Schäuble zeigt Verständnis für Gegner der EU-Verfassung
Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende, Wolfgang Schäuble, hat Verständnis für die Gegner der EU-Verfassung in der Union geäußert. Zugleich betonte er aber, die Befürchtung, die nationalen Parlamente würden durch den Vertrag geschwächt, sei unbegründet. Er selbst werde für den Verfassungsvertrag stimmen.
Ostermann: Haben Sie Verständnis für die Abgeordneten, die morgen mit Nein abstimmen werden?
Schäuble: Also ich werde mit Ja stimmen. Ich habe mich auch bemüht, in der Fraktionssitzung möglichst alle dafür zu gewinnen, dass sie mit Ja stimmen. Aber ich habe natürlich auch Verständnis für diejenigen, die sich aus ihren Gründen für ein Nein entscheiden. Das zeigt ja nur, dass wir die Argumente pro und contra ernsthaft wägen, dass wir uns die Entscheidung nicht leicht machen und dass diejenigen, die dafür stimmen, auch mit guten Gründen, auch in Würdigung der Gegenargumente, sich für ein Ja zum Verfassungsvertrag entscheiden.
Ostermann: Verfassungsgegner argumentieren zum Beispiel, dass zahlreiche Kompetenzen nach Brüssel verlagert, also nationale Parlamente entmachtet werden. Sehen Sie diese Gefahr auch oder ist das eine Mär?
Schäuble: Das Argument ist in der Sache falsch. Tatsache ist, dass der Verfassungsvertrag ja eher zu einer Konzentration europäischer Zuständigkeiten führt. Das heißt, dass dieses uferlose Interpretieren von Zielen der europäischen Verträge, aus denen man dann bisher immer praktisch für alle Bereiche Zuständigkeiten abgeleitet hat - genau das soll bekämpft werden, das wird begrenzt zurückgeführt. Das heißt der Trend zu immer mehr Regulierung aus Europa sollte mit diesem Verfassungsvertrag bekämpft werden. Und die Rolle der Parlamente, das Europäische Parlament wie das nationale Parlament, wird durch den Verfassungsvertrag gestärkt und nicht geschwächt. Das haben auch die Gegner des Verfassungsvertrages in der Fraktionssitzung bei uns alle einräumen müssen. Gegenüber der heutigen Vertragslage mit dem Nizza-Vertrag bringt dieser Verfassungsvertrag deutliche Verbesserungen: eine Stärkung der Parlamente, eine Reduzierung der Kompetenzen und seine Stärken des Subsidiaritätsprinzips in Europa.
Ostermann: Herr Schäuble, nun hat ja kaum jemand von uns Bürgern die etwa 400 Seiten gelesen. Wo liegen - auf einen einfachen Nenner gebracht - denn jetzt die originären Aufgaben der Kommission und wo müssen die Mitgliedstaaten das letzte Wort haben?
Schäuble: Die Mitgliedstaaten bleiben die Herren der Verträge, deswegen ist auch das Argument falsch, dass mit diesem Verfassungsvertrag praktisch das Grundgesetz außer Kraft gesetzt werden würde. Das ist nicht so. Aber die Kommission hat das Initiativrecht. Die Regierungen sind in den Europäischen Räten in Zukunft gleichberechtigt mit dem Europäischen Parlament (das Gesetzgebungsorgan) und die Räte müssen in Zukunft, wenn sie Gesetze erlassen, öffentlich tagen und nicht mehr hinter verschlossenen Türen, wo kein Mensch weiß, was eigentlich da die Bürokratien in Brüssel miteinander aushecken. Und die nationalen Parlamente müssen von Anfang an in den Gesetzgebungsprozess einbezogen werden, damit sie rechtszeitig einen Verstoß des Subsidiaritätsprinzips rügen können und sie können auch hinterher beim Europäischen Gerichtshof klagen, wenn sie der Auffassung sind, dass solche europäischen Gesetze die Rechte, die Zuständigkeiten der Europäischen Union überschreiten.
Ostermann: Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union müssen ihr Votum bis Ende nächsten Jahres abgegeben haben, selbst wenn es nicht zu einer Ratifizierung käme, wie etwa in Frankreich. Ist Europa nach Ihrer Einschätzung stark genug, mit einer solchen Situation umgehen zu können?
Schäuble: Ja, natürlich. Der Prozess der europäischen Einigung ist im Kern unumkehrbar. Die allermeisten Menschen, auch diejenigen, die Bedenken gegen diesen Verfassungsvertrag haben, wollen ja das Projekt der europäischen Einigung nicht infrage stellen. Wir haben uns diese Woche daran erinnert, dass es seit Kriegsende 60 Jahre her ist und wenn man einmal in der historischen Dimension misst, was erreicht worden ist, müsste man ja wirklich verrückt sein, wenn man aufs Spiel setzen würde, was wir an Großartigem, an Zukunftschancen durch diesen Prozess der europäischen Einigung gewonnen haben. Natürlich gibt es im Alltag immer ungeheuer viele Schwierigkeiten, die darf man nicht klein reden. Aber man muss das historisch Bedeutsame von den Schwierigkeiten des Alltags auch ein wenig unterscheiden können. Die Schwierigkeiten des Alltags muss man ernst nehmen, das ist ein immer währender Kampf. Aber das große Projekt der europäischen Einigung darf unter gar keinen Umständen aufgegeben werden.
Ostermann: Sie haben mir das Stichwort geliefert. Wird das Projekt der europäischen Einigung eigentlich noch als Aufgabe wahrgenommen, die 60 Jahre nach Kriegsende vor allem dem Frieden dient? In der Regel hört man doch eigentlich nur wirtschaftliche Themen.
Schäuble: Es bleibt natürlich die große Aufgabe, nicht nur wirtschaftlich Europa zu einen, sondern dafür zu sorgen, dass dieses Europa in einer Welt, die enger zusammenwächst, wo wir von Entwicklungen in allen Teilen der Welt stärker betroffen sind, in China, in Ostasien, in Afrika, in Lateinamerika, da kann dieses Europa und kann jedes europäische Land - Luxemburg genauso wenig wie Deutschland - nur seine Interessen und seine Verantwortungen wahrnehmen, wenn wir es gemeinsam tun. Gemeinsam haben wir Europäer große Möglichkeiten, für Frieden, Stabilität, nachhaltige Entwicklung in der Welt einzutreten. Am besten zusammen mit unserem amerikanischen Partner. Jeder für sich, gespalten, uneinig erreichen wir nichts, werden wir irrelevant. Und deswegen ist die beste Zukunft im nationalen Interesse jedes Europäers ein Gelingen der europäischen Einigung.
Ostermann: Wolfgang Schäuble, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Danke.
Schäuble: Also ich werde mit Ja stimmen. Ich habe mich auch bemüht, in der Fraktionssitzung möglichst alle dafür zu gewinnen, dass sie mit Ja stimmen. Aber ich habe natürlich auch Verständnis für diejenigen, die sich aus ihren Gründen für ein Nein entscheiden. Das zeigt ja nur, dass wir die Argumente pro und contra ernsthaft wägen, dass wir uns die Entscheidung nicht leicht machen und dass diejenigen, die dafür stimmen, auch mit guten Gründen, auch in Würdigung der Gegenargumente, sich für ein Ja zum Verfassungsvertrag entscheiden.
Ostermann: Verfassungsgegner argumentieren zum Beispiel, dass zahlreiche Kompetenzen nach Brüssel verlagert, also nationale Parlamente entmachtet werden. Sehen Sie diese Gefahr auch oder ist das eine Mär?
Schäuble: Das Argument ist in der Sache falsch. Tatsache ist, dass der Verfassungsvertrag ja eher zu einer Konzentration europäischer Zuständigkeiten führt. Das heißt, dass dieses uferlose Interpretieren von Zielen der europäischen Verträge, aus denen man dann bisher immer praktisch für alle Bereiche Zuständigkeiten abgeleitet hat - genau das soll bekämpft werden, das wird begrenzt zurückgeführt. Das heißt der Trend zu immer mehr Regulierung aus Europa sollte mit diesem Verfassungsvertrag bekämpft werden. Und die Rolle der Parlamente, das Europäische Parlament wie das nationale Parlament, wird durch den Verfassungsvertrag gestärkt und nicht geschwächt. Das haben auch die Gegner des Verfassungsvertrages in der Fraktionssitzung bei uns alle einräumen müssen. Gegenüber der heutigen Vertragslage mit dem Nizza-Vertrag bringt dieser Verfassungsvertrag deutliche Verbesserungen: eine Stärkung der Parlamente, eine Reduzierung der Kompetenzen und seine Stärken des Subsidiaritätsprinzips in Europa.
