Schauspielerin mit iranischen Wurzeln

Von Kirsten Liese · 20.10.2005
Vor 26 Jahren kam Jasmin Tabatabai mit ihrer Mutter aus Teheran nach Deutschland, wo sie auf die Schauspielschule ging und schnell beim deutschen Film groß raus kam. Doch noch nie zuvor konnte sie eigene Lebenserfahrungen so stark in eine Rolle einbringen wie in Angelina Maccarones Politdrama "Fremde Haut", das jetzt in die Kinos kommt.
So hat man Jasmin Tabatabai noch nicht gesehen: orientalisch verschleiert. Ein ungewöhnlicher Anblick. Erstmals spielt die 38-Jährige, selbst in Teheran geboren, eine Iranerin im Film. In einer der ersten Szenen geht sie im Flieger zur Toilette, wickelt den Schador um den Rauchmelder, schüttelt die langen Haare und raucht erst mal eine. Das Schlimmste ist geschafft, hofft sie. Doch am Frankfurter Flughafen wartet bereits die Grenzkontrolle auf alle, die keine Papiere haben.

Filmsequenz Fremde Haut: "Antwort, Anführungszeichen unten: Diesmal drohten sie mir mit dem Tode. Anführungszeichen oben. Absatz. Können Sie das Todesurteil als beglaubigte Kopie vorlegen? Bitte antworten Sie fürs Protokoll.- "Nein." "

Auch Jasmin gönnt sich eine Zigarette, bevor sie sich an ihre eigene Immigration erinnert. In einem kleinen Berliner Hotel am Alexanderplatz.

Es war im Dezember 1978, als Jasmin nach Deutschland kam. Noch vor dem Sturz des Schahs und der Machtübernahme des Revolutionsführers Khomeini. Die deutsche Schule, die das zwölfjährige Mädchen damals in Teheran besuchte, war gerade geschlossen worden, im ganzen Land machten sich Unruhen breit. Verunsichert schickte ihr persischer Vater sie nach München in die sichere Heimat der deutschen Mutter. Glücklich war sie darüber nicht.

"Ich war eigentlich noch ein Kind und kam in eine Klasse, da haben alle schon geraucht und getrunken und rumgeknutscht, das war für mich schon ein Kulturschock. Und es ist in Deutschland auch für keinen Ausländer leicht, sich einzugewöhnen. … Es ist nicht so ne offenherzige Atmosphäre, wo man jeden, der fremd ist, so willkommen heißt. "

Erst nach längerer Zeit kam die selbstbewusste, willensstarke Künstlerin mit dem Leben in Deutschland klar und setzte sogar ihren Traumberuf durch. Und das obwohl alle ihr prophezeit haben, dass es sehr schwer für sie werden würde.

"Da habe ich Sachen gehört wie, vielleicht ist es gut, wenn du den Namen änderst und vielleicht deine Haare nicht ganz so orientalisch trägst – ich hatte damals ja so lange Haare mit Mittelscheitel – und ich hab mich da aber, bockig wie ich bin, dagegen entschieden. "

Fariba, die Heldin in "Fremde Haut", hat dagegen keine Wahl. Sie schneidet sich gleich die Haare ab, zieht sich Männersachen an, schnürt sich die Brüste ab, malt sich den Schatten eines Bartes an. Weil das vielleicht die einzige Chance ist, in Deutschland zu bleiben. Denn Fariba droht die Abschiebung. Und im Iran die Todesstrafe, weil sie lesbisch ist. Dem Mann, dessen Identität sie annimmt, nützen seine Papiere nichts mehr. Er hat den psychischen Druck nicht verkraftet und Selbstmord gemacht.

Wie leben lesbische Frauen im Iran? Gibt es die überhaupt? Lassen sich Nischen für sie finden, wo sie sich unbemerkt treffen und ihrer Leidenschaft hingeben können?

"Es wird darüber nicht geredet, ich habe auch im Vorfeld versucht, im Internet zu recherchieren und Weblogs oder Foren zu finden, weil ich eben genau auch das wissen wollte... Ich habe nichts gefunden, es ist weiterhin ein ganz großes gesellschaftliches Tabu. "

Für Jasmin gibt es keine Tabus. Seit 1987 war sie nicht mehr im Iran. Ihre Heimat ist ihr im Laufe der Jahre ein bisschen fremd geworden.
Die deutsche Frauenbewegung hat sie geprägt. Die Emma. Alice Schwarzer. Und die Filmemacherinnen ihrer Generation. Katja von Garnier oder Sandra Nettelbeck. In dem Musik-Road-Movie "Bandits" hatte Jasmin auch als Sängerin ihren Durchbruch.

" Ich hatte das große Glück, dass der Anfang meiner Karriere in eine Zeit fiel, wo auch ein neuer Aufbruch war im deutschen Film. So vor zehn, zwölf Jahren war es so, dass ich in eine Zeit rein gekommen bin, wo ganz viele neue spannende Regisseure kamen und der deutsche Film wieder so hoffähig wurde. Das war, als ich auf der Schauspielschule war noch nicht so. "

Es ist ein sympathischer Zug an Jasmin Tabatabai, dass sie im Gespräch so offen und locker ist. Man kann mit ihr über alles reden. Selbst über so intime Dinge wie Sexualität.

"Sexualität ist eine sehr private Sache. Mir hat mal ein sehr intelligenter Mensch gesagt, es ist egal, mit wem du schläfst, es ist nichts, worauf man stolz sein kann, ich finde es immer sehr befremdlich, wenn man angibt, mit wem man das gemacht hat. "

Sie selbst hat vor drei Jahren eine Familie gegründet und fühlt sich ganz wohl in der Rolle der Mutter. Gleichzeitig freut sich Jasmin, dass sie auch in der Lesbenszene viele Fans hat. Als ein androgyner Typ, der schon früher als lesbische oder bisexuelle Frau vor die Kamera trat in Filmen wie "Unbeständig und kühl" oder "Gripsholm".

Filmszene Gripsholm. "Meine unversehrten Damen, falls wir hier noch welche haben, und Herren, bitte begrüßen sie herzlich mit mir den Autor des heutigen Abends, Theobald Tiger, Peter Panther, Kasper Hauser oder nennen wir ihn doch bei seinem richtigen Namen: Kurt Tucholsky. "

Wer weiß, vielleicht erlebt ja auch Jasmin eines Tages noch ein lesbisches Coming-Out. Vorstellen kann sie sich viel. Im Augenblick wünscht sie sich allerdings noch ein zweites Kind und hätte Lust, auch im Film mal eine Mutter zu spielen. Aber nur, wenn das Drehbuch gut ist. Gerade arbeitet Jasmin an einem neuen Plattenalbum. Und lässt sich auch gerne mal überraschen, was sonst noch an neuen Aufgaben auf sie zukommt. Nur eines schließt sie aus: dass sie jemals zurückkehrt in den Iran.

"Die iranischen Frauen sind sehr starke Frauen, und es ist ein ganz tolles Land mit einer sehr guten Kultur. Aber ich kann auch gerade als Mutter einer Tochter, das ja nicht gut heißen, dass es Gesetze gibt in einem Land, aus dem ich komme, wo neunjährige Mädchen verheiratet werden dürfen, oder wo die Zeugenaussage einer Frau vor Gericht als die Hälfte dessen gilt, was ein Mann sagt."