Sara Watkins: "Young in All the Wrong Ways"

Spaß an härteren Klängen

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Sara Watkins auf dem "Clearwater River Revival Festival" in Croton-on-Hudson am 17.6.2012. © imago / ZUMA Press
Von Kerstin Poppendieck · 06.07.2016
Nach vielen Jahren Bluegrass hat die Geigerin und Liedermacherin Sara Watkins jetzt ein "Schlussmach- und Trennungsalbum" vorgelegt: weg mit der Geige und dem typischen Bluegrass-Sound, stattdessen Gitarre und Rock.
"Die vergangenen Jahre waren eine Art Transformation für mich. Kurz gesagt: ich sage jetzt viel häufiger ja als nein. Ich bin mir sicher, daraus ergeben sich viele neue Dinge. Das gefällt mir."
"Wenn Du an uns denkst, sind das dann nur Erinnerungen an früher? Ich habe keine Zeit, immer zurückzuschauen, deshalb werde ich dich hier verlassen und meine eigene Grenzen kennenlernen." So singt Sara Watkins im Titelsong ihres neuen Albums "Young in all the wrong ways". Es geht ihr weder in diesem Lied noch auf dem Album darum, das Jungsein zu verurteilen oder bewerten. Vielmehr nutzt sie ihr altes Leben, um daraus für das neue zu lernen.

Bei "Nickel Creek" war sie, seit sie acht war

Das ist das alte Leben der Sara Watkins: als sie in der Bluegrass Band "Nickel Creek" Geige spielte und sang. Für das Album "This Side" hat die Band einen Grammy gewonnen. 2002 war das, Sara Watkins war 21 Jahre alt und schon lange im Geschäft. Denn die Band Nickel Creek gründete sich, als Sara gerade mal acht war.
Es folgten verschiedene Folk-Projekte und Gastauftritte, zum Beispiel bei "The Decemberists" oder auch John Mayer. Jetzt, mit 35 Jahren und einem neuen Soloalbum, betritt Sara Watkins neue musikalische Pfade.
Pop und Rock, teilweise mit lauten Gitarren. Auch wenn es in der Vergangenheit bereits Rockeinflüsse in ihrer Musik gab, so ist das in dieser Intensität jetzt neu. Und es funktioniert. Die Songs klingen ehrlich und kraftvoll, man spürt, dass ihr wichtig ist, was sie da singt. Und Sara Watkins selbst hat Spaß an den härteren Klängen.
"Die meisten der Stücke hab ich mit Gitarre geschrieben, deshalb ist sie auch das wichtigste Instrument auf dem Album. Auch wenn Leute bei meinem Namen immer noch an Nickel Creek denken, wo wir ja sehr traditionelle Bluegrass Instrumente gespielt haben. Ich finde, diese Musik passt sehr gut zu den Texten, zu dem, was ich durchgemacht habe. Und es macht sehr viel Spaß, diese Songs live zu singen."

Mit dem alten Leben Schluss machen

Ganz offensichtlich gab es in ihrem Leben einige Menschen, die ihr nicht gutgetan haben. "Du vermisst nicht mich, sondern meine Aufmerksamkeit. Nicht meine Stimme, sondern die liebevollen Dinge, die ich dir gesagt habe", singt Sara Watkins in dem Titel "One last Time".
Ihr "Schlussmach- und Trennungsalbum" nennt Watkins dieses neue Album. Dabei ist sie es selbst, mit der sie Schluss macht, bzw. mit ihrem alten Leben. Vor ein paar Jahren kam Watkins an einen Punkt, an dem sie kritisch ihr Leben betrachtet hat und vor allem die Menschen, mit denen sie sich umgab. Sie hatte keine Lust mehr, Menschen eine Bedeutung zu geben, die nicht gut für sie waren. Also fing sie erst an, in ihrem Leben auszumisten und dann schrieb sie ein Album darüber.
"Es geht viel um die Rückschläge, die man so im Leben einstecken muss. Manchmal stellt man fest, dass das Leben, wie wir es uns vorgestellt haben, nicht mehr so existiert und man muss sich erneut fragen: was will ich vom Leben? Darum geht es in diesem Album. Mach das Beste aus deinem Leben und den Beziehungen zu anderen Menschen. Das wird niemand für dich übernehmen, das musst du ganz allein machen."

Nach wie vor viele ruhige Moment in ihrer Musik

Aber Sara Watkins hat sich nicht nur von Menschen getrennt, sondern auch von ihrer Geige. Die war ja bisher Sara Watkins Haupt-Instrument. Auf dem neuen Album hört man sie gar nicht. Und tatsächlich fehlt sie auch nicht. Sara Watkins hat sich bewusst gegen die Geige entschieden.
"Der Klang der Geige ist einfach sehr dominant und bestimmt immer den Stil eines Liedes. Bei Geige denkt man doch sofort an Country und Bluegrass. Ich wollte aber bei diesem Album, dass die Texte im Mittelpunkt stehen. Ich finde, die Instrumente jetzt auf dem Album passen sehr gut zu den Texten."
Trotz der Rock- und Gitarrenklänge erfindet sich Sara Watkins nicht musikalisch neu. Es gibt viele ruhige Momente mit sanft gezupfter Gitarre und gefühlvollem Gesang. Im Laden wird das Album wahrscheinlich unter "Singer/Songwriter" oder "Folk" einsortiert. Für sie selbst ist es das Ergebnis einer musikalischen Psychotherapie mit sich selbst als Psychologin.
"Wenn ich ein Problem mit etwas habe, dann setze ich mich hin und schreibe darüber. Dabei geht es nicht um eine große geniale Idee, sondern so verarbeite ich, was in meinem Leben passiert. Am Anfang steht da dieses große Bild und im Idealfall zerfällt dieses Bild im Laufe des Schreibprozesses, und ich verstehe, was mein Problem ist. Für mich sind Lieder dazu da, das Puzzle des Lebens zu lösen."
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