"Schäuble hat keine Achtung vor unserem Grundgesetz"
Die Vize-Fraktionschefin der FDP im Bundestag, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble kritisiert. Der CDU-Minister hatte angekündigt, für Online-Durchsuchungen notfalls das Grundgesetz zu ändern.
Marie Sagenschneider: Das muss ja fast entspannend gewesen sein für Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, sich mit den ebenfalls für die innere Sicherheit zuständigen Kollegen aus den USA, Russland und der EU zu treffen, denn mit denen war er sich wenigstens einig, was die Strategie im Kampf gegen den Terrorismus anbelangt. In Deutschland hingegen erntet Wolfgang Schäuble derzeit reichlich Kritik. Seine Pläne für ein neues, so genanntes Sicherheitspaket werden nicht nur von der Opposition abgelehnt, sondern auch von der SPD. Von dort heißt es zu schnell, zu viel und zu schrill.
Geplant ist unter anderem, die Daten der LKW-Maut zur Verbrechensaufklärung zu nutzen, den heimlichen Zugriff auf private Computer zu ermöglichen und das Passgesetz so zu formulieren, dass der Fingerabdruck der Bürger künftig nicht mehr nur auf einem Chip auf dem Reisepass, sondern auch bei Meldeämtern gespeichert werden kann. – Am Telefon von Deutschlandradio Kultur ist nun Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie ist stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag und war einst Bundesjustizministerin. Ich grüße Sie!
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Ich grüße Sie!
Sagenschneider: Dass Sie auch nicht gerade begeistert sind von den Vorschlägen Schäubles, das ist bekannt. Welche empfinden Sie denn als besonders bedrohlich?
Leutheusser-Schnarrenberger: Ich denke einmal diese Vernetzung – und das ist es ja – aller Fingerabdrücke, die jetzt auf Pässe, und dann ja künftig auch auf Personalausweise aufgenommen wer-den, in einer Zentraldatei bei Einwohnermeldeämtern und damit ein System, das eine Kennung eines Bürgers über den Fingerabdruck möglich macht, mit natürlich dann der Vernetzung und dem Zugriff durch andere Behörden. Dann haben sie wirklich alle Bürger pauschal erfasst und dann kann die Polizei zu jeder Zeit ihre Datei mit den erkennungsdienstlichen Behandlungen bei der Einwohnermeldedatei abgleichen.
Alle sind also pauschal zunächst mal verdächtig. Das halte ich für wirklich den schlimmsten Vorschlag. Ich möchte immer daran erinnern, als diese Gesetze zum Fingerabdruck in den Pass verabschiedet wurden – damals im Otto-Schily-Paket -, da war der Bundestag sich weitgehend einig, dass es gerade diese Zentraldatei nicht geben soll. Sonst hätte es keine Mehrheit für die Schily-Gesetze gegeben.
Sagenschneider: Der Bundestag war sich auch einig, dass die Daten der LKW-Maut nicht zur Verbrechensaufklärung benutzt werden sollen?
Leutheusser-Schnarrenberger: Ja. Das war damals einhellige Übereinstimmung, dass das für Abrechnungszwecke notwendig ist, die Daten ja bei Toll Collect gespeichert werden, nicht bei einer staatlichen Behörde und in einer Datei von Polizei und Verfassungsschutz. Und das jetzt ist einfach eine Erfahrung, die sich immer wieder bestätigt, egal wer Innenminister ist: Sobald einige Daten da sind, ist die Begehrlichkeit da, sie immer auch in das weit verzweigte Netz von Hunderten von Da-teien mit jetzt schon Millionen Eintragungen auch hineinzunehmen.
Ich glaube man muss wirklich in dieser ganzen Debatte erstens klar den Widerstand gegen diese Maßnahmen artikulieren, und man muss auch deutlich machen, dass Sicherheits- und Innenpoliti-ker, die nichts anderes kennen als immer mehr Gesetze mit immer mehr Eingriff in die Persönlich-keitssphäre, damit nicht zu mehr Sicherheit beitragen. Die verunsichern die Bürger und die schaffen damit nicht mehr Sicherheit gegen Terroristen und Kriminelle.
