Scheel: Garantieerklärung war psychologisch wichtig
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Christine Scheel, hält politische Garantieerklärungen der Regierung für Geldeinlagen angesichts der Bankenkrise für psychologisch wichtig. "Ein Blankoscheck für die Regierung" dürfe daraus jedoch nicht abgeleitet werden. Auch das Parlament müsse einbezogen werden.
Christopher Ricke: Der deutsche Sparer soll ruhig schlafen. Das soll er dürfen, weil die Bundesregierung im Fall der Fälle mit dem Geld der Steuerzahler für das Geld der Sparer bürgen will. Diese politische Bürgschaft hat vor allen Dingen politische Bedeutung. Erst einmal kommt die Einlagensicherung. Die derzeit gültige EU-Richtlinie zur Einlagensicherung sieht vor, dass auf jedem Sparkonto ein Betrag von mindestens 20.000 Euro geschützt sein muss. In Zukunft sollen es sogar 50.000 sein.
Ich spreche jetzt mit der Bündnis-Grünen Finanzpolitikerin Christine Scheel. Guten Morgen, Frau Scheel!
Christine Scheel: Guten Morgen, Herr Ricke.
Ricke: Ein mehrstufiges Sicherungssystem. Die Bürgschaftserklärung der Kanzlerin, des Finanzministers, die Regierungserklärung der Kanzlerin. Eigentlich müsste mich ein wohliges Gefühl der Sicherheit durchströmen. Tut es aber nicht. Warum denn?
Scheel: Das wohlige Gefühl kommt wahrscheinlich nicht auf, weil man weiß, dass insgesamt und zwar weltweit diese Krise noch nicht vorbei ist. Es ist schon richtig, dass zum jetzigen Zeitpunkt eine Pleite einer Bank, die uns ja bevorstand – wir hatten es im letzten Jahr bei der IKB, die gerettet wurde; wir hatten jetzt mit der Hypo Real Estate die Situation -, natürlich das gesamte Bankensystem mit ins Wanken bringt. Dahingehend ist es schon richtig, wenn man sagt, kurzfristig muss gehandelt werden, dann aber merkt, die Leute sind trotzdem sehr verunsichert, und dann eine politische Garantieerklärung oben draufsetzt. Die Garantieerklärung setzt ja im Prinzip erst dann ein – und das wurde ja jetzt gerade bei Ihnen in dem Bericht auch gesagt -, wenn das Einlagensicherungssystem der Banken nicht mehr funktioniert. Erst dann kommt der Staat und das passiert ja nur dann, wenn die gesamten Banken zusammenbrechen.
Ricke: Dann ist es also gut, dass die Bundesregierung schnell gehandelt hat, ohne lange Debatte im Bundestag?
Scheel: Ich würde sagen, es ist unter psychologischen Gesichtspunkten am Wochenende richtig gewesen, eine Beruhigung zu geben, weil doch viele Leute überlegt haben, muss ich jetzt mein Geld von der Bank abheben. Wenn so etwas einsetzt, dann wird es natürlich für das gesamte System noch viel schwieriger und es wird auch für die Wirtschaft ganz schwierig, denn dann funktioniert ja auch der Kreislauf nicht mehr, was die Kreditvergabe für Wirtschaftsinvestitionen anbelangt, weil die brauchen ja im Prinzip eine Reinvestierung, die bei den meisten Banken ja auch durch Einlagen kommt. Dahingehend ist das richtig, aber wir wollen der Bundesregierung natürlich keinen Blankoscheck ausstellen. Wir wollen schon auch mal wissen, wie sie sich das denn vorstellt. Das heißt, wir wollen, dass das Parlament sich damit befasst und sich nicht nur die Bundesregierung in Form von praktisch der Frau Bundeskanzlerin mit unserem Bundesfinanzminister hinstellt und sagt, wir, das Kabinett, haben gesagt und wir beide bürgen dafür. Da muss schon das Parlament auch noch ein Mitspracherecht haben.
Ricke: Nun bürgt das Parlament ja nicht, sondern es bürgt sozusagen der Steuerzahler. Das Parlament kann nur die Diskussion führen und die Linie der Bundesregierung unterstützen oder kritisieren. Ist es denn vorstellbar, dass sich eine Fraktion im Bundestag der gesamtgemeinschaftlichen Verantwortung für das erwirtschaftete Vermögen entzieht?
