Satire über den Literaturbetrieb

Rezensiert von Edelgard Abenstein · 01.06.2006
Autor Peter Zeindler macht sich in "Der Schreibtisch am Fenster" lustig über Verlagsskandale, über den Anteil, den das wirkliche Leben in Romanen einnimmt und über die Rezepturen, nach denen aus Büchern Bestseller gemacht werden. Der Roman ist hervorgegangen aus jahrzehntelanger Erfahrung mit Autorenkollegen, Verlagen, Agenten und den Medien.
Einmal möchte er ganz groß herauskommen, der Schriftsteller Jakob Solbach, der bislang nie über die kleine Form hinausgefunden hat, ein paar Novellen in wenig beachteten Anthologien. Einmal möchte er den großen Erfolg haben, geliebt von seinem Verlag, dem Feuilleton, seinen Kollegen und einer schönen, jungen, bislang für ihn unerreichbaren Frau. Wenn man es richtig anstellt, so denkt er sich, bedeutet Schreiben Macht.

Also beginnt er einen Schlüsselroman, in dem alle, um deren Anerkennung er buhlt, ihren Auftritt haben: ein berühmter Verleger, dessen erfolgreichster Autor sowie deren gemeinsame Geliebte, eine Opernsängerin am Beginn ihrer Karriere, die vom Fach der Mezzosopranistin mit Kalkül in die Rolle der Ehefrau wechselt, womit sie, zumindest materiell gesehen, für immer ausgesorgt hat.
Was zunächst wie der Racheakt eines ewig Zukurzgekommenen aussieht, wächst sich zu einem tragikomischen Spiel im Spiel aus.

Denn Solbach, der seinen Roman in Abschnitten aus dem Leben der wirklichen Personen, notdürftig verfremdend, direkt abschreibt und nach seinen Wünschen umgestaltet, beeinflusst damit nach und nach deren Entscheidungen. So bietet er sich mit seinen ersten Kapiteln dem in die Schreibkrise geratenen Großschriftsteller als Ghostwriter an - und er bekommt den Zuschlag, er sät Zwietracht zwischen dem Starautor und seinem Verleger und veranlasst ihn am Ende zu einem verhängnisvollen Verlagswechsel.

Der getürkte Enthüllungsroman wird kapitelweise in die "wahre" Geschichte eingestreut, so dass der Autor Solbach die Gelegenheit bekommt, die ohnehin schon verworrene Erzählung als sentimentalen Möchtegernbestseller aufzuladen. "Sternschnuppen der Liebe" heißt sein Roman, und er nutzt damit die Chance, sowohl seinem übermächtigen Konkurrenten als auch dem ihn ignorierenden Verleger mitsamt dessen neuer Ehefrau eines auszuwischen. Dass am Ende zwei Figuren auf der Strecke bleiben, scheint nicht beabsichtigt, wird aber, mit einer Verbeugung von dem Genre des Krimis, billigend in Kauf genommen.

Das klingt nicht nur nach knallbunter Kolportage - das ist es auch. Damit der Leser sich in der parallel geführten Handlung zurechtfindet, macht Zeindler den Roman im Roman dadurch kenntlich, dass er zwei Stilrichtungen verwendet, die sich jedoch leider nicht immer voneinander unterscheiden lassen.

Mit Sicherheit ist "Der Schreibtisch am Fenster", hervorgegangen aus jahrzehntelanger Erfahrung mit Autorenkollegen, Verlagen, Agenten und den Medien eine Satire auf den deutschsprachigen Literaturbetrieb. Der über 70-jährige Schweizer Peter Zeindler, bislang hervorgetreten mit an die 20 Kriminalromanen, macht sich lustig über die Verlagsskandale der letzten Zeit, über den Anteil, den das wirkliche Leben in den Romanen einnimmt und über die Rezepturen, nach denen aus Büchern Bestseller gemacht werden.

So ist Zeindlers Buch mehr als ein Enthüllungsroman, obwohl die Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen des öffentlichen Lebens keineswegs zufällig sind, dem Verleger des Suhrkamp-Verlages Siegfried Unseld, seiner Witwe und Nachfolgerin Ulla Berkewicz sowie dem Starautor Martin Walser, der nach Unselds Tod zu einem anderen deutschen Großverlag gewechselt ist.

Auch die gerichtsnotorischen Folgen, die Maxim Billers "Esra" bis heute Schlagzeilen sichern, spielen eine Rolle, in der ganz nebenbei nicht mehr die Lektoren über Wohl und Wehe von Romanen entscheiden, sondern die Anwälte, wenn ihnen erlaubt würde, über den zulässigen Gehalt von Authentischem zu befinden, über das rechte Maß von Liebe, Verrat und Tod in der Literatur.


Peter Zeindler:
Der Schreibtisch am Fenster

Arche-Verlag Zürich 2006,
320 Seiten, 19,90 Euro.