von Argumenten für einen Börsengang zu hören war.
Ostermann: Herr Scheer und trotzdem fragt man sich natürlich, warum haben eigentlich so viele Politiker auch in Ihrer Partei an den Börsengang der Bahn geglaubt?
Scheer: Weil, manchmal reden - es ist ja sehr häufig so, in fast jedem Gebiet- es wird über eine bestimmte Sache geredet, von einigen die eine bestimmte Idee haben, wenn dann darüber diskutiert werden soll, dann heißt es, es ist eigentlich noch viel zu früh, dann lass uns erst einmal diese Überlegung reifen, lass uns erst einmal das konzipieren, eine Studie in Auftrag geben, da kann man ja mal sehen, ob da mal etwas dran ist. Das heißt, es wird etwas entschieden und es wird gleichzeitig erklärt, es sei noch zu früh für eine Diskussion und dann werden Vorbereitungen getroffen, es wird besonders noch einmal darüber geredet und dann anschließend heißt es, wenn dann die Sache einigermaßen spruchreif gemacht worden ist, jetzt ist es aber zu spät für die Diskussion. So sind viele Projekte durchgesetzt worden, bei denen sich die Leute fragen, wie kam überhaupt die Mehrheit zustande?
Ostermann: Damit kritisieren Sie doch aber nicht nur die Ministerien, sondern auch einen Teil der Abgeordneten, die sich das gefallen lassen.
Scheer: Nein. Ich kritisiere einen bestimmten Entscheidungsprozess, der auch weit in die Medien hineingeht, denn die Medien, ein großer Teil der Medien, machen dieses Spiel ja mit. Bis vor wenigen Wochen haben auch mir Journalisten noch gesagt, es ist doch völlig aussichtslos, sich vorzustellen, dass der Börsengang noch in Frage gestellt werden könnte. Diese Entscheidung ist doch gefallen und ich habe immer gesagt, ja wieso, wo ist sie denn eigentlich gefallen. Es gibt keinen Bundestagsbeschluss dafür, es gibt keinen Parteitagsbeschluss dafür, weder bei der SPD noch bei der CDU, noch bei der CSU, auch nicht bei den anderen Parteien, vielleicht gibt es einen bei der FDP, das weiß ich jetzt nicht, das liegt alles nicht vor und trotzdem hatte sich das Meinungsbild verdichtet. Daran sei nichts mehr zu ändern. Die Grundentscheidung sei jetzt gefallen.
Ostermann: Herr Scheer, uns läuft die Zeit davon, in drei Minuten gibt es bei uns um sieben die Nachrichten. Nur dies würde ich Sie gerne noch fragen wollen, jetzt heißt es in der "Süddeutschen Zeitung" von heute, dass der Bahnchef Hartmut Mehdorn bis zu 12,5 Milliarden Euro investieren will, um die Deutsche Bahn als europäischen Champion im Verkehrsmarkt zu etablieren, also er richtet den Blick Richtung Osten. Was kommt da auf die Bahn zu?
Scheer: Damit zeigt er aber gleichzeitig, wenn er das als Leckerbissen für den Börsengang hinstellt, zeigt er aber gleichzeitig, dass er sich im Grunde genommen auf der falschen Schiene befindet. Die Bundesbahn hat zwei Kernaufgaben. Das eine ist das, was wir ja schon angesprochen haben, das ist die Bedienung in der Fläche, die Verkehrsdienstleistung für die Allgemeinheit der Bevölkerung und nicht nur die Orientierung auf einige Rendite orientiere Strecken. Das zweite ist eine ökologische Verkehrsdienstleistung anzubieten. Die Bahn soll nicht konkurrieren in erster Linie mit irgendwelchen Unternehmen, in irgendwelchen anderen Kontinenten als International Champion. Die Hauptkonkurrenzaufgabe der Bahn ist, erfolgreich zu konkurrieren mit den Verkehrsangeboten auf der Straße und in der Luft. Das heißt mit dem Luftverkehr und dem Straßenverkehr in Deutschland, um ein attraktiveres Dienstleistungsangebot aus ökologischen Gründen, aus Klimaschutz-Gründen hinzubekommen, weil die Schiene überweltfreundlicher ist. Das ist die Kernaufgabe.
Ostermann: Vielen Dank Herr Scheer!