Scheel: Das kann ich mir nicht vorstellen, weil wenn das so weit käme, was ja niemand hofft – und so sieht es ja auch überhaupt nicht aus; und man muss ja auch mal ein bisschen aufpassen, dass man keine Panik schürt -, dann haben wir natürlich die Situation, dass der Staat letztendlich dafür sorgen muss, dass das System gerettet wird. Darum geht es. Die Zwischenschritte, die jetzt notwendig geworden sind, oder die ersten Schritte, um dort voranzugehen, müssen jetzt gegangen werden, damit es nicht passiert. Die Schritte heißen, dass wir uns zum Beispiel anschauen müssen: Wie ist die Finanzaufsicht? Welche Lücken gibt es? Da gibt es viele Lücken. Was ist mit den Rating-Agenturen? Die haben ja in der Vergangenheit Banken bewertet in einem Zustand von der IKB zum Beispiel mit tripple A. Das ist das beste Rating, was es gibt. Dann hat man festgestellt, es ist eine Katastrophe gewesen, wie diese Bank gewirtschaftet hat. Das heißt, sowohl die Aufsicht als auch die Rating-Agenturen haben hier versagt und da braucht man ganz, ganz klare Regeln. Ich fand es schon sehr spannend, dass jetzt gestern im Deutschen Bundestag in der Debatte mit der Regierungserklärung der Kanzlerin auch von Seiten der FDP gesagt worden ist, wir brauchen bessere Regeln auf dem Markt, denn das hat die FDP ja bislang in den letzten Jahren immer abgelehnt. Ich weiß noch gut, dass die Grünen Vorschläge gebracht haben zu einer besseren Aufsicht, Vorschläge gebracht haben, dass mehr Eigenkapital in den Banken notwendig ist zur Absicherung, gesagt haben, Zweckgesellschaften sind nicht gut, wenn sie außerhalb der Bilanz stehen, und vieles mehr. Da hieß es immer, das müssen wir dem Markt überlassen, der Bankensektor regelt das schon selbst, wir sind international verflochten und so weiter.
Ricke: Frau Scheel, Sie sind ja als Finanzpolitikerin in sehr vielen Bereichen tätig: bei den ganz einfachen Leuten als Vertrauensfrau der Bausparer bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall. Dann sitzen Sie aber auch im Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau, dort wo Millionen, vielleicht auch mal Milliarden mal gerade so verloren gehen, bei der IKB oder bei Lehman Brothers. Wie viel Vertrauen haben Sie denn in das gesamte System noch, wo Sie doch diese beiden Enden wirklich in der Hand haben?
Scheel: Ich muss sagen, ich habe schon in das System, so wie wir es in Deutschland aufgebaut haben, mit diesem dreigliedrigen Bankensystem, wesentlich mehr Vertrauen als ich das hätte, wenn ich in irgendeinem anderen Land nach dem angloamerikanischen System irgendwie mich aufhalten oder leben müsste. Denn das was in Amerika passiert ist, konnte ja auch deswegen nur passieren, weil die ja überhaupt keine Vorgaben gemacht haben, die in die Richtung gegangen sind, es muss irgendwas mit Eigenkapital unterlegt werden oder Kredite vergibt man nur dann, wenn Sicherheiten da sind. Die Amerikaner haben ja auch Basel II abgelehnt. Das ist ja das System, wo wir gesagt haben, das ist wichtig, damit Banken auch Eigenkapital drin haben.
Dann kommt dazu, dass die Bausparkassen beispielsweise ja sehr konservativ im positiven Sinne anlegen und damit eben nicht auf den Finanzmärkten herumzocken, wie das manch andere private Bank jetzt getan hat oder übrigens auch die Landesbanken, wie die Bayerische Landesbank oder auch die WestLB, die kein eigenes Geschäftsmodell mehr gehabt hat und gemeint hat, sie muss sich jetzt an dieser Immobilienzockerei beteiligen, weil es da schnelle Rendite gegeben hat.
Ricke: Frau Scheel, es kracht ja gewaltig, nicht nur in Amerika, auch in Europa. Das erste Land steht vor der Pleite. Island hat sich gewaltig überhoben. Kommen denn die Einschläge näher?
Scheel: Island steht wirklich am Rande des Abgrunds. Dort ist es so, dass die Regierung eine Garantieerklärung für alle Spareinlagen abgegeben hat, dass die Regierung auch die Kontrolle über die größten Banken des Landes übernommen hat. Ich weiß jetzt nicht, wie es ausgegangen ist, aber es gab eine Riesen-Verwirrung, weil es plötzlich hieß, es gäbe russische Milliarden-Kredite für die isländische Zentralbank, und dann wurde auch der Wechselkurs der isländischen Krone fixiert. Das hat die Zentralbank mitgeteilt. Also da sind sehr, sehr viele schwierige Situationen jetzt. Ich hoffe nur, dass das Land sich stabilisiert, weil wenn das Bankensystem untergeht, dann ist das für den Staat natürlich genauso eine Katastrophe.
