Schauspielerin und Kabarettistin Idil Baydar

"Das ist anstrengend, permanent diese Migrantenrolle zu erfüllen"

32:41 Minuten
Die Kabarettistin Idil Baydar
"Ich bin nicht migriert, sondern hier geboren und somit ein Teil dieser Gesellschaft", sagt Idil Baydar. © Copyright: Cengiz Karahan
Moderation: Britta Bürger · 28.12.2018
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Sie tritt auf als prollige Jung-Türkin oder als Oma aus Neukölln: Mit ihren derb-realistischen Kunstfiguren nimmt Idil Baydar Klischees aufs Korn und plädiert dafür, Deutsche mit Migrationshintergrund nicht immer nur nach ihren Mängeln zu beurteilen.
"Nicht klicken! Sonst gibt's auf die Fresse", sagt Jilet Ayse, eine der beiden derb-realistischen Kunstfiguren von Idil Baydar in ihrem YouTube-Kanal. Neben der prolligen Jung-Türkin tritt Baydar noch als die Berlin-Neuköllner Proll-Oma Gerda Grischke auf, schon lange nicht mehr nur auf YouTube, sondern auch im Fernsehen und in zahllosen deutschen Theatern. Sie plädiert dafür, Deutsche mit migrantischem Hintergrund nicht immer nur nach ihren Mängeln zu beurteilen.

Mit dem Programm "Ghettolektuell" auf Deutschlandtour

"Wenn man den Satz sagt: 'DIE' lernen unsere Sprache nicht. Dann kommt das in der Interpretation aus dem Minusbereich. Aus dem Mangel, aus der Armut, der Angst, dem Misstrauen. Der Mensch kann sich aber entscheiden, ober er einen anderen im Plus- oder im Minusbereich beurteilen will."
Zur Zeit ist sie in Elfriede Jelineks "Am Königsweg" zu sehen, den sie mit einer ordentlichen Prise Jilet Ayse aufpeppt. Baydar ist Tochter türkischer Einwanderer, ehemalige Waldorf-Schülerin und seit 2015 auch Trägerin des "Sonderpreises für Integration und Toleranz" - mit ihrem Programm "Ghettolektuell" tourt sie seit fast zwei Jahren durch Deutschland. Anders als ihre Mutter, die in den Sechzigerjahren aus der Türkei nach Deutschland kam, um freier zu leben, hat sich Idil Baydar nie für oder gegen ein Land entscheiden müssen: Sie gehört zu diesem.

Teil dieser Gesellschaft

"Ich bin nicht migriert, sondern hier geboren und somit ein Teil dieser Gesellschaft. Deshalb verstehe ich nicht, warum man aus mir unbedingt eine Migrantin machen will. Das ist auch für mich anstrengend, permanent diese Migrantenrolle zu erfüllen. Was wäre aus mir geworden, wäre ich als Kind deutscher Eltern geboren? Vielleicht wäre ich jetzt Astrophysikerin."
(Wdh. vom 31.5.2018)
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