Schätzpreis 1,8 Millionen Euro

Von Wiebke Hüster |
Mit einigen aufregenden Bieterkämpfen im Saal und stattlichen Ergebnissen im einstelligen Millionenbereich ging am frühen Freitagabend die Versteigerung von 100 "Ausgewählten Werken" in der Villa Grisebach zu Ende. Teuerstes Bild war Los Nr. 17, Ernst Ludwig Kirchners "Landschaft am Ufer", das sich von Einstiegsgeboten bei 800.000 Euro auf glatte zwei Millionen steigerte.
Emil Noldes anrührend leuchtendes Mädchengesicht auf seinem 1946 gemalten Ölbild "Kleine Sonnenblumen" erzielte 1.900.000 Euro, dicht gefolgt in der Käufergunst von "Abendhimmel und Meer", das Nolde bereits 1937 malte.

Den Weltrekord dürfte Griesebach aufgestellt haben, was den höchsten je erzielten Preis für ein Gemälde des zeitgenössischen, sehr gefragten Dresdner Malers Eberhard Havekost betrifft. Sein großes, zwei mit ihren Eingängen einander zugeneigte Zelte zeigendes Bild mit dem ironischen Titel "Beziehung 2" kletterte von 70.000 Euro auf 199.000 Euro.

Anders als bei der Fotografieauktion am Tag zuvor, wo Sammler gezielt und unaufgeregt einige Objekte ihrer Begierde erwarben, ohne sich groß streiten zu müssen (Ausnahme: Dieter Blums "Rauchender Mann", um den zwei Bieter im Saal erbittert kämpften, bis einer bei 81.000 Euro aufgab), anders bei den Ausgewählten Werken. Ein russischer Käufer im Saal etwa erlangte in einem Nervenkrieg, in dem am Schluss in 5000er Schritten geboten wurde, Karl Schmidt-Rottluffs "Pommersche Bauern" für 515.000 Euro.

Damit liegen natürlich die Ergebnisse der Villa Grisebach, die in den vergangenen Jahren Zuwächse von bis zu 25 Prozent verzeichnen konnte, weit unter den der Londoner und New Yorker Auktionen von Sotheby’s oder Christie’s. Aber das Publikum, das heute Kunst kauft, ist ein zwischen den Metropolen der Kunst hin- und herjettendes. 15 bis 20 Prozent der reichen, fleißigen Käufer bei Sotheby’s seien Russen, erklärte das Unternehmen. Teils kauften sie Werke zurück, die früher in Familienbesitz waren, teils ersteigerten sie reine Prestigeobjekte. "Kaufe das, was andere kaufen, aber zahle mehr dafür", so brachte der "Guardian" die Gier der neuen Käuferschichten – Hedgefondsmanager, Neureiche aus China oder Lateinamerika – auf den Punkt.

Die Frage, ob das unbedingt Sammler sind, oder ob diese Käufer nicht eher Kunst als Verschiebemasse in ihren Wertanlagen betrachten, die sie jederzeit möglichst mit Gewinn wiederveräußern können, treibt den Kunstmarkt um. Denn das anhaltende Hoch seit drei Jahren weckt auch Befürchtungen, die Blase könne bald platzen. Der Künstler Damien Hirst (der einen eingelegten Hai verkaufte, und ein ganzes, als "Pharmacy" eingerichtetes Restaurant und jetzt mit einem diamantbesetzten Totenschädel ungeklärter Provenienz Aufsehen erregte) glaubt das nicht. Kunst sei noch immer die vielleicht mächtigste Währung der Welt, erklärte er nicht ganz uneigennützig. Nur ein Krieg könne das stoppen.