Salut für einen toten Dichter
Vor 200 Jahren starb der patriotische Dichter Theodor Körner in den den Befreiungskriegen gegen Napoleon. Seinen Todestag würdigen Traditionsverbände in Mecklenburg mit Salutschüssen. Doch das Gedenken an Körner ist ambivalent - denn auch Rechtsradikale wollen sich ihn zu eigen machen.
Ein Mann in kurzen Hosen, Gummischlappen, kariertem Hemd, in der Hand eine Weidengerte, die er im Vorbeigehen abgebrochen hat, scheucht eine Schar Gänse vor sich her. Die Mütter verteidigen fauchend ihre Kleinen, doch es hilft nichts, der Ausflug auf die Wiese ist für heute beendet. Ab ins Gatter!
Harald Jantzen ist Hühner-, Gänse-, Enten und Wachtelzüchter. Sein Hof liegt mitten im Wald. Es ist nicht irgendein Wald, es sind die Rosenower Fichten. Ein Waldstück, romantisch-patriotisch aufgeladen bis zum Geht-nicht-mehr. Hier starb am 26. August 1813 Theodor Körner, Lützower Jäger. Der Lützower Jäger. Diese Tatsache hat Hühnerzüchter Jantzens Leben einen kleinen Schlenker ins Bizarre gegeben.
"Stiefel hatte man. Das ist hier noch ein alter Knobelbecher aus Zeiten einer alten Armee, die eigentlich untergegangen ist. So, jetzt hab ich die Stiefel an."
Die alten NVA-Stiefel tun’s noch. Die schwarze Uniform indes hat Harald Jantzen nähen lassen: Schwerer Wollstoff, an der Jacke 20 goldene Knöpfe, an der Hose 45 rote, schmale Kordeln. Schwarz-Rot-Gold – auf die Uniform der Lützower sollen die deutschen Nationalfarben zurückgehen. Alles in Allem leicht overdressed, wie man damals so in den Krieg zog. Und erst der Hut! Ein Fünf-Liter-Eimerartiges Ungetüm mit Bommeln und Troddeln, das Gott weiß wie auf dem Kopf geblieben ist, als Theodor Körner in diesem Aufzug einst in den Rosenower Fichten seinem Ende entgegen ritt.
"Das ist hier ein Erkennungszeichen der Lützower Jäger. Das ist kein Hut im eigentlichen Sinne, das ist ein Tschakko. Das ist sehr aufwendig, und mancher fragt sich: Warum hatte man so tolle Uniformen, so bunt und so schillernd? Aber wenn man dann mal tatsächlich dabei ist und es ist Gefechtsdarstellung oder es ist Krieg, Gefecht als solches, dann ist dermaßen viel Pulverdampf und man hat eigentlich Not, Freund und Feind voneinander zu unterscheiden. Man hat damals nicht in Stellung oder hinter Bäumen gestanden und gekämpft und geschossen, sondern es wurde ja in Reih und Glied angetreten. Es wurde ja nicht gezielt auf den oder den geschossen, sondern die Gruppe hat in diese Richtung geschossen und dann würde schon einer umfallen."
300.000 Soldaten stellt Preußen im Frühjahr des Jahres 1813 auf. Es sind nicht nur Rekruten oder Landwehrmänner, sondern auch tausende Freiwillige aus allen deutschen Landesteilen, meist organisiert in "Königlich Preußischen Freikorps". Auch Freiherr Adolph von Lützow - ein preußischer Generalmajor aus Berlin, er hat nichts mit dem Ort Lützow bei Gadebusch zu tun - gründet im Februar 1813 ein Freiwilligenkorps. Die ihm folgen, nennen sich Lützower Jäger - oder auch schwarze Jäger. Für Napoleon sind es die "schwarzen Banditen". Der König kann sie weder ausstatten noch bewaffnen, sie leben von Spenden und Beutezügen. Die Uniformen färben sie sich aus alten Beständen schwarz, weil schwarz alles deckt. Unter ihnen Maler, Dichter, Studenten, Professoren.
Harald Jantzen ist Hühner-, Gänse-, Enten und Wachtelzüchter. Sein Hof liegt mitten im Wald. Es ist nicht irgendein Wald, es sind die Rosenower Fichten. Ein Waldstück, romantisch-patriotisch aufgeladen bis zum Geht-nicht-mehr. Hier starb am 26. August 1813 Theodor Körner, Lützower Jäger. Der Lützower Jäger. Diese Tatsache hat Hühnerzüchter Jantzens Leben einen kleinen Schlenker ins Bizarre gegeben.