Ricke: Vielen Dank, Frau Scheel. – Christine Scheel von den Bündnis-Grünen.
Das Gespräch mit Christine Scheel können Sie bis zum 8. März 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio
Ich spreche jetzt mit der Bündnis-Grünen Finanzpolitikerin Christine Scheel. Guten Morgen, Frau Scheel!
Christine Scheel: Guten Morgen, Herr Ricke.
Ricke: Ein mehrstufiges Sicherungssystem. Die Bürgschaftserklärung der Kanzlerin, des Finanzministers, die Regierungserklärung der Kanzlerin. Eigentlich müsste mich ein wohliges Gefühl der Sicherheit durchströmen. Tut es aber nicht. Warum denn?
Scheel: Das wohlige Gefühl kommt wahrscheinlich nicht auf, weil man weiß, dass insgesamt und zwar weltweit diese Krise noch nicht vorbei ist. Es ist schon richtig, dass zum jetzigen Zeitpunkt eine Pleite einer Bank, die uns ja bevorstand – wir hatten es im letzten Jahr bei der IKB, die gerettet wurde; wir hatten jetzt mit der Hypo Real Estate die Situation -, natürlich das gesamte Bankensystem mit ins Wanken bringt. Dahingehend ist es schon richtig, wenn man sagt, kurzfristig muss gehandelt werden, dann aber merkt, die Leute sind trotzdem sehr verunsichert, und dann eine politische Garantieerklärung oben draufsetzt. Die Garantieerklärung setzt ja im Prinzip erst dann ein – und das wurde ja jetzt gerade bei Ihnen in dem Bericht auch gesagt -, wenn das Einlagensicherungssystem der Banken nicht mehr funktioniert. Erst dann kommt der Staat und das passiert ja nur dann, wenn die gesamten Banken zusammenbrechen.
Ricke: Dann ist es also gut, dass die Bundesregierung schnell gehandelt hat, ohne lange Debatte im Bundestag?
Scheel: Ich würde sagen, es ist unter psychologischen Gesichtspunkten am Wochenende richtig gewesen, eine Beruhigung zu geben, weil doch viele Leute überlegt haben, muss ich jetzt mein Geld von der Bank abheben. Wenn so etwas einsetzt, dann wird es natürlich für das gesamte System noch viel schwieriger und es wird auch für die Wirtschaft ganz schwierig, denn dann funktioniert ja auch der Kreislauf nicht mehr, was die Kreditvergabe für Wirtschaftsinvestitionen anbelangt, weil die brauchen ja im Prinzip eine Reinvestierung, die bei den meisten Banken ja auch durch Einlagen kommt. Dahingehend ist das richtig, aber wir wollen der Bundesregierung natürlich keinen Blankoscheck ausstellen. Wir wollen schon auch mal wissen, wie sie sich das denn vorstellt. Das heißt, wir wollen, dass das Parlament sich damit befasst und sich nicht nur die Bundesregierung in Form von praktisch der Frau Bundeskanzlerin mit unserem Bundesfinanzminister hinstellt und sagt, wir, das Kabinett, haben gesagt und wir beide bürgen dafür. Da muss schon das Parlament auch noch ein Mitspracherecht haben.
Ricke: Nun bürgt das Parlament ja nicht, sondern es bürgt sozusagen der Steuerzahler. Das Parlament kann nur die Diskussion führen und die Linie der Bundesregierung unterstützen oder kritisieren. Ist es denn vorstellbar, dass sich eine Fraktion im Bundestag der gesamtgemeinschaftlichen Verantwortung für das erwirtschaftete Vermögen entzieht?
