"Salone del Mobile"

Von Claudia Russo |
Einmal im Jahr trifft sich die Elite der Möbeldesigner in Mailand, um bei der internationalen Möbelmesse "Salone del Mobile" Trends vorzugeben und Strategien zu schmieden. Bei der weltweit größten Design-Schau versuchen 2200 Möbel- und Lampenhersteller mit Kreativität und Qualität der Konkurrenz aus Fernost zu begegnen.
Foto-Shooting beim Stand des italienischen Lampenherstellers FLOS. Star der Inszenierung ist der französische Designer Philippe Starck. "Bitte ein bisschen ernster die Miene, Mr. Starck" ruft ihm der Fotograf zu. "Und vergessen Sie nicht, Sie schauspielern gerade". Der Stardesigner als eigentliches Kultobjekt: Starck greift mit provozierendem Blick zu seiner neuen FLOS-Kreation. Es ist eine Tischlampe, die aussieht wie eine Pistole. Daher heißt sie auch Gun-Lamp. Ist das nicht ein bisschen geschmacklos, Mr .Starck? Nein, für den Meister ist das Werk politisch engagiertes Design.

Philip Starck: "Warum eine "Gun Lamp" - weil wir täglich daran denken sollten, dass wir essen, schlafen und uns reichlich vergnügen, während unsere Regierungen jeden Tag Waffen verkaufen, um andere Menschen zu töten. Eine Reihe von Pistolen-Lampen auf unseren Wohnzimmer- und Esstischen sollen uns daran erinnere, dass täglich Menschen für uns sterben."

Mit Philippe Starcks "Gun Lamp" gegen Waffenexporte - darauf muss man erst einmal kommen. Dennoch: Die Kunden stehen Schlange. Für Philippe Starcks Pistolen-Beleuchtung, für den posierenden Designer, für eine bessere Welt.

Tabubrüche und Kuriositäten wie die von Starck gibt es nicht viele beim diesjährigen Salone - dafür aber Plastik, viel Plastik. Was sich schon bei den vergangen zwei Ausgaben des Salone del Mobile andeutete, wird diesmal zur Gewissheit: Das Experimentieren mit neuen Kunststoffen und ausgefallenen Farben treibt bei vielen Designern die Suche nach neuen Formen erst richtig an. Materialstudien werden zum eigentlichen kreativen Prozess. Der italienische Möbelbmacher Kartell gilt längst als König der Plastikproduktion - allein 17 neue Objekte stellt Kartell in diesem Jahr in Mailand vor. Auch Francesco Dominici von der italienischen Stuhlfirma Segis hat schon seit Jahren eine Passion für Plastik:

Francesco Dominici: "Das ist für uns eine Entscheidung für das Produkt, aber auch eine Entscheidung für die Umwelt. Plastik ist ein Material, das man ohne größere Energieverschwendung bearbeiten kann. Außerdem lässt sich Kunststoff sehr einfach recyceln. Dazu kommt: Plastik kommt immer mehr in Mode, weil es eben sehr leicht formbar ist. Und es ist billig: Design für jede Tasche eben."

Innovativ muss das Design des Jahres 2005 sein, originell, qualitativ hochwertig - und viel kosten darf es auch nicht. Denn die großen italienischen Designfirmen stöhnen seit Jahren: Billigkopien aus China und Osteuropa würden ihnen den Markt kaputtmachen. Rosario Messina, Präsident der Mailänder Möbelmesse, hat in diesen Tagen daher viel zu besprechen, wenn er durch die Ausstellungshallen des Salone läuft. Krisenmanagement für eine Branche, die eigentlich gute Laune gewöhnt ist. Messina hat für die Messe das Motto ausgegeben: "Essere e sembrare", "Sein und Schein". Messina hat sich schon entschieden: Er plädiert für das "Sein".

Messina: "Wir haben diese Möbelmesse ganz ins Zeichen der Innovation gestellt. Die Zeiten des extremen Designminimalismus sind vorbei, und damit auch das wilde Experimentieren. Hochwertige Materialien sind für uns wichtig, und interessantes Design, egal ob es um Betten, Badezimmer, Kücheneinrichtung oder Lampen geht. Damit wollen die italienischen Möbelhersteller die billige Konkurrenz aus China, aber auch aus Rumänien und Brasilien bekämpfen."

Während sich die Etablierten der Branche darüber den Kopf zerbrechen, wie Kreativität und Ökonomie am besten in Einklang zu bringen sind, sind die jungen Nachwuchsdesigner im Salone Satellite schon einen Schritt weiter: Sie sind experimentierfreudig, losgelöst von Marktkalkülen - und können es preismäßig mit wohl jedem China-Import aufnehmen. Zum Beispiel die Designgruppe Progetto 25 zero 1 aus Mailand. Ihre Lampen kann man an und auspusten, man kann dagegen hauen, sie treten oder auch streicheln. Gefühlsabhängige Lampennutzung statt seelenloser An- und Aussschalter. Nicola Dantrassi vom Progetto 25 zero 1:

Nicola Dantrassi: "Das sind poetische Lampen. Da geht es nicht nur um die Form, sondern auch um die Emotionalität, die sie in ihren Besitzern wecken. Man streichelt sie, wenn es einem gut geht, und schlägt auf sie ein, wenn man gerade mal einen schlechten Tag hinter sich hat."

Ebenso individuell, nur viel teurer ist das so genannte "personalisierte Design" der Mailänder Designgruppe Alchymia. Giuditta Doro ist mehr als Designerin - sie ist Künstlerin und fertigt Möbel ganz nach individuellen Vorstellungen an: Sie bemalt Schränke, Tische, gestaltet Stühle in Form einer Rose oder entwirft Bücherregale als Rauminstallationen.

Giuditta Doro: "Das sind Einzelstücke, die ein Zimmer bereichern, egal ob es klassisch oder modern eingerichtet ist. Ich setze mich mit den Kunden zusammen und schaue, welche Kunstrichtungen sie mögen und auf welche Möbelstücke gemalt werden kann."

Die wirtschaftlichen Probleme der Branche löst zwar auch Giuditta Doro mit ihrem Konzept nicht. Aber bei der diesjährigen Salone-Frage "Sein" oder "Schein" ist klar: Bei der Ästhetik der Signora Doro geht ums Sein, nicht um den Schein.