"Stiefel hatte man. Das ist hier noch ein alter Knobelbecher aus Zeiten einer alten Armee, die eigentlich untergegangen ist. So, jetzt hab ich die Stiefel an."
Die alten NVA-Stiefel tun’s noch. Die schwarze Uniform indes hat Harald Jantzen nähen lassen: Schwerer Wollstoff, an der Jacke 20 goldene Knöpfe, an der Hose 45 rote, schmale Kordeln. Schwarz-Rot-Gold – auf die Uniform der Lützower sollen die deutschen Nationalfarben zurückgehen. Alles in Allem leicht overdressed, wie man damals so in den Krieg zog. Und erst der Hut! Ein Fünf-Liter-Eimerartiges Ungetüm mit Bommeln und Troddeln, das Gott weiß wie auf dem Kopf geblieben ist, als Theodor Körner in diesem Aufzug einst in den Rosenower Fichten seinem Ende entgegen ritt.
"Das ist hier ein Erkennungszeichen der Lützower Jäger. Das ist kein Hut im eigentlichen Sinne, das ist ein Tschakko. Das ist sehr aufwendig, und mancher fragt sich: Warum hatte man so tolle Uniformen, so bunt und so schillernd? Aber wenn man dann mal tatsächlich dabei ist und es ist Gefechtsdarstellung oder es ist Krieg, Gefecht als solches, dann ist dermaßen viel Pulverdampf und man hat eigentlich Not, Freund und Feind voneinander zu unterscheiden. Man hat damals nicht in Stellung oder hinter Bäumen gestanden und gekämpft und geschossen, sondern es wurde ja in Reih und Glied angetreten. Es wurde ja nicht gezielt auf den oder den geschossen, sondern die Gruppe hat in diese Richtung geschossen und dann würde schon einer umfallen."
300.000 Soldaten stellt Preußen im Frühjahr des Jahres 1813 auf. Es sind nicht nur Rekruten oder Landwehrmänner, sondern auch tausende Freiwillige aus allen deutschen Landesteilen, meist organisiert in "Königlich Preußischen Freikorps". Auch Freiherr Adolph von Lützow - ein preußischer Generalmajor aus Berlin, er hat nichts mit dem Ort Lützow bei Gadebusch zu tun - gründet im Februar 1813 ein Freiwilligenkorps. Die ihm folgen, nennen sich Lützower Jäger - oder auch schwarze Jäger. Für Napoleon sind es die "schwarzen Banditen". Der König kann sie weder ausstatten noch bewaffnen, sie leben von Spenden und Beutezügen. Die Uniformen färben sie sich aus alten Beständen schwarz, weil schwarz alles deckt. Unter ihnen Maler, Dichter, Studenten, Professoren.
Vom Wiener Hof in den Krieg gegen Napoleon
Der patriotische Schwung riss auch den erst 21-jährigen Dresdner Theodor Körner mit. Er verließ seine – heute würde man sagen – Top-Stelle als königlich-kaiserlicher Hoftheaterdichter in Wien, die er nach kometenhaftem Aufstieg als 20-jähriger Jung-Poet erlangt hatte. Im Salon seines Vaters, des Schiller-Förderers Christian Gottfried Körner, verkehrten Maler wie Caspar David Friedrich oder Gerhard von Kügelgen. Sie statteten mittellose junge Leute wie den Maler Georg Friedrich Kersting aus, damit sie als Lützower Jäger in jenen Krieg ziehen konnten, um dessen Früchte sie später betrogen wurden. Ein geeintes deutsches Vaterland, von dem die Intellektuellen träumten, sollte es nach dem Sieg über Napoleon nicht geben.
"Lützows wilde Jagd" ist das bekannteste Gedicht Theodor Körners. Vertont wurde es von Carl Maria von Weber, der durch die massenhafte Verbreitung des Liedes seinen eigenen musikalischen Ruhm begründete. Bis heute ist es ein Paradestück von Männergesangsvereinen. Harald Jantzen findet es zu kompliziert, um es richtig nachpfeifen zu können. Egal, hört ja keiner, wenn er so durch den Wald geht. Der Hühnerzüchter hat es nicht weit bis zu der Stelle, wo es geschah. Keine 300 Meter muss er laufen.
