"Sarahs Schlüssel"

Von Jörg Taszman · 14.12.2011
Intelligent gemacht und beeindruckend: Im Film will eine Journalistin über die Judenrazzia im Juli 1942 in Paris schreiben. Die berufliche Distanz schwindet, als sie erfährt, dass einst in der Wohnung ihrer Schwiegereltern die zehnjährige Sarah lebte - das Mädchen entkam der Deportation nach Auschwitz.
Das französische Kino hat in den letzten Jahren auch mit Filmen wie "Ein Geheimnis" und "Die Kinder von Paris" die Kollaboration und den Antisemitismus der Franzosen kritisch hinterfragt. "Sarahs Schlüssel" belässt es jedoch nicht bei der Vergangenheit. Ebenso wie "Die Kinder von Paris" thematisiert auch "Sarahs Schlüssel" die berüchtigte "Raffle de Vel d'Hiv".
13 000 Juden wurden bei der berüchtigten Razzia von Paris am 16. und 17. Juli 1942 zunächst in das Vélodrome d'Hiver (Vel d'Hiv), eine Radrennbahn gepfercht. Tagelang bekamen sie kaum zu trinken, die sanitären Anlagen waren schnell verstopft. Von dort aus verschleppte man die Verhafteten über Zwischenlager nach Auschwitz. Unter den deportierten Kindern gab es kaum Überlebende.

Der Film von Regisseur Gilles Paquet Brenner spielt jedoch auf zwei Zeitebenen. Julia, eine amerikanische Journalistin, die seit über 20 Jahren in Frankreich lebt, möchte über die Razzia von damals für ihre Wochenzeitung einen längeren Artikel schreiben. Bei ihren Recherchen findet Julia heraus, dass in der Wohnung ihrer Schwiegereltern einst die jüdische Familie Strazynski wohnte. Die beiden Kinder Michel und Sarah wurden jedoch nicht, wie alle anderen nach Auschwitz deportiert.

Die damals etwa zehnjährige Sarah hatte während der Verhaftung ihren kleinen Bruder im Wandschrank versteckt und verzweifelt versucht, aus dem Zwischenlager zu fliehen, um Michel, ihren Bruder, doch noch zu retten. Ihr gelingt die Flucht, aber auf Kosten einer persönlichen Tragödie. Sie wird ihr Leben lang darunter leiden und als junge Frau schließlich Frankreich in Richtung Amerika verlassen.

Julia, die taffe Journalistin, soll in die Wohnung einziehen, in der einst Sarah lebte. Ihr französischer Ehemann wuchs dort auf und weiß nichts über die Schatten der Vergangenheit. Einfühlsam und intelligent nähert sich der Regisseur Gilles Paquet Brenner den komplexen Fragen nach Schuld, Anpassung und Schweigen.

Die Stärke dieses bewegenden Films liegt in seiner zurückhaltenden Inszenierung. Kristin Scott Thomas als Julia ist eine starke Hauptdarstellerin, die ebenso Strenge wie auch Emotionalität verkörpert. "Sarahs Schlüssel" wird so zu einem Film, der schmerzt, dabei jedoch zu den intelligentesten und beeindruckenden Spielfilmen gehört, die den Opfern wie den traumatisierten Überlebenden ihre Würde und ihre Geschichte zurückgeben.

Sarahs Schlüssel; Frankreich 2010; Regie: Gilles Paquet Brenner; Darsteller: Kristin Scott Thomas, Gisèle Casadesus, Aidan Quinn; Länge: 104 Minuten; nach dem Bestseller-Roman "Sarahs Schlüssel" von Tatiana De Rosnay

Filmhomepage "Sarahs Schlüssel"
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