Schauspielerin Erika Pluhar

"Altwerden ohne Disziplin geht nicht"

38:41 Minuten
Die Schauspielerin, Sängerin und Autorin Erika Pluhar im Gespräch mit Susanne Führer über "Anna - Eine Kindheit" auf der Leipziger Buchmesse 2019
Die Schauspielerin, Sängerin und Autorin Erika Pluhar bei "Im Gespräch" auf der auf der Leipziger Buchmesse © Deutschlandradio / Andreas Wünschirs
Moderation: Susanne Führer · 22.03.2019
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Sie war ein Star am Burgtheater in Wien. Doch mit ihrer Schauspielkarriere hat Erika Pluhar längst abgeschlossen. Heute schreibt sie am liebsten Bücher. Ihren Lebensmut hat sich die 80-Jährige trotz harter Schicksalsschläge bewahrt.
"Wenn man 80 wird, muss man eigentlich sehr dankbar sein, dass man körperlich und geistig vorhanden ist", sagt Erika Pluhar. Sie gilt bis heute als eine der größten Schauspielerinnen Österreichs: 40 Jahre lang war sie am Burgtheater in Wien. Auch im Film trat sie in großen Rollen auf, so in Helmut Käutners Maupassant-Zweiteiler "Bel Ami".

Ein Leben voller Schicksalsschläge

Eine ihrer großen Stärken ist die Disziplin, die sie sich bis heute erhalten hat: "Altwerden ohne Diszipilin, glaube ich, geht nicht. Man muss schon auf sich schauen." Dies habe ihr auch geholfen, zahlreiche private Schicksalsschläge zu überstehen. Ihr erster Mann, der Designer Udo Proksch, galt als Enfant terrible der österreichischen Gesellschaft: Alkoholiker und gewalttätig. Wegen sechsfachen Mordes und Versicherungsbetrugs in dem Fall Lucona, einem der spektakulärsten Strafprozesse in Österreich, wurde er 1992 zu lebenslanger Haft verurteilt. Er starb im Gefängnis. Ihre gemeinsame Tochter Anna starb mit 37 Jahren an einem Asthma-Anfall; und ihre große Liebe, der Schauspieler Peter Vogel, beging Selbstmord.
Dennoch ist Erika Pluhar ist immer wieder aufgestanden. Nach dem Tod der Tochter habe sie sich um den damals 15-jährigen Enkelsohn kümmern müssen. "Da konnte ich nicht sagen: Ich verschwinde auch. Das Leben ist schon stark. Und ich bin dafür: Entweder man lebt und ist lebendig – oder man lässt es bleiben."
Die Schauspielerin, Sängerin und Autorin Erika Pluhar im Gespräch mit Susanne Führer über "Anna - Eine Kindheit" auf der Leipziger Buchmesse 2019
Auf der Leipziger Buchmesse: Erika Pluhar im Gespräch mit Susanne Führer über "Anna - Eine Kindheit"© Deutschlandradio / Andreas Wünschirs
Sie erinnert sich an ein prägendes Erlebnis in ihrer Kindheit: Sie war mit Jungen in der Donau baden – und fürchtete sich vor den tiefen Strudeln im Fluss. Die Jungen rieten ihr, sich von den Strudeln herunterziehen zu lassen und am tiefsten Punkt am Grund abzustoßen. "Für mich ist das zu einer Parabel geworden: Man muss der Trauer wirklich die Tiefe lassen und sie wirklich bis in die tiefste Tiefe ausloten. Dann kann man wieder auftauchen und weiterleben."
Auch in ihren meist autobiografischen Büchern findet sich diese Tiefe, zum Beispiel in ihrem jüngsten Buch "Anna. Eine Kindheit". Darin verarbeitet Erika Pluhar ihre Beziehung zu ihrer 1999 verstorbenen Tochter: "Sie hatte eine wirklich nicht leichte Kindheit mit sehr extremen Eltern, beide in der Öffentlichkeit stehend. Und das war sicher ein ein- bis zweijähriger Vorgang, der mir schmerzlich war, aber auch belehrend – und, wie das Wort schon sagt: notwendig. Ich musste das einmal mit ihrer Sicht, mit ihren Empfindungen, mit ihren Augen durchwandern."

Eine starke politische Stimme

Für kurze Zeit war Erika Pluhar auch mit dem Künstler André Heller verheiratet. Er ermutigte sie zum Singen. Seitdem hat sie mehrere CDs produziert. Und sie bleibt eine politische Stimme in Österreich, mit dessen Regierung sie merklich hadert. "Ich wurde jetzt für mein Lebenswerk geehrt. Und da sage ich immer: Ein Lebenswerk kann man nur schaffen in einer Zeit, in der drei Generationen nahezu ohne Krieg aufwachsen. Und Österreich ist ein gesegnetes Land – weltweit. Und deswegen macht es mich traurig, wenn man trotzdem Menschen immer wieder in Hysterie versetzt, in Angst vor Fremden – dass das wieder passieren kann. Also: Meine Stimme, so lange ich lebe, wird man hören müssen."
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