Sanierung Staatsoper Unter den Linden

Opposition kritisiert "kollektive Verantwortungslosigkeit"

Die Berliner Staatsoper Unter den Linden ist noch immer eine Baustelle.
Die Berliner Staatsoper Unter den Linden ist noch immer eine Baustelle. © dpa / picture alliance / Rainer Jensen
Von Susanne Arlt · 23.06.2016
Jahrelange Verzögerungen und ausufernde Kosten - Der Untersuchungsausschuss zur Staatsoper Unter den Linden macht die Berliner Verwaltung für das Sanierungsdesaster verantwortlich.
Zumindest in einer Frage waren sich die Mitglieder des Untersuchungsausschusses einig: Die Staatsoper Unter den Linden bedurfte einer dringenden Generalsanierung. Schon Anfang 2000 war sie in einem so desolaten Zustand, dass sie kurz vor der Schließung stand. Die Bauarbeiten sollten dann in knapp drei Jahren über die Bühne gehen. Doch in der Regie lief so einiges falsch. Deswegen verdoppelte sich die Umbauzeit und auch die Kosten stiegen drastisch in die Höhe. Über die Gründe dieser Berliner Bau-Misere sind die Mitglieder des Untersuchungsausschusses allerdings geteilter Meinung. Aus Sicht der Opposition, dazu zählen die Grünen, die Linken und die Piraten, heißen die Hauptprotagonisten in diesem Opern-Drama: Kaus Wowereit und André Schmitz. Der eine Ex-Regierender und Kultursenator in Personalunion, der andere Kulturstaatssekretär, beide Sozialdemokraten. Sabine Bangert, Obfrau der Grünen im Untersuchungsausschuss:
"Beim Sanierungsdesaster Staatsoper offenbart sich eine kollektive Verantwortungslosigkeit als Regierungsprinzip. Niemand nimmt die Verantwortung für das Bau- und Planungsdesasters. Schlimmer noch, selbst Entscheidungen, die der politischen Spitze vorbehalten waren, wie zum Beispiel die Ausschreibung auf Basis einer Entwurfsplanung, sollen auf der Arbeitsebene entschieden worden sein. Das ist schlicht und ergreifend skrupellos."

Controlling? Fehlanzeige!

Wolfang Brauer von der Linksfraktion sieht das ähnlich. Als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses formuliert er seine Kritik aber verhaltener. Dieses Nicht-Verhalten führte dazu, dass die Diskussionen um das Bedarfsprogramm, also die Wünsche der Künstler, allen voran Daniel Barenboim, auf die Spitze getrieben wurden. Für einen Klangkörper auf Weltniveau musste die Saaldecke um fünf Meter angehoben werden. Für den Repertoire-Betrieb brauchte es schon eine Kreuzbühne, dafür wurden tragende Wände verrückt. Ein neues Proben- und Magazingebäude musste gebaut werden, das alte war ja verkauft worden – an die Barenboim Said Akademie. Damit die Kulissen trocken bleiben, verbindet jetzt ein gewaltiges unterirdisches Bauwerk Magazin und Opernsaal. Und weil alles schnell gehen sollte, wurde geplant und parallel dazu auch schon gebaut. Ein effektives Controlling für so ein großen Bauvorhabens habe nie stattgefunden, kritisiert Brauer:
"Zu dem Zeitpunkt, an dem das Vorhaben in die Investitionsplanung des Landes kam, gab es keinen solide gerechneten Kostenplan. Alles basierte auf einer nebulösen Bedarfsplanung. Noch schlimmer. Die Landeshaushaltsordnung schreibt für Baumaßnahmen den zwingenden Nachweis von Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit vor. Für die Sanierung des Opernhauses war das nie ein Gegenstand."

Eröffnungstermin fraglich

Auch die populistische Entscheidung von Wowereit, den Siegerentwurf des ersten Architektenwettbewerbs wieder einzukassieren, hätten die Bauzeit verlängert und die Baukosten drastisch erhöht. Nur, weil ein paar einflussreiche Bürger gegen den modernen Saal Sturm liefen, ärgert sich der Linken-Politiker. All das findet kaum Erwähnung in der Rede von Ülker Radziwill. Für das Baudesaster Staatsoper nennt sie kurz und knapp vier Gründe, ins Detail geht sie nicht:
"Erstens mangelnde Bedarfsabstimmung, zweitens das seinerzeit starre Festhalten am Eröffnungstermin der Staatsoper, drittens massive, unvorhersehbare Probleme mit der Bausubstanz und viertens auch massive und unvorhersehbare Unwägbarkeiten im Baugrund."
Mehr als 4000 unbekannte Eisenteile mussten aus den Wänden gestemmt werden, und dann wurden auch noch Holzpfähle im Baugrund entdeckt. Unvorhersehbare Probleme mit der Bausubstanz in einem maroden Bauwerk und unvorhersehbare Unwägbarkeiten im wässrig-sandigen Berliner Baugrund? Bei dieser Interpretation des Dramas müssen selbst ein paar SPD-Genossen ein Grinsen unterdrücken. Das Parlament sei auf jeden Fall gut beraten, künftig keinen Cent mehr freizugeben, wenn nicht die entsprechenden Planungsunterlagen vollständig und geprüft vorliegen, meint Brauer. Ob es bei den voraussichtlichen Kosten in Höhe von 400 Millionen Euro bleiben und ob am 3. Oktober im kommenden Jahr die Staatsoper wirklich wiedereröffnet wird? Dazu wollte nur die Piraten ihr Votum abgeben. Und das lautete: nie und nimmer.
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