Sagenschneider: Kommen wir noch mal zu dem Plan, den heimlichen Zugriff auf private Com-puter zu ermöglichen. Das ist ja nicht neu; das gab es schon. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, die Grundlage, mit der das bisher begründet wurde, vergleichbar mit Hausdurchsuchungen, gilt nicht, weil Hausdurchsuchungen ja bekanntlich offen stattfinden. Das ist ja ein wesentlicher Unterschied.
Leutheusser-Schnarrenberger: Genau. Da steht der Betroffene daneben.
Sagenschneider: Nun sagt Wolfgang Schäuble, im Notfall, wenn das eben so alles nicht geht, dann ändern wir das Grundgesetz.
Leutheusser-Schnarrenberger: Das ist Schäubles Haltung schon lange. Er hat keine Achtung vor unserem Grundgesetz und vor den Grundrechten, sondern entweder er testet es aus – dann muss man halt das Bundesverfassungsgericht entscheiden lassen -, oder aber am besten ist, die Grundrechte einfach im Kern einschränken. Hier geht es um Artikel 13 Grundgesetz, Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung, aber letztendlich allgemein um den Schutz der Privatsphäre.
Ich glaube, dass auch diese Politik inzwischen am Ende angelangt ist. Das geht nicht mehr, denn das Bundesverfassungsgericht hat klar gesagt, wir können noch so viel am Grundgesetz ändern, in den Kernbereich des Einzelnen, in seine privatesten Bereiche – er braucht diesen privaten Rückzugsraum – darf man nicht eindringen. Und dann sagen Sie mir doch mal: Wie wollen sie bei einer Online-Durchsuchung des privaten PC denn dann noch unterscheiden zwischen privaten Dingen und möglicherweise einer E-Mail, die El-Kaida-Anhänger um die Welt schicken und sagen, über-morgen geht’s los!
Sagenschneider: Das kann ich Ihnen auch nicht beantworten. Ich frage mich immer, wer überhaupt diese ganzen Daten auswerten soll. Das ist ja ein Wahnsinn, was dann gesammelt würde, wenn das tatsächlich mal umgesetzt würde, woran wir ja nicht glauben.
Leutheusser-Schnarrenberger: Zyniker sagen ja inzwischen mit nicht geringer Berechtigung, der beste Datenschutz ist inzwischen die Datensammelwut des Staates, denn das kann man nicht mehr auswerten. Das kommt davon, wenn man einen Großteil der Bürger pauschal erst mal verdächtigt und dann sie mit persönlichsten Daten und Angaben in viele Dateien aufnimmt.
Ich denke, was für den Bürger das Gefährliche dabei ist, ist dass Daten zu einem Zweck erhoben werden und hinterher zu ganz anderen Zwecken verwandt werden, und der Bürger wissen muss, er kann nicht mehr kontrollieren was mit seinen persönlichen Angaben passiert. Das ist nicht mehr für ihn und auch für andere nicht mehr kontrollierbar, und damit wird man eben Objekt von staatlichem Handeln. Genau das darf nicht passieren und deshalb muss jetzt eine klare Sprache her. Die Frage der Abwägung, was geht denn noch, ein bisschen zwischen Freiheit und Sicherheit, die ist jetzt vor-bei.
Sagenschneider: Die SPD kritisiert die Vorschläge von Wolfgang Schäuble, der – das muss man dazu sagen – die Unterstützung der Union hat.
Leutheusser-Schnarrenberger: Ja, natürlich!
Sagenschneider: Die SPD kritisiert die Vorschläge. Glauben Sie das wird Bestand haben?
Leutheusser-Schnarrenberger: Ich hoffe, dass die Kritik der SPD Bestand hat.
Sagenschneider: Das meine ich!
