Schauspielschulen im Wandel

"Selbstdarstellung bedeutet noch nicht Spiel"

26.06.2018, Berlin: Die Studenten Alexandras Koutsoulis (l) und Ulvi Erkin Teke (r) der Ernst-Busch-Schule in Oberschöneweide fechten.
Studenten der Schauspielschule "Ernst Busch" in Berlin fechten © picture alliance / dpa / Annette Riedl
Franziska Kötz im Gespräch mit André Mumot · 28.07.2018
Wie sieht die Zukunft des Theaters aus? Darüber entscheiden nicht zuletzt die Schauspielerinnen und Schauspieler von morgen. Warum die besser keine Youtube-Stars sein sollten, erklärt Franziska Kötz, Leiterin der Staatlichen Schauspielschule Stuttgart.
Von rund 500 Bewerbern, die jedes Frühjahr an den Aufnahmeprüfungen teilnehmen, können gerade einmal acht pro Jahrgang ausgewählt werden. Auffällig sei, dass sich die Kandidatinnen und Kandidatenin den vergangenen Jahren verändert haben, sagt Franziska Kötz, Leiterin der Schauspielabteilung der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart:
"Man merkt eine wachsende Erfahrung in Hinsicht der Selbstdarstellung, aber Selbstdarstellung bedeutet noch nicht Spiel. Das ist natürlich ein großes Missverständnis. Manchmal haben wir den Eindruck, dass sich bei uns junge Leute bewerben, die letztendlich schlimmstenfalls noch nie ein Theater von innen gesehen haben, aber sehr kompetent in den sozialen Medien sind. Nur das hat mit Spielen, mit quasi dem Schaffen einer zweiten Realität auf der Bühne, natürlich wenig zu tun."

"Es stellen sich einfach andere Menschen vor"

Kritik kommt immer wieder daran auf, dass die Ensembles der deutschen Stadttheater nicht divers, nicht bunt genug seien. Eine Herausforderung auch für die Schauspielschulen. Kötz sagt dazu: "Wir wählen nicht nur anders aus, sondern es stellen sich einfach auch natürlich andere Menschen vor. Unsere Gesellschaft verändert sich, entsprechend verändern sich auch die Kandidaten, die sich bei uns vorstellen. Sprich: Die sogenannten migrantischen Hintergründe nehmen zu."
Die vielfältigere Zusammensetzung der Studierenden schafft aber auch überraschende Reibungspunkte, neue Herausforderungen im Umgang. "Wir hatten jetzt zwei Mal die Situation, dass sich ein junger Studienanfänger weigerte, mit einem schwulen Partner auf die Bühne zu gehen, als Moslem. Er würde das nicht machen, er könne mit einem schwulen Mann nicht spielen. Das ist dann erstmal eine Ansage, wo wir natürlich dagegenhalten."

"Die Hautfarbe ist uns, gelinde gesagt, wurscht!"

Eine Quote, um für mehr Diversität an den Schulen und später an den Theatern zu sorgen, lehnt Franziska Kötz klar ab:
"Was zählt, ist das Talent, die Hautfarbe ist uns, gelinde gesagt, vollkommen wurscht! Wir haben das Interesse, Menschen auszubilden, die eine Haltung vertreten, die wach sind, die auch gesellschaftlich, auch politisch eine Wahrnehmung haben. Weil Theater geht mit dem realen Leben um und soll es auch!"
Etwa 30 Prozent der Studierenden in Stuttgart haben bereits Wurzeln in anderen Ländern. "Da denke ich, passiert sowieso schon viel, weil die Kandidaten, die sich bei uns bewerben, eben auch das mitbringen", sagt Kötz. Die Aufmerksamkeit bei dem Thema sei jetzt schon "sehr, sehr groß".
(mumot/huc)

In der kommenden Woche sind zwei Absolventen in Rang 1 zu Gast: Antonia Scharl, die im dritten Jahr an der Berliner Ernst Busch Schauspielschule studiert, sowie Jannik Mühlenweg, der gerade in Stuttgart seinen Abschluss gemacht und in Claus Peymanns "König Lear"-Inszenierung in Stuttgart mitgespielt hat.

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