Schauspielerin Anna Thalbach

„In Berlin ist es gerade ungemütlich“

33:23 Minuten
Die Schauspielerin Anna Thalbach, aufgenommen im Januar 2020 zu Gast in der Komödie am Kurfürstendamm auf der Premiere von "Zuhause bin ich Darling" von Laura Wade, unter der Regie von Philippe Besson im Schillertheater Berlin.
Seit 40 Jahren steht Anna Thalbach auf der Bühne oder vor der Kamera – ihre erste Rolle erhielt sie schon als Sechsjährige. © imago images / auslöser-photographie
Anna Thalbach im Gespräch mit Tim Wiese · 24.01.2020
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Mit 46 Jahren hat Anna Thalbach mehr Rollen gespielt als viele Schauspieler in ihrer ganzen Karriere. Immer wieder steht die Berlinerin mit ihrer Mutter Katharina und Tochter Nellie auf der Bühne. Auch als Hörbuch-Sprecherin wurde sie mehrfach ausgezeichnet.
Dass im Leben von Anna Thalbach alles Theater ist, ist familiär begründet. 1973 wird sie als Tochter der Schauspielerin Katharina Thalbach geboren, die Großmutter Sabine stand als berühmte Brecht-Darstellerin auf der Bühne und der Großvater Benno Besson war Regisseur.
Gerade waren – neben den Besson-Brüdern – Katharina, Anna und Nellie Thalbach, Annas Tochter in dem Stück "Hase, Hase" in Berlin zu sehen. Die drei werden auch demnächst im Stück "Mord im Orientexpress" zusammen spielen. Regie führt Katharina Thalbach, von der Tochter mal "Mama", mal "Kathi" genannt.

Mama mit Regieblut

"Meine Mama hat eben auch Regieblut in sich, und wenn ihr was einfällt, flüstert sie einem das trotzdem ins Ohr. Ich finde, dass meine Mutter sehr kreativ ist, sehr schöne Ideen hat, einen sehr schönen Blick hat auf Schauspieler und ihr entsprechendes Potenzial. Kathis Ratschläge als Kollegin und Anweisungen als Regisseurin sind in der Regel immer sehr wohlwollend – und wenn man ihr vertraut und weiß, sie will ja nur ‚det Beste‘, dann kann man das auch dankbar annehmen."
Seit 40 Jahren steht Anna Thalbach auf der Bühne oder vor der Kamera. Ihre erste Rolle erhielt sie als Sechsjährige in dem Film "Engel aus Eisen", den ihr Stiefvater Thomas Brasch drehte. Schon früh rutschte sie in die Welt des Theaters. Dabei hätte sich Anna Thalbach auch einen Beruf mit Kindern oder in der Gastronomie vorstellen kennen, auch eine Tischler- oder Schneiderlehre hätten ihr gefallen. Eine Schauspielschule hat sie nie besucht.
"Ich hab ja mit sechs angefangen zu drehen. Das heißt, als ich 16 war konnte ich mich schon mehr oder weniger finanzieren. Sag mal einem sechzehnjährigen Mädchen, das schon einen Beruf hat, von dem es sogar leben kann: Mach mal 'ne Lehre, krieg mal kein Geld, steh morgens auf. Ich glaube, da hätte jedes sechzehnjährige Mädchen die gleiche Wahl getroffen wie ich."

Keine DDR-Nostalgie

Anna Thalbach wurde in Ost-Berlin geboren und wuchs in West-Berlin auf. Sie war drei Jahre alt, als sie im Zuge der Wolf-Biermann-Ausbürgerung mit ihrer Mutter und deren Lebensgefährten Thomas Brasch die DDR verließ.
"Ich kann keine Nostalgie empfinden, weil ich viel zu klein war, und weil meinem Vater das Land auch nicht gut getan hat – das habe ich jedenfalls als Kind so empfunden. Deswegen war ich teilweise auch böse auf die DDR, aber genauso war ich manchmal auch böse auf die BRD."
Kurz vor dem Fall der Mauer erhielt sie noch einen DDR-Pass. Und kassierte doppeltes Begrüßungsgeld.
"Meinen Eltern war es wichtig, dass ich weiß, woher ich komme. Für die bin ich nun mal ein Kind der DDR und dort geboren. Deswegen hat man sich darum bemüht, einen DDR-Pass zu besorgen. 1989 wurde der mir tatsächlich ausgestellt, auf den letzten Drücker. Und mit 15, 16 denkste dir: ‚‘S gibt Geld, klar, nehm‘ ich.‘ Und dann haben sie bei der Sparkasse in der Motzstraße einen Stempel vergessen. Und dann bin ich zweimal hingegangen."
25 Jahre später gab sie das Geld wieder zurück – beim Festakt zum Jubiläum des Mauerfalls. Sie moderierte die Veranstaltung mit hochrangigen Politikern.
"Dann stand auf dem Moderationskärtchen: bitte eine persönliche Geschichte. Da erzählte ich, dass ich zweimal das Geld geholt habe und dass es mir leid tut. Ich habe dann 50 Euro mitgenommen und vor Frau Merkel, Gorbatschow und Wowereit meine Schulden zurückgezahlt an die BRD. Und Klaus Wowereit war so höflich, mein Geld anzunehmen. Was er damit gemacht hat, weiß ich nicht, ich habe auch keine Quittung darüber."

Zuviel BWL

In Berlin findet Anna Thalbach es gerade etwas "ungemütlich". Da werden apokalyptische und ökonomische Ängste geschürt. Sie bedauert, dass sie keine Kompetenzen hat, sich politisch zu engagieren.
"Also ich habe das Gefühl, wir werden von BWLern regiert und dass dieses BWL-Denken in alle Lebensbereiche inzwischen eingedrungen ist wie so ein Wurm und das alles so diktiert. Es gibt bestimmt Menschen, die das prima finden und sich total freuen. Ich persönlich bin das andere Team und mag das nicht so."
(svs)
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