Der Wald ist dunkel hier, die hohen Tannen und Fichten filtern das Licht. Eine Schautafel mit den Pilzen des Waldes. Dann eine Lichtung, freigeschlagen für einen Platz, auf dem gut 200 Leute Platz haben. Ein schwarzer Obelisk mit goldenem Medaillon. Hier starben am 26. August 1813 Theodor Körner und drei andere Lützower Jäger. Sie überfielen einen französischen Provianttransport. Einer der Jäger soll gesagt haben: Nun haben wir den Körner für Zwieback gegeben.
"Also das, was Körner damals gemacht hat, sich einfach irgendwo zu melden, und mit ihm Professoren, Arbeiter, einfach um das Vaterland als Solches zu verteidigen haben sie ihr Leben gegeben, haben Haus und Hof und Frau und Kinder allein gelassen – das ist eine Sache, die ich mir in der heutigen Zeit überhaupt nicht mehr vorstellen kann. Es wird nach Geld gefragt, nach warum und dem Zweck und was ich dafür kriege. Patriotismus im eigentlichen Sinne ist in unserer Welt verloren gegangen. Und ist wohl auch nicht wieder herbringbar."
Eine Ahnung von dieser Zeit vermitteln, an Körner und die Befreiungskriege erinnern, das möchte Harald Jantzen. Deshalb marschiert er mit seinem Traditionsverein namens "Interessengemeinschaft Lützower Freikorps 1813, Sitz Rosenberg", alljährlich an Körners Todestag zum Obelisken, um Salut zu schießen.
"Lützows wilde Jagd" ist das bekannteste Gedicht Theodor Körners. Vertont wurde es von Carl Maria von Weber, der durch die massenhafte Verbreitung des Liedes seinen eigenen musikalischen Ruhm begründete. Bis heute ist es ein Paradestück von Männergesangsvereinen. Harald Jantzen findet es zu kompliziert, um es richtig nachpfeifen zu können. Egal, hört ja keiner, wenn er so durch den Wald geht. Der Hühnerzüchter hat es nicht weit bis zu der Stelle, wo es geschah. Keine 300 Meter muss er laufen.
Der Wald ist dunkel hier, die hohen Tannen und Fichten filtern das Licht. Eine Schautafel mit den Pilzen des Waldes. Dann eine Lichtung, freigeschlagen für einen Platz, auf dem gut 200 Leute Platz haben. Ein schwarzer Obelisk mit goldenem Medaillon. Hier starben am 26. August 1813 Theodor Körner und drei andere Lützower Jäger. Sie überfielen einen französischen Provianttransport. Einer der Jäger soll gesagt haben: Nun haben wir den Körner für Zwieback gegeben.
"Also das, was Körner damals gemacht hat, sich einfach irgendwo zu melden, und mit ihm Professoren, Arbeiter, einfach um das Vaterland als Solches zu verteidigen haben sie ihr Leben gegeben, haben Haus und Hof und Frau und Kinder allein gelassen – das ist eine Sache, die ich mir in der heutigen Zeit überhaupt nicht mehr vorstellen kann. Es wird nach Geld gefragt, nach warum und dem Zweck und was ich dafür kriege. Patriotismus im eigentlichen Sinne ist in unserer Welt verloren gegangen. Und ist wohl auch nicht wieder herbringbar."
Eine Ahnung von dieser Zeit vermitteln, an Körner und die Befreiungskriege erinnern, das möchte Harald Jantzen. Deshalb marschiert er mit seinem Traditionsverein namens "Interessengemeinschaft Lützower Freikorps 1813, Sitz Rosenberg", alljährlich an Körners Todestag zum Obelisken, um Salut zu schießen.
Trinkerfestspiele auf dem Dorf
Danach ziehen die Schwarzberockten mit dem urtümlichen Tschakko auf dem Kopf zum "Theodor-Körner-Sportfest" der Gemeinde Lützow weiter, um in ihren historischen Uniformen, mit den alten Kanonen und Seitengewehren dem zu Trinkerfestspielen mutierten Dorffest wenigstens einen Hauch von Geschichte einzublasen. Und sicher findet Harald Jantzen nach Körners Todestag auch wieder einen Kranz vom "Thing-Verein" im Wald, einer Gruppe rechtsgesinnter Heimatfreunde, die "ihren Körner" ehren, wenn die anderen beim Feiern sind.
So wie der Lützower Jäger Harald Jantzen im Hauptberuf Hühner züchtet, so ist der Lützower Jäger Uwe Poblenz Stabsfeldwebel der Bundeswehr in Schwerin. In der Kaserne hat er im Treppenaufgang ein Körner-Gedicht aufgehängt, über seiner Bürotür baumelt, wie früher über der Tür zum Bäckerladen die Brezel, ein Leopard-Panzer als Laubsägearbeit.
