"Giacometti - Bacon", in der Fondation Beyeler, Basel
noch bis 2. September 2018
Über die Nachtseiten der Existenz
Alberto Giacometti und Francis Bacon hatten einiges gemeinsam: Beide galten als Außenseiter der Kunstgeschichte und hatten ein zerstörerisches Verhältnis zu ihren eigenen Werken. Die Schweizer Sammlung Beyeler zeigt sie nun zusammen.
Die Ausstellung der zwei Hochkaräter beginnt mit einem Understatement, einem tête-à-tête: Giacomettis "Le Nez" - Kopf, lange Nase, aufgerissener Mund, aufgehängt in einem Käfig - trifft auf "Head VI" von Bacon, einen Papst-Kopf in einem bescheidenen Bildformat. Beide Werke aus dem Jahr 1949.
"Eine kleine Brechung des großen Ernstes. Denn ‚Le Nez‘ von Giacometti mit dieser Pinocchio-Nase hat etwas Ironisches, und das Schreien des Papstes, der da in diesem Kasten sitzt mit den gelben Ornamenten, das hat das eben auch. Und Ironie ist ja immer ein schwieriges Thema, aber ich denke, dass das hier gut rüberkommt. Die Künstler waren durchaus in der Lage, sich auch distanziert zu betrachten", sagt Kurator Ulf Küster.
"Eine kleine Brechung des großen Ernstes. Denn ‚Le Nez‘ von Giacometti mit dieser Pinocchio-Nase hat etwas Ironisches, und das Schreien des Papstes, der da in diesem Kasten sitzt mit den gelben Ornamenten, das hat das eben auch. Und Ironie ist ja immer ein schwieriges Thema, aber ich denke, dass das hier gut rüberkommt. Die Künstler waren durchaus in der Lage, sich auch distanziert zu betrachten", sagt Kurator Ulf Küster.
Die ausgestellten Schätze lassen die Augen übergehen
Der ironische Einstieg tut der Sache gut. Denn einerseits ist alles da, was diese Künstlerbegegnung plausibel macht: Käfig bei Giacometti, Käfig bei Bacon, der Schrei, der eingesperrte Mensch. Existenzialismus pur. Andererseits ist dies ein sympathisch zurückhaltender Auftakt für das, was kommt, nämlich: "Frühstück bei Tiffany". Die Schätze, die in den folgenden acht Räumen ausgebreitet werden, lassen die Augen übergehen und wecken bei Liebhabern der beiden Künstler extreme Begehrlichkeit.
In Zusammenarbeit mit der Pariser Fondation Giacometti und einem persönlichen Freund und Kenner Francis Bacons sind hier etwa 100 Werke zusammen gekommen, die zeigen, dass die beiden Spezialisten der Deformation, bei allen Unterschieden, in einer ähnlichen Gedankenwelt lebten.
"Es geht ja um die Frage nach dem Menschsein nach dem Zweiten Weltkrieg. Da kann man nicht grade sehr liebliche Antworten finden. Bacon und Giacometti waren sich sehr der Nachtseiten der menschlichen Existenz bewusst. Sie haben den Menschen auf sein nacktes Ich reduziert, auf sein wahres Antlitz und das ist eben nicht immer sehr angenehm. Und diese Verdichtung des Menschen zu einem Zeichen bei Giacometti und zu eine Fratze bei Bacon, das ist etwas, das sehr faszinierend ist".
"Es geht ja um die Frage nach dem Menschsein nach dem Zweiten Weltkrieg. Da kann man nicht grade sehr liebliche Antworten finden. Bacon und Giacometti waren sich sehr der Nachtseiten der menschlichen Existenz bewusst. Sie haben den Menschen auf sein nacktes Ich reduziert, auf sein wahres Antlitz und das ist eben nicht immer sehr angenehm. Und diese Verdichtung des Menschen zu einem Zeichen bei Giacometti und zu eine Fratze bei Bacon, das ist etwas, das sehr faszinierend ist".
Die Schau schwatzt einem keine Deutung auf
Es ist die große Qualität dieser Ausstellung, dass sie einem nichts aufschwätzt und keine forcierten Parallelen inszeniert. Wer sehen kann, der sehe, heißt das Prinzip. Alle Werke sind mit Respekt und genügend Luft um sich herum präsentiert. Die schreitenden Männer und statuarischen Frauen von Giacometti sind auf weiße, leinwandähnliche Grundflächen gestellt, im großen Gartenraum des Museums scheinen sie noch zu überlegen, wo es hingeht. Und die Triptychen von Francis Bacon wirken hier weniger extrovertiert als sonst, plötzlich bemerkt man ihre subtile, oft zärtliche Farbigkeit. Im Dialog mit Bacon erscheint das Grau Giacomettis wie ein schließlich gefundener Aphorismus. Und in Bacons kleinen Dreifach-Porträts wirkt der Maler der Gefühlsextreme fast introvertiert.
"Beide war eigentlich davon überzeugt, dass es nur ein Scheitern auf einer immer höheren Ebene gibt. Das Scheitern ist bei Giacometti ein fortwährender Begriff, dass er nichts zustande bringt, dass eigentlich alles nichts ist, dass man alles gleich wieder wegschmeißen kann. Und diese Tendenz gibt es auch bei Bacon, der unglaublich viele Werke gleich zerstört hat, und war nicht zufrieden, hat sie ausgestellt und gleich wieder zurück genommen. Es ist eine Selbstqual bei den Künstlern, Künstler zu sein, und diese Selbstqual führt zu Resultaten des Scheiterns, die eigentlich immer besser werden. Das ist so eine wirklich interessante Entwicklung".
Blick auf die merkwürdigen Erfindungen der Künstler
Weil die Ausstellung das Selbstquälerische dezent, aber deutlich inszeniert, in Kapiteln wie "Der Käfig", "Schrei und Stille" oder "Obsession", bekommt man wieder einen Blick für die merkwürdigen Erfindungen dieser beiden Künstler, die so hartnäckig am Bild des Menschen festhielten. Für die übergroßen Hände, Füße, Figurensockel bei Giacometti, die Attacken seines Skulpturmessers. Oder den Zusammenprall von kruder Gegenständlichkeit und verwischter Dynamik bei Bacon - den ins Bild geschossenen Pfeilen und kreisförmigen Close-Ups.
Gegen Ende der Ausstellung ein Multimediaraum. Eintauchen in die jeweiligen Ateliers der Künstler. Da fühlt man sich doch stark an Nietzsche erinnert, der behauptete, dass nur das Chaos Sterne gebären kann.
Gegen Ende der Ausstellung ein Multimediaraum. Eintauchen in die jeweiligen Ateliers der Künstler. Da fühlt man sich doch stark an Nietzsche erinnert, der behauptete, dass nur das Chaos Sterne gebären kann.