Schalk der Kunstgeschichte

Von Günter Kaindlstorfer · 12.02.2008
Giuseppe Arcimboldo war ein Popstar der Spätrenaissance. Seine aus Obst und Gemüse komponierten Porträts gehören zu den meistgedruckten Motiven der Kunstgeschichte. Das Kunsthistorische Museum Wien zeigt nun 150 Objekte des Meisters des Paradoxen.
Es gab größere Maler als Giuseppe Arcimboldo. Gab es auch originellere? Schwerlich. Eingang in die Kunstgeschichte fand der verspielte Norditaliener, der 1562 als treuer Diener Habsburgs an den Wiener und später an den Prager Hof kam, vor allem mit seinen grotesken Obst- und Gemüseporträts. Sie zählen zu den Highlights auch der Wiener Ausstellung.

Das allegorische Porträt des "Frühlings" etwa, es ist typisch für die hohe Kunst des Pflanzen- und Gemüsearrangements, die Arcimboldo zur Meisterschaft entwickelte: das Ohr des "Frühlings" ist eine Pfingstrose, seine Zähne bestehen aus Maiglöckchen, das Gewand setzt sich aus Kohlblättern, Löwenzahn und Walderdbeeren zusammen.

Für Wilfried Seipel, den Direktor des "Kunsthistorischen Museums", ist Giuseppe Arcimboldo eine singuläre Erscheinung in der europäischen Kunstgeschichte.

"Arcimboldo weckt ja ein zwiespältiges Bild. Als Künstler ist er nicht vergleichbar mit einem Tizian oder einem Bellini, die wir im Kunsthistorischen Museum auch gezeigt haben. Aber: Er ist ein Phänomen, das aufgrund seiner phantasievollen Bilder durchaus auch Kunstgeschichte geschrieben hat. Denn das was Arcimboldo begonnen hat mit seinen Kompositbildern und mit der genauen Naturbeobachtung, die seinen Bildern zugrunde liegt, das ist schon einmalig."

Giuseppe Arcimboldo wurde nicht nur als Maler an den Wiener und später an den Prager Hof geholt. Der phantasievolle Mailänder galt als Multitalent: Er schuf präzise naturwissenschaftliche Illustrationen und sorgte vor allem als Regisseur pompöser kaiserlicher Festumzüge für Aufsehen: Für diese publikumswirksamen Spektakel entwarf Arcimboldo Rüstungen, Prunkwägen, Kostüme und Ballkostüme - eine Art André Heller der Spätrenaissance. Arcimboldo selbst sah sich wohl eher zeittypisch als "Universalgenie".

Wilfried Seipel: "Der ist in einem Ambiente hier in Wien tätig gewesen, das sich durch ein besonderes Interesse für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet hat. Er war in Wien in seinem Element. Hier konnte er umsetzen, was er aus Mailand mitgebracht hat. Er war ein wunderbarer Regisseur für Feste am kaiserlichen Hof. Er war zugleich ein akribischer Beobachter der Natur - zeichnerisch; er war einer der größten Illustratoren seiner Zeit, wenn nicht überhaupt der erste."

150 Objekte zeigt die Wiener Arcimboldo-Schau. Des Meisters künstlerische Anfänge in Mailand sind ebenso dokumentiert wie sein monumentaler Tapisserie-Entwurf für die Kathedrale von Como. Dazu kommen zahlreiche spektakuläre Hauptwerke, zum Teil aus eigenen Beständen des Kunsthistorischen Museums, zum Teil als Leihgaben unter anderem aus dem Louvre, den Uffizien und schwedischen Sammlungen.

Dabei wird eines deutlich: Arcimboldos Gemälde gehorchen einer Ästhetik des Paradoxen. Sie strahlen Witz und Humor aus, haben aber auch eine düstere, durchaus auch beunruhigende Komponente. Die Ausstellungskuratorin Silvia Ferino meint über diese Ambivalenz der Arcimboldoschen Bilder:

"Aber was sie verlangen, sind zwei Blickpunkte: einer des Ganzen und einer des Details. Man muss immer zwischen dem einen und dem anderen hin und herswitchen und wird dadurch verunsichert. Die Verunsicherung ist einer der wichtigsten Faktoren, die Verunsicherung der althergebrachten Werte, sei es in der Gesellschaft oder der Politik. Und das 20. Jahrhundert sieht im 16. Jahrhundert, in der Zeit des Manierismus, verwandte Grundgegebenheiten."

Und so nimmt es nicht wunder, dass es die Dadaisten und später vor allem die Surrealisten waren, die Arcimboldo wiederentdeckten, nachdem der originelle Manierist für einige Jahrhunderte der Vergessenheit anheim gefallen war. Vor allem Salvador Dali ließ sich von den Vexierbildern des originellen Italieners zu eigenen Arbeiten inspirieren. Manche Bilder Arcimboldos muss man buchstäblich auf den Kopf stellen, damit sich ihr verborgener Sinn enthüllt, etwa das Stillleben eines Gemüsekorbs, das - um 180 Grad gewendet - das pausbäckige Antlitz eines Gärtners enthüllt.

Wilfried Seipel: "Man könnte sagen: Das ist ein intellektueller Spaß. Wenn ich etwa das Porträt des Gärtners umdrehe und dann wird diese Ansammlung von Gemüse und verschiedenen Feldfrüchten sichtbar, dann hat das einen stark spielerischen Aspekt. Arcimboldo war sicher auch ein Schalk, das hat Rudolf II. gefallen. Denn der Kaiser war zwar den ernsten Wissenschaften zugewandt, zugleich hat er auch Freude an solchen Einfällen gehabt."

Solcher Einfälle kann man sich durchaus auch heute noch erfreuen. Das Kunsthistorische Museum Wien erwartet sich jedenfalls einen "Blockbuster", der an die Publikumserfolge vergangener Großausstellungen - etwa über El Greco oder Tizian - anknüpft.

Service:
Die Ausstellung Arcimboldo ist bis zum 1.6.2008 im Kunsthistorischen Museum Wien zu sehen.