"Die Bundeswehr hat eine Traditionslinie oder mehrere Traditionslinien. Und eine davon sind halt die Befreiungskriege. Scharnhorst, Gneisenau, da geht eine Traditionslinie hin. Und die Lützower sind ja ein Bestandteil. Die Befreiungskriege sind ja dadurch ausgezeichnet, dass wir eine Wehrpflicht eingeführt haben. Dass man erkannt hat, dass der beste Verteidiger seines Landes immer der Staatsbürger selber ist. Wenn er denn die Einsicht und den Willen dazu hat."
Uwe Poblenz hat schon in der NVA gedient. Auch die berief sich auf den jungen Dresdner Patrioten und stiftete den Theodor-Körner-Preis der NVA: Seit 1970 wurde er verliehen für "hervorragende Leistungen bei der Schaffung oder Interpretation von Kunstwerken, die zur Stärkung der Verteidigungskraft der DDR beitragen". Preisträger: Armin Mueller-Stahl, Harry Thürk, Bernhard Heisig, Hans-Peter Minetti, Erwin Geschonneck. Und viele andere. Der Schweriner Stabsfeldwebel hat ein Buch geschrieben über das Lützower Freikorps – und was man heute von ihm lernen kann.
So wie der Lützower Jäger Harald Jantzen im Hauptberuf Hühner züchtet, so ist der Lützower Jäger Uwe Poblenz Stabsfeldwebel der Bundeswehr in Schwerin. In der Kaserne hat er im Treppenaufgang ein Körner-Gedicht aufgehängt, über seiner Bürotür baumelt, wie früher über der Tür zum Bäckerladen die Brezel, ein Leopard-Panzer als Laubsägearbeit.
"Die Bundeswehr hat eine Traditionslinie oder mehrere Traditionslinien. Und eine davon sind halt die Befreiungskriege. Scharnhorst, Gneisenau, da geht eine Traditionslinie hin. Und die Lützower sind ja ein Bestandteil. Die Befreiungskriege sind ja dadurch ausgezeichnet, dass wir eine Wehrpflicht eingeführt haben. Dass man erkannt hat, dass der beste Verteidiger seines Landes immer der Staatsbürger selber ist. Wenn er denn die Einsicht und den Willen dazu hat."
Uwe Poblenz hat schon in der NVA gedient. Auch die berief sich auf den jungen Dresdner Patrioten und stiftete den Theodor-Körner-Preis der NVA: Seit 1970 wurde er verliehen für "hervorragende Leistungen bei der Schaffung oder Interpretation von Kunstwerken, die zur Stärkung der Verteidigungskraft der DDR beitragen". Preisträger: Armin Mueller-Stahl, Harry Thürk, Bernhard Heisig, Hans-Peter Minetti, Erwin Geschonneck. Und viele andere. Der Schweriner Stabsfeldwebel hat ein Buch geschrieben über das Lützower Freikorps – und was man heute von ihm lernen kann.
Theodor Körner auf einer zeitgenössischen Darstellung
"Das sind ja die Kennzeichen der Befreiungskriege, dass man gesagt hat: Wir schaffen die Prügelstrafe ab. Das gibt’s nicht mehr. Wir behandeln die Soldaten als Menschen. Und wir arbeiten mit Einsicht. Klar, im Gefecht geht’s nur mit Befehl, aber vorher, dass man diese Dinge abgeschafft hat. Man sagt ja auch oft: Man hat den alten Zopf abgeschnitten. Deswegen bezieht sich auch die Bundeswehr u.a. auf diese Reform. Da haben wir die ersten Ansätze vom Staatsbürger in Uniform. Das was wir heute ja so in der ‚inneren Führung‘ haben."
"Das sind ja die Kennzeichen der Befreiungskriege, dass man gesagt hat: Wir schaffen die Prügelstrafe ab. Das gibt’s nicht mehr. Wir behandeln die Soldaten als Menschen. Und wir arbeiten mit Einsicht. Klar, im Gefecht geht’s nur mit Befehl, aber vorher, dass man diese Dinge abgeschafft hat. Man sagt ja auch oft: Man hat den alten Zopf abgeschnitten. Deswegen bezieht sich auch die Bundeswehr u.a. auf diese Reform. Da haben wir die ersten Ansätze vom Staatsbürger in Uniform. Das was wir heute ja so in der ‚inneren Führung‘ haben."