Leutheusser-Schnarrenberger: Leider war sie in der Vergangenheit, als Otto Schily Innenminister war, auch in der rot-grünen Regierung nicht so standhaft. Da hat sie ja viele der Dinge vorange-trieben, die sie jetzt auch ein Stück weit beklagt. Ich kann nur sagen, weiter so! Es wird bestimmt in der Opposition – aber wir können leider diese Vorschläge nicht verhindern – eine breite Unterstützung geben und ich denke, wenn wir gemeinsam hier auch die Öffentlichkeit mobilisieren, dann können wir vielleicht noch Herrn Schäuble stoppen.
Sagenschneider: Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen!
Geplant ist unter anderem, die Daten der LKW-Maut zur Verbrechensaufklärung zu nutzen, den heimlichen Zugriff auf private Computer zu ermöglichen und das Passgesetz so zu formulieren, dass der Fingerabdruck der Bürger künftig nicht mehr nur auf einem Chip auf dem Reisepass, sondern auch bei Meldeämtern gespeichert werden kann. – Am Telefon von Deutschlandradio Kultur ist nun Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie ist stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion im Bundestag und war einst Bundesjustizministerin. Ich grüße Sie!
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: Ich grüße Sie!
Sagenschneider: Dass Sie auch nicht gerade begeistert sind von den Vorschlägen Schäubles, das ist bekannt. Welche empfinden Sie denn als besonders bedrohlich?
Leutheusser-Schnarrenberger: Ich denke einmal diese Vernetzung – und das ist es ja – aller Fingerabdrücke, die jetzt auf Pässe, und dann ja künftig auch auf Personalausweise aufgenommen wer-den, in einer Zentraldatei bei Einwohnermeldeämtern und damit ein System, das eine Kennung eines Bürgers über den Fingerabdruck möglich macht, mit natürlich dann der Vernetzung und dem Zugriff durch andere Behörden. Dann haben sie wirklich alle Bürger pauschal erfasst und dann kann die Polizei zu jeder Zeit ihre Datei mit den erkennungsdienstlichen Behandlungen bei der Einwohnermeldedatei abgleichen.
Alle sind also pauschal zunächst mal verdächtig. Das halte ich für wirklich den schlimmsten Vorschlag. Ich möchte immer daran erinnern, als diese Gesetze zum Fingerabdruck in den Pass verabschiedet wurden – damals im Otto-Schily-Paket -, da war der Bundestag sich weitgehend einig, dass es gerade diese Zentraldatei nicht geben soll. Sonst hätte es keine Mehrheit für die Schily-Gesetze gegeben.
Sagenschneider: Der Bundestag war sich auch einig, dass die Daten der LKW-Maut nicht zur Verbrechensaufklärung benutzt werden sollen?
Leutheusser-Schnarrenberger: Ja. Das war damals einhellige Übereinstimmung, dass das für Abrechnungszwecke notwendig ist, die Daten ja bei Toll Collect gespeichert werden, nicht bei einer staatlichen Behörde und in einer Datei von Polizei und Verfassungsschutz. Und das jetzt ist einfach eine Erfahrung, die sich immer wieder bestätigt, egal wer Innenminister ist: Sobald einige Daten da sind, ist die Begehrlichkeit da, sie immer auch in das weit verzweigte Netz von Hunderten von Da-teien mit jetzt schon Millionen Eintragungen auch hineinzunehmen.
Ich glaube man muss wirklich in dieser ganzen Debatte erstens klar den Widerstand gegen diese Maßnahmen artikulieren, und man muss auch deutlich machen, dass Sicherheits- und Innenpoliti-ker, die nichts anderes kennen als immer mehr Gesetze mit immer mehr Eingriff in die Persönlich-keitssphäre, damit nicht zu mehr Sicherheit beitragen. Die verunsichern die Bürger und die schaffen damit nicht mehr Sicherheit gegen Terroristen und Kriminelle.
Sagenschneider: Kommen wir noch mal zu dem Plan, den heimlichen Zugriff auf private Com-puter zu ermöglichen. Das ist ja nicht neu; das gab es schon. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, die Grundlage, mit der das bisher begründet wurde, vergleichbar mit Hausdurchsuchungen, gilt nicht, weil Hausdurchsuchungen ja bekanntlich offen stattfinden. Das ist ja ein wesentlicher Unterschied.
