Scheel: Steuerausfälle durch Subventionsabbau ausgleichen

Moderation: Hans Ostermann |
Die Vorsitzende des Finanzausschusses des Bundestages, Christine Scheel (Grüne), hat sich dafür ausgesprochen, die Einnahmeausfälle bei den Steuern durch einen Abbau von Subventionen aufzufangen. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer lehnte die Grünen-Politikerin ab.
Ostermann: Kommt Rot-Grün angesichts dieser düsteren Perspektive überhaupt an einer Haushaltssperre vorbei?

Scheel: Also wir können den Haushalt dieses Jahr mit sehr, sehr viel Kraft noch in den Griff bekommen, denn man muss einfach mal sehen, dass die Steuerschätzer ja auch gesagt haben, wir haben mehr Einnahmen als im letzten Jahr - zwar nicht so viel mehr wie geschätzt ursprünglich, aber es sind Mehreinnahmen. Und man muss einfach mal, um die ganze Dramatik klar zu rücken, sagen: Es gibt kein Loch in den Einnahmen in dem Sinne, dass wir das, was wir im Bestand haben, rückläufig bekommen, sondern der Zuwachs ist geringer als geschätzt, das heißt, der Berg ist nicht ganz so hoch wie er hätte sein sollen, was die Steuereinnahmen anbelangt. Das sieht man an den Zahlen, denn wir haben insgesamt, auf allen Ebenen 2,2 Milliarden mehr als im letzten Jahr, das heißt, es sind 445 Milliarden insgesamt und in der Perspektive rechnen die Steuerschätzer damit, dass wir jetzt - wie gesagt - 445 Milliarden haben 2005 und das wächst 2009 auf 501 Milliarden, das heißt, noch mal 56 Milliarden mehr, aber natürlich wäre es schöner, wenn es noch mehr wäre, ist ja klar.

Ostermann: Frau Scheel, Sie sagen also, das Glas Wasser ist nicht halb leer, sondern es ist halb voll. Aber wie bekommen Sie denn jetzt den Haushalt in Ordnung?

Scheel: Ja wir haben natürlich zwei Probleme: Das eine Problem ist, dass der Zuwachs - wie beschrieben eben - nicht so hoch ist und das andere Problem sind die Ausgaben. Der Bund hat jetzt im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt die Ausgaben in den letzten Jahren ja auch zurückgefahren. Um es mal konkret zu sagen: Die Ausgaben des Bundes sind gesunken von 1990, da hatten wir etwa gut 15 Prozent, und jetzt liegen wir bei 11,4 Prozent - das ist übrigens von der Staatsquote der niedrigste Stand seit der Wiedervereinigung. Und gleichzeitig haben wir die Situation, dass wir Subventionen abbauen wollen und hier im Bundesrat die Opposition uns 17 Milliarden Euro blockiert.

Ostermann: Also schiebt man sich den Schwarzen Peter hin und her. Sie appellieren an die Opposition, beispielsweise von der Eigenheimzulage abzuweichen?

Scheel: Ja, wir appellieren an die Opposition, Subventionen, die eben für die Zukunft nicht notwendig sind, mit uns gemeinsam abzubauen, denn wir brauchen auch mehr Geld für Bildung, mehr Geld für Forschung und die Union schlägt jetzt vor, Einschnitte in Sozialleistungen vorzunehmen, also, was sich dahinter verbirgt, sind Rentenkürzungen und genau das wollen wir eben nicht, weil wir sagen, es wäre verantwortungslos auch der älteren Generation gegenüber.

Ostermann: Was brächte zum derzeitigen Zeitpunkt eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, die ja in allen Parteien diskutiert wird?

Scheel: Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer lehnen wir ab, weil - es ist ganz einfach ...

Ostermann: Nur jetzt oder generell?

Scheel: Wir lehnen sie für Haushaltssanierungen und für - wie es immer so schön heißt - irgendwelche Defizite auszugleichen im Haushalt ab, weil die Konjunktur sehr schwach ist und weil das die schwache Konjunktur im Prinzip noch verfestigen würde. Und außerdem muss man auch mal sehen, wir haben strukturelle Aufgaben noch zu bewältigen, also beispielsweise in der Pflegeversicherung und immer wenn man frisches Geld in ein System hineinpumpt, das strukturell nicht ordentlich aufgeräumt ist, dann löst man nicht die Probleme, sondern man verschleppt sie nur. Deswegen ist eine Mehrwertsteuererhöhung, was die Dramatik anbelangt, die ja immer wieder beschrieben wird, derzeit der wirklich falscheste Weg, den man gehen kann.

Ostermann: Frau Scheel, aber die grundsätzliche Frage bleibt doch: Welche Gestaltungsmöglichkeiten hat eigentlich noch die Politik? Letztlich managen Sie doch bloß die Krise.

Scheel: Ja wir haben natürlich, das muss man mal sehen, viele, viele Veränderungen auch im Haushalt vorgenommen. Wir haben Umschichtungen vorgenommen. Wir haben die Finanzleistungen des Bundes - also wenn man über Subventionen redet: Finanzhilfen des Bundes - zurückgefahren um fast 50 Prozent in den letzten Jahren. Wir haben die sozialen Sicherungssysteme stabilisiert, das muss man auch sehen, trotz sehr schwieriger wirtschaftlicher Situation in den letzten Jahren. Trotzdem steigen auch die Steuereinnahmen - zwar langsamer - an, aber sie steigen an. Das bedeutet, wir sind im Prinzip schon auf einer richtigen Spur. Allerdings muss dazukommen, dass wir stärker Subventionen auch im Steuerbereich abbauen und hierzu brauchen wir die Opposition. Das ist kein Zuschieben eines Schwarzen Peters, sondern wir haben in unserem föderalen System, Föderalismus in Deutschland Mehrheitsverhältnisse derzeit im Bundesrat, die sind andere als im Bundestag, und deswegen geht das nur gemeinsam. Und ich kann nur sagen, die Opposition soll mit ihrer organisierten Verantwortungslosigkeit wirklich aufhören und sie soll helfen, dass wir es schaffen, auch für das Jahr 2006 einen guten Haushalt aufstellen zu können mit guten Basisdaten.

Ostermann: Müsste sich die Finanzpolitik nicht möglicherweise auch noch mehr mit der europäischen Perspektive beschäftigen, einfach deshalb, damit die Geldströme nicht an den Nationalstaaten vorbeifließen?

Scheel: Das ist völlig richtig, denn wir müssen stark nach Europa schauen. Wir müssen vor allen Dingen dafür sorgen, dass wir im Unternehmenssteuerbereich gleiche Voraussetzungen in Europa bekommen. Das heißt, die so genannte Bemessungsgrundlage, also das, was zur Besteuerung herangezogen wird, muss in den einzelnen europäischen Staaten angepasst werden. Dann kann man da oben drauf einen Wettbewerb setzen, aber wir brauchen hier gleiche Bedingungen, weil wir Verzerrungen bekommen über Steuergestaltungsmöglichkeiten - die gegeben sind im europäischen Kontext aufgrund der Europäischen Gerichtshofsurteile auch. Und deswegen muss jetzt die nächsten Jahre ganz schnell, also möglichst im nächsten Jahr - das wäre optimal -, hier Bewegung hineinkommen, denn letztendlich schaden die Staaten sich untereinander selbst. Und das kann nicht Ziel eines gemeinsamen Europas sein.