Sarah Wieners Speisekammer

Bio-Boom mit Nebenwirkungen

Eine Frau kauft in München in einem Biomarkt ein.
Das Geschäft mit Bio-Produkten brummt. Auch Discounter verdienen kräftig mit. © picture alliance / Marc Müller
Von Sarah Wiener |
Der Absatz von Biolebensmitteln ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen und die Discounter mischen kräftig mit. Gut 60 Prozent der Bioprodukte werden von den großen Ketten verkauft. Worauf man dabei achten sollte, erklärt Sarah Wiener.
Im Jahre 2017 wurde in Deutschland zehn Milliarden Euro Umsatz gemacht mit Bio-Lebensmitteln, und der Markt wächst weiter. Bio war ursprünglich ein ideeller Gedanke, man hat auf das Zusammenspiel Mensch, Pflanze, Boden, Natur geschaut. Heute spielen fast nur noch wachsende Erträge und Umsätze eine Rolle und deshalb sind die Discounter in den Biomarkt eingestiegen. Ungefähr 62 Prozent der Verbraucher kaufen Bioprodukte im Discounter oder Supermarkt aber nur ca. 40 Prozent im Bioladen. Doch gerade mal acht Prozent der Verbraucher glauben, dass die Bioprodukte im Discounter nach ökologischen Kriterien angebaut werden. Discounter haben die Marktmacht und können die Preise durch Einkauf und Forderungen drücken. Das sieht man zum Beispiel daran, dass Bioprodukte dort um 10 bis 15 Prozent billiger sind als beim Biohändler.

Auch bei Bio wird getrickst

Von EU-Bio bis zu Demeter oder Bioland ist es ein Kilometer. Allen gemeinsam ist, dass sie keine Gentechnik in ihren Produkten haben dürfen, dass keine chemischen Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, Tiere müssen artgerecht ohne präventive Antibiotika gehalten werden (Verabreichung von Antibiotika im Notfall erlaubt, Anm. d. Red.), es dürfen keine Wachstumshormone angewendet werden und Bio benutzt wesentlich weniger Lebensmittelzusatzstoffe als konventionelle Nahrungsmittel.
Allerdings sieht man bei den Hühnern, wie sehr getrickst werden kann. Eigentlich sind maximal 3000 Hühner pro Stall zugelassen. Aber wenn man die Einheiten als Stallabteil sieht, dann darf man mehrere Einheiten à 3000 Hühner hintereinander bauen und so können dann locker mal 30.000 bis 50.000 Tiere gehalten werden. 90 Prozent aller Brandenburger Bioeier stammen aus Ställen, die mindestens 30.000 Hühner halten.

Vielfalt bleibt auf der Strecke

Die Discounter sind heute für unsere Gier günstig. Ein Liter Milch kostet bei Aldi Nord 78 Cent. Allein die Produktionskosten der Landwirte liegen aber schon bei 41 Cent. Durchschnittlich gibt es also durch diese Discountermentalität und unsere "Geiz-ist-geil-Mentalität" ein negatives Betriebsergebnis für den Landwirt. Die wahren Kosten der Produkte werden aber gar nicht eingepreist: Die Vernichtung der Vielfalt, die Abwärtsspirale der Qualität, weil es nur um Gewinnmaximierung geht. Dazu kommen die Ausbeutung von Zulieferern, die Monopolstellung bei der Preisbildung, die Einfuhr von weit georderten Waren – das sind alles Probleme, die ausgeblendet werden.

Bessere Lebensmittel statt teurer Medikamente

Zum einen müssen wir wieder lernen, mit dem gesamten Huhn, mit Lebensmitteln und Grundnahrungsmitteln köstlich zu kochen. Viele haben das verlernt und kaufen nur noch Rücken und Filet, weil sie nicht mehr wissen, was sie mit einer Beinscheibe oder Schnauze köstliches zubereiten können.
Zum anderen haben wir die billigsten Nahrungsmittelpreise in ganz Europa, haben aber in den 50er-Jahren ungefähr die Hälfte unseres Einkommens für Lebensmittel ausgegeben. Heute sind es nur noch zehn bis zwölf Prozent. Ich frage also, ob wir nicht unsere Lebensmittel mehr wertschätzen und unsere Prioritäten im Konsumverhalten ändern müssten: Bessere Lebensmittel als in 20 Jahren viel für Medikamente zu bezahlen.

Und ihr Tipp?

Empfehlen möchte ich eine Internetseite: www.bio-mit-gesicht.de. Sie macht die Herkunft von Bioprodukten nachvollziehbar. Teilnehmende Marken haben einen Code auf ihrem Produkt, den kann man eingeben und so die Geschichte des Produktes nachvollziehen.
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