Scheel: Das kann ich mir nicht vorstellen, weil wenn das so weit käme, was ja niemand hofft – und so sieht es ja auch überhaupt nicht aus; und man muss ja auch mal ein bisschen aufpassen, dass man keine Panik schürt -, dann haben wir natürlich die Situation, dass der Staat letztendlich dafür sorgen muss, dass das System gerettet wird. Darum geht es. Die Zwischenschritte, die jetzt notwendig geworden sind, oder die ersten Schritte, um dort voranzugehen, müssen jetzt gegangen werden, damit es nicht passiert. Die Schritte heißen, dass wir uns zum Beispiel anschauen müssen: Wie ist die Finanzaufsicht? Welche Lücken gibt es? Da gibt es viele Lücken. Was ist mit den Rating-Agenturen? Die haben ja in der Vergangenheit Banken bewertet in einem Zustand von der IKB zum Beispiel mit tripple A. Das ist das beste Rating, was es gibt. Dann hat man festgestellt, es ist eine Katastrophe gewesen, wie diese Bank gewirtschaftet hat. Das heißt, sowohl die Aufsicht als auch die Rating-Agenturen haben hier versagt und da braucht man ganz, ganz klare Regeln. Ich fand es schon sehr spannend, dass jetzt gestern im Deutschen Bundestag in der Debatte mit der Regierungserklärung der Kanzlerin auch von Seiten der FDP gesagt worden ist, wir brauchen bessere Regeln auf dem Markt, denn das hat die FDP ja bislang in den letzten Jahren immer abgelehnt. Ich weiß noch gut, dass die Grünen Vorschläge gebracht haben zu einer besseren Aufsicht, Vorschläge gebracht haben, dass mehr Eigenkapital in den Banken notwendig ist zur Absicherung, gesagt haben, Zweckgesellschaften sind nicht gut, wenn sie außerhalb der Bilanz stehen, und vieles mehr. Da hieß es immer, das müssen wir dem Markt überlassen, der Bankensektor regelt das schon selbst, wir sind international verflochten und so weiter.
Ricke: Frau Scheel, Sie sind ja als Finanzpolitikerin in sehr vielen Bereichen tätig: bei den ganz einfachen Leuten als Vertrauensfrau der Bausparer bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall. Dann sitzen Sie aber auch im Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau, dort wo Millionen, vielleicht auch mal Milliarden mal gerade so verloren gehen, bei der IKB oder bei Lehman Brothers. Wie viel Vertrauen haben Sie denn in das gesamte System noch, wo Sie doch diese beiden Enden wirklich in der Hand haben?
Scheel: Ich muss sagen, ich habe schon in das System, so wie wir es in Deutschland aufgebaut haben, mit diesem dreigliedrigen Bankensystem, wesentlich mehr Vertrauen als ich das hätte, wenn ich in irgendeinem anderen Land nach dem angloamerikanischen System irgendwie mich aufhalten oder leben müsste. Denn das was in Amerika passiert ist, konnte ja auch deswegen nur passieren, weil die ja überhaupt keine Vorgaben gemacht haben, die in die Richtung gegangen sind, es muss irgendwas mit Eigenkapital unterlegt werden oder Kredite vergibt man nur dann, wenn Sicherheiten da sind. Die Amerikaner haben ja auch Basel II abgelehnt. Das ist ja das System, wo wir gesagt haben, das ist wichtig, damit Banken auch Eigenkapital drin haben.
Dann kommt dazu, dass die Bausparkassen beispielsweise ja sehr konservativ im positiven Sinne anlegen und damit eben nicht auf den Finanzmärkten herumzocken, wie das manch andere private Bank jetzt getan hat oder übrigens auch die Landesbanken, wie die Bayerische Landesbank oder auch die WestLB, die kein eigenes Geschäftsmodell mehr gehabt hat und gemeint hat, sie muss sich jetzt an dieser Immobilienzockerei beteiligen, weil es da schnelle Rendite gegeben hat.
Ricke: Frau Scheel, es kracht ja gewaltig, nicht nur in Amerika, auch in Europa. Das erste Land steht vor der Pleite. Island hat sich gewaltig überhoben. Kommen denn die Einschläge näher?
Scheel: Island steht wirklich am Rande des Abgrunds. Dort ist es so, dass die Regierung eine Garantieerklärung für alle Spareinlagen abgegeben hat, dass die Regierung auch die Kontrolle über die größten Banken des Landes übernommen hat. Ich weiß jetzt nicht, wie es ausgegangen ist, aber es gab eine Riesen-Verwirrung, weil es plötzlich hieß, es gäbe russische Milliarden-Kredite für die isländische Zentralbank, und dann wurde auch der Wechselkurs der isländischen Krone fixiert. Das hat die Zentralbank mitgeteilt. Also da sind sehr, sehr viele schwierige Situationen jetzt. Ich hoffe nur, dass das Land sich stabilisiert, weil wenn das Bankensystem untergeht, dann ist das für den Staat natürlich genauso eine Katastrophe.
Ricke: Vielen Dank, Frau Scheel. – Christine Scheel von den Bündnis-Grünen.
Das Gespräch mit Christine Scheel können Sie bis zum 8. März 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio