Sarkozy gewinnt französische Präsidentschaftswahl

Von Annette Riedel |
Warum haben die Franzosen Nikolas Sarkozy gewählt? In erster Linie wohl deshalb, weil sie hoffen, dass er Frankreich zu neuer Größe führen kann. Sarkozy hat es erfolgreich verstanden, sich von der Politik der Regierung zu distanzieren, der er selbst als Finanzminister angehörte und der es genauso wenig wie den sozialistisch geführten vor ihr gelungen ist, Frankreich wettbewerbsfähig für die globalisierte Welt zu machen.
Die Grande Nation hat in den letzten Jahrzehnten weltwirtschaftlich eher kleinere Brötchen gebacken, hat eine katastrophale Außenhandelsbilanz, hat enorme Staatsschulden, hat eine hohe Arbeitslosigkeit, vor allem Jugendarbeitslosigkeit. Die Mehrheit der Franzosen hat einer Royal offenbar weniger Tatkraft zugetraut als einem Sarkozy, Frankreich wirtschaftlich wieder flott zu machen – und das obwohl er keinen Zweifel daran gelassen hat, dass er zu diesem Behufe die Maschen des sozialen Netzes loser knüpfen will.

Sarkozy hat ein eindeutiges Votum bekommen – und damit eine stärkere Legitimation als Chirac bei seiner ersten Wahl zum Präsidenten 95, und auch als Mitterand bei seiner ersten Wahl 1981. Sarkozy wird sich daran messen lassen müssen, ob es ihm gelingt, eine Art "französische Variante der Schröderschen Agenda 2010" durchsetzen zu können. Noch alle sechs französischen Regierungen seit 1981 – egal ob bürgerlich-konservativ oder sozialistisch geführt, egal ob unter einem bürgerlich-konservativen oder einem sozialistischen Präsidenten – alle sind mit grundlegenden Reformen am legendären Druck der Straße gescheitert. Der ist in Frankreich mit seiner revolutionären Tradition noch heute stärker ist als anderswo in Europa.

Die europäischen Nachbarn werden sich darauf einzustellen haben, dass Sarkozy staatsphilosophisch ein Zwittergeschöpf ist. Er steht einerseits sicher wirtschafts- und sozialpolitisch den angelsächsischen Neoliberalen nahe. Andererseits ist er durchaus für den aktiven, den interventionistischen Staat, wenn es um Industriepolitik geht, wenn Mittels Gesetzgebung und Finanzspritzen französische Unternehmen oder europäische Unternehmen mit maßgeblicher französischer Beteiligung gestützt werden. Ein Wort wie Wirtschaftspatriotismus geht ihm locker über die Lippen.

Europa hat in dem zurückliegenden Wahlkampf keine große Rolle gespielt – wie auch. Alle drei relevanten Kandidaten – Sarkozy, Royal und Zentrumskandidat Bayrou – hatten sich seinerzeit für die im Referendum von 2005 gescheiterte europäische Verfassung stark gemacht. Alle drei waren also damals "Verlierer". Wer hätte die Verfassung vor diesem Hintergrund zum Thema eines Wahlkampfs machen wollen?

Die Europäer werden mit Sarkozy einen Unterstützer für einen anders genannten, aufs Funktionale abgespeckten, pragmatischen – ergo: machbaren - Verfassungsvertrag haben, dem an Frankreich ein erneutes Scheitern nicht droht.

Aber die Europäer werden mit Sarkozy auch einen französischen Präsidenten haben, den das Wohl der eigenen Nation über – fast – alles geht. Die Frage, die ihn um- und antreibt, wird nicht zu allererst sein: Was kann Frankreich für Europa tun, sondern was kann Europa für Frankreich tun.

Wie sehr es Sarkozy gelingen kann, das Konzept des Handels – innen- und europapolitisch - tatsächlich in die Hand zu bekommen, hängt entscheidend von den im Juni anstehenden Parlamentswahlen ab. Gut möglich, dass die Franzosen einem Präsidenten mit Wadenbeißerqualitäten eine Regierung des sozialen Ausgleichs gegenüberstellen wollen. Es ist also keineswegs unwahrscheinlich, dass Sarkozy eine "Kohabitation" blüht, also eine Zusammenarbeit mit einer anderen politischen Mehrheit im Parlament.

Segolène Royal hat schon wissen lassen: Nach der Wahl ist vor der Wahl.
Sarko ist Sego möglicherweise noch lange nicht los.