Körner ist ein schwieriger Held
Die Salutschüsse der Lützower Jäger werden vermutlich das Lauteste sein, was an Körners 200. Todestag zu vernehmen ist. Es ist ein schwieriger Held, mit dem man es zu tun hat. Körner hat in Deutschland mehr Denkmale als Goethe, es gibt unzählige Körnereichen-, linden-, steine-, plätze-, schulen-, kasernen. Doch kaum einer kennt noch seine Theaterstücke und Gedichte. Zwar zitierfähig, aber durchschnittlich ist seine Liebeslyrik, geblieben sind vor allem seine damals mitreißenden, für Heutige oft martialisch wirkenden Gedichte aus der Sammlung "Leyer und Schwert".
Ins Feld, ins Feld! Die Rachegeister mahnen.
Auf deutsches Volk, zum Krieg!
Ins Feld, Ins Feld! Hoch flattern unsre Fahnen,
Sie führen uns zum Sieg.
Körners Gedichte haben die Soldaten von 1870/71 im Tornister, mit Körners Worten ziehen Deutsche in die beiden Weltkriege. NS-Propagandaminister Joseph Goebbels zitiert in seinem Aufruf zum totalen Krieg den Vers "Das Volk steht auf, der Sturm bricht los" aus Körners Gedicht "Männer und Buben". Und macht daraus: "Nun Volk steh auf und Sturm brich los" – worauf der allbekannte, hysterisch-frenetische Jubel ausbricht.
Nicht zum Erobern zogen wir
vom väterlichen Herd,
die schändlichste Tyrannenmacht
bekämpfen wir in freud‘ger Schlacht.
Das ist des Blutes wert.
Diese Zeilen unterschlug Goebbels in seiner Rede. Der junge Körner, der so heiße Gedichte auf den Krieg schrieb wie andere auf die Liebe, war nicht zum Erobern ausgezogen. Das ist der große Unterschied, und wer diese Schlüsselzeilen in Körners Werk vergisst, sieht nur noch die Wut und den Hass, den der junge Dichter auf die Franzosen hatte. Und kann ihn für seine Zwecke verwenden und verdrehen. Bis heute. Andere haben dann Not, alles wieder zurechtzurücken, um leben zu können mit dem problematischen Helden. Zum Beispiel dort, wo er begraben liegt, in Wöbbelin.
Ins Feld, ins Feld! Die Rachegeister mahnen.
Auf deutsches Volk, zum Krieg!
Ins Feld, Ins Feld! Hoch flattern unsre Fahnen,
Sie führen uns zum Sieg.
Körners Gedichte haben die Soldaten von 1870/71 im Tornister, mit Körners Worten ziehen Deutsche in die beiden Weltkriege. NS-Propagandaminister Joseph Goebbels zitiert in seinem Aufruf zum totalen Krieg den Vers "Das Volk steht auf, der Sturm bricht los" aus Körners Gedicht "Männer und Buben". Und macht daraus: "Nun Volk steh auf und Sturm brich los" – worauf der allbekannte, hysterisch-frenetische Jubel ausbricht.
Nicht zum Erobern zogen wir
vom väterlichen Herd,
die schändlichste Tyrannenmacht
bekämpfen wir in freud‘ger Schlacht.
Das ist des Blutes wert.
Diese Zeilen unterschlug Goebbels in seiner Rede. Der junge Körner, der so heiße Gedichte auf den Krieg schrieb wie andere auf die Liebe, war nicht zum Erobern ausgezogen. Das ist der große Unterschied, und wer diese Schlüsselzeilen in Körners Werk vergisst, sieht nur noch die Wut und den Hass, den der junge Dichter auf die Franzosen hatte. Und kann ihn für seine Zwecke verwenden und verdrehen. Bis heute. Andere haben dann Not, alles wieder zurechtzurücken, um leben zu können mit dem problematischen Helden. Zum Beispiel dort, wo er begraben liegt, in Wöbbelin.
Neben Körners Grab wird KZ-Opfern gedacht
Hier, 20 Kilometer südlich von Schwerin, ist der Dresdner Dichter – mit seiner gesamten Familie - unter einer Eiche begraben. Körners Grabmal, eine Stele mit einer Bronzeplastik von 1814, wird gerade mit Hilfe eines Krans wieder an die alte Stelle montiert. Pünktlich zum 200. Todestag wurde alles aufpoliert und restauriert. Wenige Schritte neben Körners Grab: Ein Mahnmal für die Toten des KZ-Außenlagers Wöbbelin. Die Amerikaner, die dieses Stück im westlichen Mecklenburg befreiten, hatten im Mai 1945 befohlen, die Leichen direkt neben dem Körnergrab beizusetzen. Leier und Schwert, Körners Insignien, zieren das Grab des Dichters. Mit dem eingravierten, gerade neu vergoldeten, Zitat ist man in Wöbbelin nicht ganz glücklich.
