Satan-Biografie von Kurt Flasch

Wo kein Teufel, da kein Gott

Ein Klause mit bengalischem Feuer zieht durch die Innenstadt von Sonthofen (Schwaben).
Die Existenz des Teufels galt seit biblischen Zeiten bis in die Neuzeit als weitgehend unbestritten. © picture alliance / dpa / Karl-Josef Hildenbrand
Von Philipp Gessler · 21.09.2015
Fast 2000 Jahre lang war der Teufel im abendländischen Denken präsent - als Gegenspieler Gottes. Der Historiker Kurt Flasch zeichnet die Auseinandersetzung mit dem Satan nach, verliert sich dabei allerdings zu sehr in Details.
Kurt Flasch, ein vielfach ausgezeichneter Autor, großer Historiker und international anerkannter Experte für mittelalterliche Philosophie, hat sich auf den Teufel eingelassen, und zwar gründlich. Über 460 klein gedruckte Seiten schreibt der Mainzer Professor über den "Teufel und seine Engel" – und der Untertitel "Eine neue Biografie" ist zunächst verwirrend. Denn wie soll man ein Sachbuch, eine Biografie über jemanden schreiben, dessen Existenz Flasch ausdrücklich leugnet?
Der Autor spielt ein wenig mit diesem Widerspruch, löst ihn aber auf, indem er eine Meta-Ebene einnimmt: Der Teufel war im abendländischen Denken fast 2000 Jahre lang so präsent und wirkmächtig, etwa beim unseligen Hexenglauben, dass es am Ende keine entscheidende Rolle spielt, ob es ihn jemals gab oder hätte geben können. Die meisten schrecklichen und weit reichenden Folgen des Glaubens an den Teufel im Denken und in der Geschichte Europas interessieren den Historiker Flasch. Dabei geht es ihm nicht um möglichst pralle, sexuell verruchte oder schwefelhaltige Gruselgeschichten über den "Herrn der Finsternis" und seine angeblich Macht. Flaschs Buch schildert vielmehr die Jahrhunderte lange Auseinandersetzung bekannter und heute weitgehend unbekannter Theologen, Philosophen und Aufklärer mit dem Teufel, dessen Existenz seit biblischen Zeiten bis in die Neuzeit als weitgehend unbestritten galt.
Aufklärung: Teufelsglaube als Irrweg des Denkens
Zu lernen ist, dass das Nachdenken über den Teufel keine Randnotiz im Werk etwa der prägenden Großtheologen Augustinus oder Thomas von Aquin war, sondern einen wichtigen Baustein ihrer Theologie ausmachte. Für die meisten christlichen Denker war der Teufel als Gegenspieler Gottes schlicht existentiell – wo kein Glaube an den Teufel, da kein Glaube an Gott. Flasch gelingt es, tatsächlich eine gewisse "Biografie" des Teufels im jüdisch-christlich-abendländischen Denken nachzuzeichnen: War der Teufel, grob gesagt, in diesem Denken zunächst nur eine Art Höfling Gottes, etwa in der Hiob-Geschichte, stellte man sich ihn später als "Herrscher der Welt" mit eigenem Hofstaat vor, ehe er am Ende als Witz- oder Theaterfigur wie bei Goethes Mephisto endet.
Theologische Grundprobleme mit dem Teufel (Wie kann ein allmächtiger, guter Gott die Existenz eines fast ebenso mächtigen Bösen akzeptieren?), aber auch logisch-philosophische Spitzfindigkeiten (Wie kann ein gestaltloses Wesen eigentlich in der Hölle schmoren?) boten spätestens der Aufklärung genug Argumente, um den Teufelsglaube als Irrweg des Denkens unmöglich zu machen. So weit, so gut. Das Problem mit Flaschs Buch ist jedoch, dass sich der große Gelehrte zu sehr in den Details dieser Geschichte des abendländischen Nachdenkens über den Unsagbaren verliert. Viele unnötige Wiederholungen, lange Abschweifungen und ein etwas ältlich-eitler Tonfall trüben den Lesegenuss erheblich. Flaschs Buch hätte einen strengen Lektor gebraucht, der das Werk um mindestens die Hälfte hätte kürzen sollen – dann wäre daraus eine prägnante, eindrucksvolle Geschichte geworden. So aber ist man schon nach 200 Seiten so erschöpft, als hätte man viele Tage mit dem Leibhaftigen selbst gerungen.
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