Schattenfrauen
An Cecilia Sarkozy scheiden sich die Geister, kaum dass ihr Gatte in den Elysee-Palast eingezogen ist. Dank ihrer persönlichen Kontakte zu Staatschef Ghaddafi – so hieß es – sollen die bulgarischen Krankenschwestern und der palästinensische Arzt aus libyscher Haft freigelassen worden sein.
Weshalb sich mancher in der leicht verwirrten französischen Öffentlichkeit fragte, was denn die Präsidentengattin an der Seite der EU-Außenkommissarin Ferrero-Waldner in vorderster Verhandlungsfront verloren hatte. Das bloße Repräsentieren sei nicht ihr Ding, wird sie zitiert. Die Pose der staatsmännischen Retterin liege der „Première dame“ schon mehr.
Sie hat ihren eigenen Kopf und bezeichnet sich selber als politisch unkorrekt, schwänzte sogar die Stichwahl ihres Mannes an der Wahlurne. Und beim Damenbegleitprogramm des G8-Gipfels in Heiligendamm hatte sie Besseres vor, als sich von Herrn Sauer unterhalten zu lassen. Doch welchen Verantwortungsbereich beansprucht Cecilia Sarkozy für sich? Ist sie gar die inoffizielle Kabinettschefin? Pocht sie gleichsam auf ein nebengouvernementales Selbstverwirklichungsprogramm?
Prinzipiell wäre die Frage zu stellen, welche Rolle der Ehefrau eines gewählten Amtsinhabers gemäß ist. Muss sie sich als klassische Staatsdame bescheiden, um in dezenter unambitionierter Zurückhaltung Botschafterin Ihres Landes zu sein? Darf sie sich als politische Beraterin betätigen oder nur die karitative First Lady geben, die sich strikt aus dem Politischen heraushält? Nicolas Sarkozy hat die Frage nach dem künftigen Rollenverständnis seiner Gattin bereits per öffentlicher Liebesbezeugung geklärt: „Ich könnte nicht das tun, was ich tue, wenn sie mich nicht beraten würde.“
Komplementär dazu scheint sich in Deutschland der Fall der Lafontaine-Gattin Christa Müller zu entwickeln. Ebenso läuft sie nach Ansicht ihrer Kritiker aus dem Ruder – wenn auch in völlig andere Richtung. Ende der 90er Jahre galt sie noch als aufstrebende SPD-Steuer- und Wirtschaftsexpertin, die mit kessen Forderungen auf sich aufmerksam machte, die Macht der Bundesbank zu beschränken und die Wirtschaft zu kontrollieren. Die Meinungen über Frau Müller gingen stets auseinander. Die Einen hielten sie klischeegerecht für eine Ratgeberin und Strippenzieherin im Hintergrund. Andere sahen sie in der reinen Rolle der geradezu personifizierten Zurückhaltung.
Als Lafontaine 1999 seinen Totalausstieg aus der Politik verkündete, deklamierte sie vollmundig, der Hinschmiss ihres Mannes hätte für sie keine Karrierekonsequenzen. Denn alles, was sie bislang erreicht habe, sei ihr als Christa Müller und nicht als Frau Lafontaine geglückt. Ihre prominente Ehe sei einem raschen beruflichen Fortkommen eher hinderlich gewesen, da sie jedem Protektionsverdacht aus dem Wege gehen wollte.
Doch die straighte Betriebswirtin sollte hernach alle ihre selbstbewussten Vorsätze Lügen strafen, als sie weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwand, keine kämpferischen Bücher gegen das Finanzkapital mehr schrieb und stattdessen in der Großfamilie an der Saar untertauchte. Das zuvor für ministrabel gehaltene Talent war nämlich aus der Rolle der Wirtschaftsexpertin in die der Vollzeit-Mutter und -tochter geschlüpft.
Mit einem Mal akzeptierte die Müllerin die traditionelle Rollenteilung, wonach das Glück der Familie wichtiger sei als gleichzeitiges Fortkommen in Beruf und Karriere. Doch mit ihrem radikalen Positionswechsel hat sie nunmehr einen heftigen internen Richtungsstreit über die Familienpolitik in der Linkspartei ausgelöst. Denn im alten PDS-SED-Milieu gilt es als normal, dass krippenerfahrene Frauen Kinder haben und gleichzeitig arbeiten. Als Rechtsabweichlerin vom großen Gatten erinnert Lafontaines Lebensgefährtin ein wenig an Brigitte Seebacher-Brandt, die mit ihrem nationalen Eskapismus zu Beginn der 90er Jahre äußerstes Befremden in den Reihen der Partei des großen Ehrenvorsitzenden hervorgerufen hatte.
Cecilia Sarkozy wie Christa Müller ist gemein, dass sie selbstbewusst eigene Interessen ins Spiel bringen und lieber im amtlichen Organigramm erscheinen als nur das Wohltätigkeits-Engelchen mit dem Scheckbuch zu spielen. Kritiker halten dagegen, beide drohten zu öffentlichen Sicherheitsrisiken ihrer Gatten zu werden, sei es wegen drastischer Abweichung von der Parteilinie oder durch das Ignorieren des Protokolls. Soviel scheint zumindest festzustehen: Ddie Selbstaufgabe, sich vorbehaltlos in den Dienst ihrer berühmten Männer zu stellen, ist Vergangenheit. Dagegen scheint das aktuelle Rollenmodell der Schattenfrau noch lange nicht ausgereizt zu sein.
Norbert Seitz, geboren 1950 in Wiesbaden, promovierter Politologe, ist verantwortlicher Redakteur der politischen Kulturzeitschrift „Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte“; schreibt u. a. für den „Tagesspiegel“, die „Frankfurter Rundschau“ und verschiedene Magazine. Letzte Buchveröffentlichung: „Die Kanzler und die Künste. Die Geschichte einer schwierigen Beziehung“ (2005).
Sie hat ihren eigenen Kopf und bezeichnet sich selber als politisch unkorrekt, schwänzte sogar die Stichwahl ihres Mannes an der Wahlurne. Und beim Damenbegleitprogramm des G8-Gipfels in Heiligendamm hatte sie Besseres vor, als sich von Herrn Sauer unterhalten zu lassen. Doch welchen Verantwortungsbereich beansprucht Cecilia Sarkozy für sich? Ist sie gar die inoffizielle Kabinettschefin? Pocht sie gleichsam auf ein nebengouvernementales Selbstverwirklichungsprogramm?
Prinzipiell wäre die Frage zu stellen, welche Rolle der Ehefrau eines gewählten Amtsinhabers gemäß ist. Muss sie sich als klassische Staatsdame bescheiden, um in dezenter unambitionierter Zurückhaltung Botschafterin Ihres Landes zu sein? Darf sie sich als politische Beraterin betätigen oder nur die karitative First Lady geben, die sich strikt aus dem Politischen heraushält? Nicolas Sarkozy hat die Frage nach dem künftigen Rollenverständnis seiner Gattin bereits per öffentlicher Liebesbezeugung geklärt: „Ich könnte nicht das tun, was ich tue, wenn sie mich nicht beraten würde.“
Komplementär dazu scheint sich in Deutschland der Fall der Lafontaine-Gattin Christa Müller zu entwickeln. Ebenso läuft sie nach Ansicht ihrer Kritiker aus dem Ruder – wenn auch in völlig andere Richtung. Ende der 90er Jahre galt sie noch als aufstrebende SPD-Steuer- und Wirtschaftsexpertin, die mit kessen Forderungen auf sich aufmerksam machte, die Macht der Bundesbank zu beschränken und die Wirtschaft zu kontrollieren. Die Meinungen über Frau Müller gingen stets auseinander. Die Einen hielten sie klischeegerecht für eine Ratgeberin und Strippenzieherin im Hintergrund. Andere sahen sie in der reinen Rolle der geradezu personifizierten Zurückhaltung.
Als Lafontaine 1999 seinen Totalausstieg aus der Politik verkündete, deklamierte sie vollmundig, der Hinschmiss ihres Mannes hätte für sie keine Karrierekonsequenzen. Denn alles, was sie bislang erreicht habe, sei ihr als Christa Müller und nicht als Frau Lafontaine geglückt. Ihre prominente Ehe sei einem raschen beruflichen Fortkommen eher hinderlich gewesen, da sie jedem Protektionsverdacht aus dem Wege gehen wollte.
Doch die straighte Betriebswirtin sollte hernach alle ihre selbstbewussten Vorsätze Lügen strafen, als sie weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwand, keine kämpferischen Bücher gegen das Finanzkapital mehr schrieb und stattdessen in der Großfamilie an der Saar untertauchte. Das zuvor für ministrabel gehaltene Talent war nämlich aus der Rolle der Wirtschaftsexpertin in die der Vollzeit-Mutter und -tochter geschlüpft.
Mit einem Mal akzeptierte die Müllerin die traditionelle Rollenteilung, wonach das Glück der Familie wichtiger sei als gleichzeitiges Fortkommen in Beruf und Karriere. Doch mit ihrem radikalen Positionswechsel hat sie nunmehr einen heftigen internen Richtungsstreit über die Familienpolitik in der Linkspartei ausgelöst. Denn im alten PDS-SED-Milieu gilt es als normal, dass krippenerfahrene Frauen Kinder haben und gleichzeitig arbeiten. Als Rechtsabweichlerin vom großen Gatten erinnert Lafontaines Lebensgefährtin ein wenig an Brigitte Seebacher-Brandt, die mit ihrem nationalen Eskapismus zu Beginn der 90er Jahre äußerstes Befremden in den Reihen der Partei des großen Ehrenvorsitzenden hervorgerufen hatte.
Cecilia Sarkozy wie Christa Müller ist gemein, dass sie selbstbewusst eigene Interessen ins Spiel bringen und lieber im amtlichen Organigramm erscheinen als nur das Wohltätigkeits-Engelchen mit dem Scheckbuch zu spielen. Kritiker halten dagegen, beide drohten zu öffentlichen Sicherheitsrisiken ihrer Gatten zu werden, sei es wegen drastischer Abweichung von der Parteilinie oder durch das Ignorieren des Protokolls. Soviel scheint zumindest festzustehen: Ddie Selbstaufgabe, sich vorbehaltlos in den Dienst ihrer berühmten Männer zu stellen, ist Vergangenheit. Dagegen scheint das aktuelle Rollenmodell der Schattenfrau noch lange nicht ausgereizt zu sein.
Norbert Seitz, geboren 1950 in Wiesbaden, promovierter Politologe, ist verantwortlicher Redakteur der politischen Kulturzeitschrift „Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte“; schreibt u. a. für den „Tagesspiegel“, die „Frankfurter Rundschau“ und verschiedene Magazine. Letzte Buchveröffentlichung: „Die Kanzler und die Künste. Die Geschichte einer schwierigen Beziehung“ (2005).

Norbert Seitz© privat