Schäuble sieht Wiederaufführung von "Idomeneo" als Erfolg

Moderation: Christine Deggau |
Nach der Wiederaufführung der vormals abgesetzten Oper "Idomeneo" zeigte sich Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble zufrieden. Auch die Vertreter der Muslime in Deutschland hätten sich mit ihrer Anwesenheit für die Opernaufführung ausgesprochen, sagte Schäuble. Die Kritik an der Abwesenheit mancher Teilnehmer der Islam-Konferenz wies er zurück. Freiheit bedeute auch, dass man die Oper nicht anschauen müsse.
Deggau: Die Inszenierung von Hans Neuenfels hatte für Aufregung gesorgt, als die Intendantin Kirsten Harms sie im September aus Furcht vor islamischen Anschlägen vom Spielplan genommen hatte. Der Grund: Am Ende der Aufführung kommen die abgeschlagenen Köpfe der Religionsführer Buddha, Mohammed, Christus und Poseidons ins Bild; eine damals wie heute umstrittene Entscheidung, auf Grund derer Innenminister Wolfgang Schäuble als Initiator der im September gerade tagenden Islamkonferenz zu einem geschlossenen Besuch aller Teilnehmer aufrief. Wolfgang Schäube, guten Morgen!

Schäuble: Guten Morgen, Frau Deggau!

Deggau: Sie waren gestern Abend in der Deutschen Oper und haben sich "Idomeneo" angesehen. Und, Herr Schäuble, wie hat es Ihnen gestern Abend gefallen?

Schäuble: Na ja, zunächst einmal bin ich nicht der oberste Opernkritiker in Deutschland. Als Innenminister muss man sich immer ein bisschen zurückhalten in solchen Fragen, ich war auch gestern mehr in amtlicher Eigenschaft da. Ich hatte "Idomeneo" schon vor zwei Jahren gesehen, diese Inszenierung. Ich mag die Musik von Wolfgang Amadeus Mozart, die Sänger, die Sängerinnen waren zum Teil wirklich toll, und die Inszenierung, irgendwo die Aussage, das eigentliche Ungeheuer ist der Mensch, was ja Neuenfels zum Ausdruck bringen will, das hat er am Anfang auf einem Spruchband und das hat er dann mit dieser angehängten Szene am Ende oder nach dem Schluss der Mozartoper, aber die Verbindung zwischen beiden ist ihm eigentlich nach meinem Eindruck nicht gelungen, und ich habe sie nun zweimal gesehen und habe die Verbindung in der Inszenierung so nicht klar gesehen, aber das wird man unterschiedlich beurteilen.

Deggau: Ganz ehrlich, hatten Sie ein bisschen Angst, dass etwas passieren könnte?

Schäuble: Nein, ich hatte keine Angst. Ich war sicher, dass die Sicherheitsbehörden, die Polizei das Notwendige tut, und ich glaube auch gar nicht, dass es eine konkrete Gefährdung gegeben hat, aber natürlich war es richtig, dass man gestern besondere Sicherheitsmaßnahmen gemacht hat, und es ist ja auch gar nichts passiert.

Deggau: Und glauben Sie nicht, dass diese Sicherheitsvorkehrungen - ich habe das ein bisschen im Fernsehen gesehen, es war wirklich wie am Flughafen -, dass sie den Kunstgenuss etwas geschmälert haben für den einen oder anderen normalen Opernfan?

Schäuble: Ja gut, das mag sein, aber wahrscheinlich waren relativ viele Besucher gestern Abend in der Oper. Sie war ja ziemlich voll, und das ist ja nicht regelmäßig bei den Aufführungen in der Deutschen Oper und bei Idomeneo so der Fall. Die sind ja auch wegen der ganzen Debatte gekommen, dann müssen sie auch in Kauf nehmen, dass bei dieser Aufführung ein paar Polizisten mehr als normal da waren, das finde ich jetzt ein bisschen eine überflüssige Debatte.

Deggau: Und Sie selbst können jetzt, nachdem Sie Idomeneo gesehen haben, die Aufregung, die im Vorfeld stattgefunden hat, verstehen?

Schäuble: Ich habe die Aufregung eigentlich nie verstanden. Natürlich, wenn die Behörden einen solchen Hinweis geben und wenn die Polizei eine solche Warnung ausspricht, dann ist es eine ganz schwierige Entscheidung für die Verantwortlichen. Aber es ist ja jetzt gut, wir hatten eine Debatte, wir haben jetzt gemeinsam alle beschlossen, die Oper wird wieder gespielt, jetzt haben sie viele gesehen, und die meisten haben gesagt, dass sie eigentlich im Nachhinein die Aufregung gar nicht verstehen.

Deggau: So wie Sie auch.

Schäuble: Ja, ich habe sie schon im Vorhinein nicht verstanden.

Deggau: Viele haben es gar nicht verstanden, aber trotzdem waren gestern Medienvertreter aus der ganzen Welt angereist, die Oper war bevölkert, und wenn man das jetzt ganz pragmatisch sieht, fragt man sich schon, warum. Es ist ja nichts passiert, es gab ja keine konkreten Drohungen. Was ist es denn für eine Form von Voyeurismus?

Schäuble: Na gut, das ist eben so, das ist unsere Welt der Kommunikation. Die Debatte im September war ja auch entsprechend aufregend, und wenn irgendwas ist, dann sind immer viele Medien da. Im Übrigen habe ich der Intendantin gestern Abend gesagt, das war ja eine tolle Chance dann auch für die Deutsche Oper, so viel Aufmerksamkeit hat sie nicht jeden Abend, und sie kann sie ja gut gebrauchen, und ich habe ihr auch gesagt, ich hoffe, dass die Deutsche Oper die Chance nützt, und ich hoffe, dass viele, die gestern in der Oper waren, auch demnächst wieder, wenn nicht so ein spektakulärer Anlass ist, in die Oper gehen, dann hätte es ja seinen guten Zweck.

Wir haben das, was wir gewollt haben, das haben wir auch erreicht. Wir haben von vorne herein klargemacht, die Vertreter der Muslime in Deutschland, die ganz unterschiedliche Positionen vertreten, aber in dem Punkt waren sie alle einig: Die Oper soll gespielt werden, sie muss einem nicht gefallen, darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein, aber wir treten alle dafür ein, dass es kein Grund ist für irgendwelche gewalttätigen Auseinandersetzungen, es hat auch keine gegeben, wir treten alle dafür ein, dass es kein Grund ist für Bedrohungen, wir treten ein dafür, dass sie gespielt wird, und diesen Aspekt, den haben wir ja nun wirklich gut verwirklicht.

Deggau: Sie haben damals ja alle Teilnehmer der Islamkonferenz aufgerufen, sich die Aufführung gestern Abend gemeinsam anzusehen. Was für ein Zeichen wollten Sie damit setzen?

Schäuble: Wir haben vor allen Dingen damals gesagt, das war übrigens gar nicht meine Anregung alleine, sondern es war einer der Vertreter der Muslime in der Islamkonferenz, der den Vorschlag gemacht hat, erstens, wir sollten gleich sagen, wir sind alle dafür, dass die Oper nicht vom Spielplan abgesetzt wird, sondern wieder auf den Spielplan aufgenommen wird. Das haben wir auch völlig einmütig gesagt, alle Teilnehmer der Islamkonferenz, und dann habe ich gesagt, und wenn dann die Oper wieder auf den Spielplan genommen wird, dann lade ich euch auch alle ein, ich hatte nie die Vorstellung, dass da nun alle 30 Teilnehmer kommen, jeder hat in der Woche vor Weihnachten auch seine Termine.

Es waren aber sehr viele da, es waren zwei Drittel aller Muslimvertreter da gewesen, wir haben auch hinterher noch zusammen gesessen, ich habe sie noch eingeladen, eine kleine Nachbetrachtung zu machen in einem Restaurant in der Nähe der Deutschen Oper, und es war sehr entspannt. Wir haben viel diskutiert über die Inszenierung, da kann man ja auch wirklich diskutieren, das ist ja auch der Sinn der Provokation bei einer solchen Inszenierung.

Wir haben alle die Musik von Wolfgang Amadeus Mozart genossen, das war ja auch ein schönes musikalisches Erlebnis, und es war alles sehr entspannt, und klar ist, wir alle wollen, dass solche auch provokanten Operninszenierungen keinerlei Grund für irgendwelche gewalttätigen Auseinandersetzungen sind. Wir leben gemeinsam in Freiheit und Toleranz miteinander.

Deggau: Ich habe gestern Abend die Berichterstattung ein bisschen verfolgt, und da gab es einen Al-Dschasira-Korrespondenten, der meinte diese ganze Diskussion sei nicht mehr als ein innerer Monolog des Westens, der hier ausgetragen würde, und beleidigend findet er vor allem, dass man davon ausgeht, wenn Muslime sich verletzt fühlen, dass sie dann gleich gewalttätig werden. Was sagen Sie dazu?

Schäuble: Ja, wir haben doch klargemacht, dass das nicht so ist. Ich weiß auch gar nicht, ob man sich da beleidigt fühlen muss. Es gab ja auch Stimmen aus den christlichen Kirchen, die sich von der Szene beleidigt gefühlt haben. Ich vermute, die alle haben die Oper gar nicht gesehen, und man kann ja sich immer am besten erregen, wenn man gar nicht weiß, wovon man redet.

Deggau: Gestern hatten wir ja auch die Soziologin Necla Kelek im Deutschlandradio Kultur, ebenfalls Mitglied der Islamkonferenz. Sie sagte, dass diese Absagen der Teilnehmer der Islamkonferenz nur deutlich machen würden, dass es im Islam überhaupt keine Auseinandersetzung mit der Religion in der Kunst gäbe. Sehen Sie das auch so streng?

Schäuble: Also ich habe mit Frau Kelek über dieses Thema noch lange heute Nacht diskutiert, weil wir ja zusammen waren. Es ist schon richtig, dass wir innerhalb der Religionen auch zum Teil etwas begrenzte Diskussionen über Theater und Oper haben. Aber ich fand jetzt, was die Absagen anbetrifft, da war es ein bisschen differenzierter, zum Beispiel der Vertreter des Zentralrats hat gesagt, er schaut sich die Oper nicht an, er ist aber da gewesen, weil er gesagt hat, ich möchte durch meine Anwesenheit demonstrieren, dass ich dafür bin, dass die Oper gespielt wird, aber ich mache von meiner Freiheit Gebrauch, dass ich mir sie nicht ansehen muss, und das ist auch völlig in Ordnung. Es schaut sich ja nicht jeder jede Oper an, es muss auch niemand sich eine Oper anschauen oder anhören, es muss auch niemand gefallen.

Die Freiheit ist, dass man es anschauen darf, dass man sich darüber ärgern darf, dass es einem gefallen kann oder dass man sagen kann, es interessiert mich nicht und ich will es nicht sehen, und das ist von allen Vertretern der Muslime, die sonst genau wie andere Menschen auch sehr unterschiedlicher Meinung sind, gestern Abend sehr klar zum Ausdruck gebracht worden, und deswegen war es für das Ziel der deutschen Islamkonferenz ein guter Abend.

Deggau: Die Oper ist wieder im Spielplan, die Debatte um die Kunstfreiheit legt sich. Ist jetzt alles wieder gut?

Schäuble: Alles ist niemals gut. Es kommen immer wieder neue Sorgen und neue Aufregungen, was würden sonst auch die Medien machen wollen, aber am Sonntag ist Weihnachten, und da freuen wir uns wirklich auf ein Fest des Friedens.

Deggau: Herr Schäuble, ich wünsche Ihnen ganz schöne Weihnachten, Ihnen und Ihrer Familie, und danke Ihnen auch für das Gespräch.

Schäuble: Herzlichen Dank, das wünsche ich Ihnen auch und allen unseren Hörern auch gesegnete Weihnachten.

Deggau: Innenminister Wolfgang Schäuble über die umstrittene Aufführung der Mozartoper Idomeneo gestern Abend in der Deutschen Oper.