"Das Zitat, das der Vater ausgesucht hat, lautet: Vaterland, dir wolln wir sterben, wie dein großes Wort gebeut, unsere Lieben mögens erben, was wir mit dem Blut befreit. Wachse, du Freiheit der deutschen Eichen, wachse empor über unsere Leichen. Zitat des Sohnes Theodor Körner. Und besonders die drei Begriffe: das Blut, die deutsche Eiche und die Leichen sind die Begriffe, die dazu geführt haben, dass dann besonders nationalistische Kräfte, seit 1927 auch die Nationalsozialisten – es war hier der erste Aufmarsch im Rahmen des "Deutschen Tages" im Oktober 1927. Als der Gauleiter Friedrich Hildebrandt mit den Nationalsozialisten zur Grabstätte gepilgert ist und dann hier auch den Franzosenhass wieder hat aufleben lassen. Und Körnerverse benutzt hat, das endet ja dann mit der Rede von Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast zum totalen Krieg: Sturm steh auf und Volk brich – nee: Volk steh auf und Sturm brich los. Es ist ein sehr ambivalenter Ort."
Ramona Ramsenthaler ist die Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Wöbbelin. Seit 1863 gibt es hier ein Körner-Museum, angefüllt mir Devotionalien, 1938 von den Nazis umgestaltet und neu gebaut, 1952 wiedereröffnet. Der KZ-Opfer wird im selben Gebäude erst seit 1965 mit einer Ausstellung gedacht.
"2008/09 hat es hier Aufmärsche von Kameradschaften gegeben, namentlich zum Todestag von Körner. 100 Meter daneben ist ja der Bestattungsplatz für einen Teil der Opfer des KZ Wöbbelin, die in der Mehrheit Franzosen waren. Und es hat 2007, acht, neun auch Konfrontationen gegeben mit Neonazis, weil zur gleichen Zeit auch ein Bus mit Angehörigen von Opfern aus Belgien hierher gekommen ist. Und 2002 ist das Denkmal von Jo Jastram auch geschändet gewesen."
Blut und Schweineköpfe verunstalteten das Mahnmal des Rostocker Bildhauers Jo Jastram. Im Jubiläumsjahr 2013 soll das nicht passieren. Vier Tage um den Todestag Körners hat Ramona Ramsenthaler eine Fachtagung "Theodor Körner und die Folgen" organisiert und besetzt damit sozusagen das Gelände. Die Ausstellung wurde schon 1996 neu gestaltet - "Körner – seine Erhebung zum Idol", heißt sie. Mit Schulklassen aus der Gegend gibt es Projekte: "Theodor Körner – ein Held?" Längst hat man in Wöbbelin hinter dem Helden Körner ein Fragezeichen gesetzt. Offiziell. Inoffiziell bleibt das Körnergrab ebenso eine Pilgerstätte für Rechte wie der Obelisk in Hühnerzüchter Jantzens Wald. Beides ist öffentlich zugängliches Gelände. Was soll man tun? Erhardt Jöst, pensionierter Lehrer, Körnerforscher und Referent auf der Fachtagung in Wöbbelin, hat einen Vorschlag.
"Wenn die jetzt vorhaben, zum 200. Todestag von Theodor Körner die im Landtag von MV vertretenen Parteien einzuladen, dann sollen sie die NPD auch nicht ausklammern, weil die eben auch im Landtag sind. Man soll sich in Diskussionen mit ihnen auseinandersetzen! Die befassen sich mit ihm gar nicht, sondern sie greifen sich dann ein paar Zitate, ein paar Verse von ihm raus, die in ihre Konzeption passen. Die nehmen sie dann für sich in Beschlag und verfälschen ihn."
Erhard Jöst braucht nur auf Youtube zu gehen oder auf die Seite der NPD von Mecklenburg-Vorpommern zu klicken. Körners Leben in Bildern und Musik.
"Das ist jetzt Körners berühmtestes Lied, was früher jeder kannte. Wo die meisten auch mitsingen können. Lützows wilde, verwegene Jagd. Und das ist dann mit Bildern aus Körners Leben untermalt, es werden Schlachtszenen gezeigt, die Lützower im Einsatz. Auf diese Art und Weise will man an die national gesinnten jungen Menschen herankommen und für den Einsatz nationalistischer Ziele werben – man soll sich wieder besinnen auf deutsche Werte. Immer untermalt mit verschiedenen Zitaten von ihm."
Vor berühmten Körner-Gemälden wie Georg Friedrich Kerstings Bild "Auf Vorposten" erscheinen Zitate in altdeutscher Schrift:
Deutsches Volk, du konntest fallen
Aber sinken kannst du nicht.
"Wieder Lützows wilde verwegene Jagd, dargestellt von einer sich rechtsradikal gebenden Gruppe, die mit Baseballschlägern bedrohend auftritt. Lützows wilde verwegene Jagd als Rap…"
Pubertierende Dumpfbacken mit Basecaps und Schlabberhosen bemächtigen sich auf ihre Art des Dichters. In der Schule haben sie meist nichts von ihm gehört.
"Meine Meinung ist immer, und das sage ich auch als ehemaliger Lehrer: Man soll gerade Theodor Körner, der fast zwei Jahrhunderte lang das Idol der Jugend war, der Pflichtlektüre war in den Schulen - und wenn jemand eine solche Wirkungsgeschichte hatte, dann muss man sich auch mit diesem Erbe auseinandersetzen. Und man muss das auch den Schülern zeigen und beibringen. Um sie auch davor zu schützen, dass sie auf irgendwelche Agitationen reinfallen. Und man kann nicht einfach sagen: Das schweigen wir tot oder überlassen es den anderen. Dann werden sie gerade von falscher Seite wieder aufgegriffen."
Auf der falschen Seite zu stehen, kann man den Lützower Jägern nicht vorwerfen. Einmal im Jahr treffen sie sich – es gibt Traditionsvereine von Mecklenburg bis Schwaben – zur "Historischen Gefechtsdarstellung" in Leipzig. In diesem Jahr, zur "Jubiläumsschlacht", werden 5000 Darsteller aus ganz Europa erwartet. Der Moderator wird wieder vermelden, dass es hier sich hier nicht um die Heroisierung des Krieges handele. Die Völkerschlacht im Oktober 1813 erlebte Theodor Körner zwar gar nicht mehr mit und auch andere Lützower Jäger nahmen nur vereinzelt an der entscheidenden Schlacht teil - ihr Verband ritt zu dieser Zeit im Norden Deutschlands herum - aber egal. Die Lützower von heute holen das nach.
"Das Zitat, das der Vater ausgesucht hat, lautet: Vaterland, dir wolln wir sterben, wie dein großes Wort gebeut, unsere Lieben mögens erben, was wir mit dem Blut befreit. Wachse, du Freiheit der deutschen Eichen, wachse empor über unsere Leichen. Zitat des Sohnes Theodor Körner. Und besonders die drei Begriffe: das Blut, die deutsche Eiche und die Leichen sind die Begriffe, die dazu geführt haben, dass dann besonders nationalistische Kräfte, seit 1927 auch die Nationalsozialisten – es war hier der erste Aufmarsch im Rahmen des "Deutschen Tages" im Oktober 1927. Als der Gauleiter Friedrich Hildebrandt mit den Nationalsozialisten zur Grabstätte gepilgert ist und dann hier auch den Franzosenhass wieder hat aufleben lassen. Und Körnerverse benutzt hat, das endet ja dann mit der Rede von Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast zum totalen Krieg: Sturm steh auf und Volk brich – nee: Volk steh auf und Sturm brich los. Es ist ein sehr ambivalenter Ort."
Ramona Ramsenthaler ist die Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Wöbbelin. Seit 1863 gibt es hier ein Körner-Museum, angefüllt mir Devotionalien, 1938 von den Nazis umgestaltet und neu gebaut, 1952 wiedereröffnet. Der KZ-Opfer wird im selben Gebäude erst seit 1965 mit einer Ausstellung gedacht.
"2008/09 hat es hier Aufmärsche von Kameradschaften gegeben, namentlich zum Todestag von Körner. 100 Meter daneben ist ja der Bestattungsplatz für einen Teil der Opfer des KZ Wöbbelin, die in der Mehrheit Franzosen waren. Und es hat 2007, acht, neun auch Konfrontationen gegeben mit Neonazis, weil zur gleichen Zeit auch ein Bus mit Angehörigen von Opfern aus Belgien hierher gekommen ist. Und 2002 ist das Denkmal von Jo Jastram auch geschändet gewesen."
Blut und Schweineköpfe verunstalteten das Mahnmal des Rostocker Bildhauers Jo Jastram. Im Jubiläumsjahr 2013 soll das nicht passieren. Vier Tage um den Todestag Körners hat Ramona Ramsenthaler eine Fachtagung "Theodor Körner und die Folgen" organisiert und besetzt damit sozusagen das Gelände. Die Ausstellung wurde schon 1996 neu gestaltet - "Körner – seine Erhebung zum Idol", heißt sie. Mit Schulklassen aus der Gegend gibt es Projekte: "Theodor Körner – ein Held?" Längst hat man in Wöbbelin hinter dem Helden Körner ein Fragezeichen gesetzt. Offiziell. Inoffiziell bleibt das Körnergrab ebenso eine Pilgerstätte für Rechte wie der Obelisk in Hühnerzüchter Jantzens Wald. Beides ist öffentlich zugängliches Gelände. Was soll man tun? Erhardt Jöst, pensionierter Lehrer, Körnerforscher und Referent auf der Fachtagung in Wöbbelin, hat einen Vorschlag.
"Wenn die jetzt vorhaben, zum 200. Todestag von Theodor Körner die im Landtag von MV vertretenen Parteien einzuladen, dann sollen sie die NPD auch nicht ausklammern, weil die eben auch im Landtag sind. Man soll sich in Diskussionen mit ihnen auseinandersetzen! Die befassen sich mit ihm gar nicht, sondern sie greifen sich dann ein paar Zitate, ein paar Verse von ihm raus, die in ihre Konzeption passen. Die nehmen sie dann für sich in Beschlag und verfälschen ihn."
Erhard Jöst braucht nur auf Youtube zu gehen oder auf die Seite der NPD von Mecklenburg-Vorpommern zu klicken. Körners Leben in Bildern und Musik.
"Das ist jetzt Körners berühmtestes Lied, was früher jeder kannte. Wo die meisten auch mitsingen können. Lützows wilde, verwegene Jagd. Und das ist dann mit Bildern aus Körners Leben untermalt, es werden Schlachtszenen gezeigt, die Lützower im Einsatz. Auf diese Art und Weise will man an die national gesinnten jungen Menschen herankommen und für den Einsatz nationalistischer Ziele werben – man soll sich wieder besinnen auf deutsche Werte. Immer untermalt mit verschiedenen Zitaten von ihm."
Vor berühmten Körner-Gemälden wie Georg Friedrich Kerstings Bild "Auf Vorposten" erscheinen Zitate in altdeutscher Schrift:
Deutsches Volk, du konntest fallen
Aber sinken kannst du nicht.
"Wieder Lützows wilde verwegene Jagd, dargestellt von einer sich rechtsradikal gebenden Gruppe, die mit Baseballschlägern bedrohend auftritt. Lützows wilde verwegene Jagd als Rap…"
Pubertierende Dumpfbacken mit Basecaps und Schlabberhosen bemächtigen sich auf ihre Art des Dichters. In der Schule haben sie meist nichts von ihm gehört.
"Meine Meinung ist immer, und das sage ich auch als ehemaliger Lehrer: Man soll gerade Theodor Körner, der fast zwei Jahrhunderte lang das Idol der Jugend war, der Pflichtlektüre war in den Schulen - und wenn jemand eine solche Wirkungsgeschichte hatte, dann muss man sich auch mit diesem Erbe auseinandersetzen. Und man muss das auch den Schülern zeigen und beibringen. Um sie auch davor zu schützen, dass sie auf irgendwelche Agitationen reinfallen. Und man kann nicht einfach sagen: Das schweigen wir tot oder überlassen es den anderen. Dann werden sie gerade von falscher Seite wieder aufgegriffen."
Auf der falschen Seite zu stehen, kann man den Lützower Jägern nicht vorwerfen. Einmal im Jahr treffen sie sich – es gibt Traditionsvereine von Mecklenburg bis Schwaben – zur "Historischen Gefechtsdarstellung" in Leipzig. In diesem Jahr, zur "Jubiläumsschlacht", werden 5000 Darsteller aus ganz Europa erwartet. Der Moderator wird wieder vermelden, dass es hier sich hier nicht um die Heroisierung des Krieges handele. Die Völkerschlacht im Oktober 1813 erlebte Theodor Körner zwar gar nicht mehr mit und auch andere Lützower Jäger nahmen nur vereinzelt an der entscheidenden Schlacht teil - ihr Verband ritt zu dieser Zeit im Norden Deutschlands herum - aber egal. Die Lützower von heute holen das nach.