Ostermann: Herr Schäuble, nun hat ja kaum jemand von uns Bürgern die etwa 400 Seiten gelesen. Wo liegen - auf einen einfachen Nenner gebracht - denn jetzt die originären Aufgaben der Kommission und wo müssen die Mitgliedstaaten das letzte Wort haben?
Schäuble: Die Mitgliedstaaten bleiben die Herren der Verträge, deswegen ist auch das Argument falsch, dass mit diesem Verfassungsvertrag praktisch das Grundgesetz außer Kraft gesetzt werden würde. Das ist nicht so. Aber die Kommission hat das Initiativrecht. Die Regierungen sind in den Europäischen Räten in Zukunft gleichberechtigt mit dem Europäischen Parlament (das Gesetzgebungsorgan) und die Räte müssen in Zukunft, wenn sie Gesetze erlassen, öffentlich tagen und nicht mehr hinter verschlossenen Türen, wo kein Mensch weiß, was eigentlich da die Bürokratien in Brüssel miteinander aushecken. Und die nationalen Parlamente müssen von Anfang an in den Gesetzgebungsprozess einbezogen werden, damit sie rechtszeitig einen Verstoß des Subsidiaritätsprinzips rügen können und sie können auch hinterher beim Europäischen Gerichtshof klagen, wenn sie der Auffassung sind, dass solche europäischen Gesetze die Rechte, die Zuständigkeiten der Europäischen Union überschreiten.
Ostermann: Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union müssen ihr Votum bis Ende nächsten Jahres abgegeben haben, selbst wenn es nicht zu einer Ratifizierung käme, wie etwa in Frankreich. Ist Europa nach Ihrer Einschätzung stark genug, mit einer solchen Situation umgehen zu können?
Schäuble: Ja, natürlich. Der Prozess der europäischen Einigung ist im Kern unumkehrbar. Die allermeisten Menschen, auch diejenigen, die Bedenken gegen diesen Verfassungsvertrag haben, wollen ja das Projekt der europäischen Einigung nicht infrage stellen. Wir haben uns diese Woche daran erinnert, dass es seit Kriegsende 60 Jahre her ist und wenn man einmal in der historischen Dimension misst, was erreicht worden ist, müsste man ja wirklich verrückt sein, wenn man aufs Spiel setzen würde, was wir an Großartigem, an Zukunftschancen durch diesen Prozess der europäischen Einigung gewonnen haben. Natürlich gibt es im Alltag immer ungeheuer viele Schwierigkeiten, die darf man nicht klein reden. Aber man muss das historisch Bedeutsame von den Schwierigkeiten des Alltags auch ein wenig unterscheiden können. Die Schwierigkeiten des Alltags muss man ernst nehmen, das ist ein immer währender Kampf. Aber das große Projekt der europäischen Einigung darf unter gar keinen Umständen aufgegeben werden.
Ostermann: Sie haben mir das Stichwort geliefert. Wird das Projekt der europäischen Einigung eigentlich noch als Aufgabe wahrgenommen, die 60 Jahre nach Kriegsende vor allem dem Frieden dient? In der Regel hört man doch eigentlich nur wirtschaftliche Themen.
Schäuble: Es bleibt natürlich die große Aufgabe, nicht nur wirtschaftlich Europa zu einen, sondern dafür zu sorgen, dass dieses Europa in einer Welt, die enger zusammenwächst, wo wir von Entwicklungen in allen Teilen der Welt stärker betroffen sind, in China, in Ostasien, in Afrika, in Lateinamerika, da kann dieses Europa und kann jedes europäische Land - Luxemburg genauso wenig wie Deutschland - nur seine Interessen und seine Verantwortungen wahrnehmen, wenn wir es gemeinsam tun. Gemeinsam haben wir Europäer große Möglichkeiten, für Frieden, Stabilität, nachhaltige Entwicklung in der Welt einzutreten. Am besten zusammen mit unserem amerikanischen Partner. Jeder für sich, gespalten, uneinig erreichen wir nichts, werden wir irrelevant. Und deswegen ist die beste Zukunft im nationalen Interesse jedes Europäers ein Gelingen der europäischen Einigung.
Ostermann: Wolfgang Schäuble, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Danke.