Leutheusser-Schnarrenberger: Genau. Da steht der Betroffene daneben.
Sagenschneider: Nun sagt Wolfgang Schäuble, im Notfall, wenn das eben so alles nicht geht, dann ändern wir das Grundgesetz.
Leutheusser-Schnarrenberger: Das ist Schäubles Haltung schon lange. Er hat keine Achtung vor unserem Grundgesetz und vor den Grundrechten, sondern entweder er testet es aus – dann muss man halt das Bundesverfassungsgericht entscheiden lassen -, oder aber am besten ist, die Grundrechte einfach im Kern einschränken. Hier geht es um Artikel 13 Grundgesetz, Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung, aber letztendlich allgemein um den Schutz der Privatsphäre.
Ich glaube, dass auch diese Politik inzwischen am Ende angelangt ist. Das geht nicht mehr, denn das Bundesverfassungsgericht hat klar gesagt, wir können noch so viel am Grundgesetz ändern, in den Kernbereich des Einzelnen, in seine privatesten Bereiche – er braucht diesen privaten Rückzugsraum – darf man nicht eindringen. Und dann sagen Sie mir doch mal: Wie wollen sie bei einer Online-Durchsuchung des privaten PC denn dann noch unterscheiden zwischen privaten Dingen und möglicherweise einer E-Mail, die El-Kaida-Anhänger um die Welt schicken und sagen, über-morgen geht’s los!
Sagenschneider: Das kann ich Ihnen auch nicht beantworten. Ich frage mich immer, wer überhaupt diese ganzen Daten auswerten soll. Das ist ja ein Wahnsinn, was dann gesammelt würde, wenn das tatsächlich mal umgesetzt würde, woran wir ja nicht glauben.
Leutheusser-Schnarrenberger: Zyniker sagen ja inzwischen mit nicht geringer Berechtigung, der beste Datenschutz ist inzwischen die Datensammelwut des Staates, denn das kann man nicht mehr auswerten. Das kommt davon, wenn man einen Großteil der Bürger pauschal erst mal verdächtigt und dann sie mit persönlichsten Daten und Angaben in viele Dateien aufnimmt.
Ich denke, was für den Bürger das Gefährliche dabei ist, ist dass Daten zu einem Zweck erhoben werden und hinterher zu ganz anderen Zwecken verwandt werden, und der Bürger wissen muss, er kann nicht mehr kontrollieren was mit seinen persönlichen Angaben passiert. Das ist nicht mehr für ihn und auch für andere nicht mehr kontrollierbar, und damit wird man eben Objekt von staatlichem Handeln. Genau das darf nicht passieren und deshalb muss jetzt eine klare Sprache her. Die Frage der Abwägung, was geht denn noch, ein bisschen zwischen Freiheit und Sicherheit, die ist jetzt vor-bei.
Sagenschneider: Die SPD kritisiert die Vorschläge von Wolfgang Schäuble, der – das muss man dazu sagen – die Unterstützung der Union hat.
Leutheusser-Schnarrenberger: Ja, natürlich!
Sagenschneider: Die SPD kritisiert die Vorschläge. Glauben Sie das wird Bestand haben?
Leutheusser-Schnarrenberger: Ich hoffe, dass die Kritik der SPD Bestand hat.
Sagenschneider: Das meine ich!
Leutheusser-Schnarrenberger: Leider war sie in der Vergangenheit, als Otto Schily Innenminister war, auch in der rot-grünen Regierung nicht so standhaft. Da hat sie ja viele der Dinge vorange-trieben, die sie jetzt auch ein Stück weit beklagt. Ich kann nur sagen, weiter so! Es wird bestimmt in der Opposition – aber wir können leider diese Vorschläge nicht verhindern – eine breite Unterstützung geben und ich denke, wenn wir gemeinsam hier auch die Öffentlichkeit mobilisieren, dann können wir vielleicht noch Herrn Schäuble stoppen.
Sagenschneider: Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen!