Sally J. Pla: „Komische Vögel“

Jede Veränderung ein Albtraum

06:07 Minuten
Sally J. Pla: "Komische Vögel. 2500 Meilen Familie, Chaos und jede Menge Chicken Nuggets"
© dtv

Sally J. Pla

Aus dem Englischen von Susanne Hornfeck

Komische Vögel. 2500 Meilen Familie, Chaos und jede Menge Chicken Nuggetsdtv, München 2023

335 Seiten

16,00 Euro

Von Sylvia Schwab · 27.01.2023
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Der Kinderroman „Komische Vögel“ der US-Amerikanerin Sally J. Pla erzählt von Charlie, einem elfjährigen Autisten und Vogelliebhaber. Trotz existenzieller Themen wirkt die Geschichte nie pathetisch, sondern bleibt leichtfüßig und zauberhaft komisch.
Charlie, der elfjährige Ich-Erzähler, ist Autist. E ist hypersensibel, hat jede Menge Ticks und ist unfähig, Gesichtsausdrücke und Gesten richtig zu interpretieren. Jede Veränderung ist ein Albtraum für ihn. Umgekehrt strengt er seine Familie mit seiner fehlenden Spontaneität an, wie auch mit seinen Zwängen und seinem fast schon manischen Interesse an Vögeln. Ein Interesse, das sein Vater mit ihm teilt. Wann immer möglich beobachten die beiden zusammen Vögel und versuchen herauszufinden, wie die Tiere heißen.

Dem kranken Vater hinterher

Charlies kompliziertes Leben – seine Mutter ist bei einem Unfall ums Leben gekommen - gerät völlig aus den Fugen, als sein Vater wegen einer Hirnverletzung in ein weit entferntes Krankenhaus nach Virginia verlegt wird. Heimlich reisen ihm seine Kinder quer durch die USA hinterher: Charlie, seine pubertäre große Schwester, die hyperaktiven Zwillingsbrüder und die grünhaarige Ludmila aus Bosnien als "Babysitter".
„Komische Vögel“ ist eine besondere Roadnovel. Charlie muss jede Menge Herausforderungen meistern, macht beängstigende und beglückende Erfahrungen, lernt interessante Menschen kennen und erlebt wunderbare Naturschauspiele. Er begreift, dass er aus seinem inneren Schneckenhaus herauskommen und lernen muss, seine Zwänge zu besiegen, wenn er wirklich leben will.
Wie in vielen Reiseerzählungen steht das Reisen mit seinen Gefahren und Überraschungen hier für das Leben an sich. Der Terrorangriff auf das Auto des Vaters in Afghanistan, bei dem er schwer verletzt wurde, und das dramatische Schicksal der jungen Bosnierin Ludmila bilden den dunklen Hintergrund, von dem sich die turbulente Geschichte heiter abhebt.

Rührend und ansteckend

Charlie kennt seine eigenen Defizite gut; er ist ein genauer Beobachter und weitaus einfühlsamer, als er zeigen kann. Unzählige Fragen, Ideen und Fantasien schwirren durch seinen Kopf, lebendig und witzig erzählt der Elfjährige von seinen schmerzhaften Zusammenstößen mit der für ihn mitunter harten Realität.
Beim Lesen ist man ganz eng bei ihm, sieht, riecht, spürt und hofft mit ihm, etwa das sein Wunsch, einen bekannten Vogelforscher kennenzulernen, wahr wird. Rührend und ansteckend ist auch Charlies Freude an der Beobachtung von Vögeln und der nordamerikanischen Natur.
Sally J. Pla spricht in ihrem feinen, bewegenden Roman zahlreiche Themen an. Doch die Geschichte wirkt niemals überfrachtet oder pathetisch, sie bleibt leichtfüßig und bei aller Nachdenklichkeit zauberhaft komisch.
Das hängt wohl auch mit den unzähligen Vögeln zusammen, die den Roman durchkreuzen, mit ihrer Intelligenz und Beschwingtheit, ihrem Überlebenstalent und ihrem Freiheitsdrang. Vögel können Vorbilder für Menschen sein, davon ist Charlie überzeugt - und komische Vögel, das wird klar, sind wir irgendwie alle.
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