Saga vom Süd-Ende der Welt

15.11.2007
Bereits zum zweiten Mal macht Nicholas Shakespeare die ehemalige britische Sträflingskolonie Van-Diemens-Land am südlichen Zipfel Südamerikas zum Schauplatz seiner prallen Erzähllust. Mit "Sturm" hat er einen gut gebauten, farbensatten Schmöker geschrieben.
Im englischen Original heißt der Roman "Secrets of the Sea". Warum Nicholas Shakespeares großer Tasmanien-Saga in der deutschen Ausgabe der Titel "Sturm" verpasst wurde, bleibt das Geheimnis des Verlags. Er hätte auf die eigenständige Kraft dieses Erzählers, Reiseschriftstellers und Bruce-Chatwin-Biografen auch ohne Namensspekulation ruhig vertrauen können.

Bereits zum zweiten Mal - nach seiner großartigen Insel-Reportage "In Tasmanien" (2004) - macht Shakespeare die ehemalige britische Sträflingskolonie Van-Diemens-Land am entlegensten Süd-Ende der Welt zum Schauplatz seiner prallen Erzähllust.

Die titelgebenden Geheimnisse des Meeres betreffen die beiden Liebenden Alex und Merridy, die eher der Kummer über familiäre Verluste (Alex hat bei einem Unfall seine Eltern verloren, Merridys bewunderter Bruder ist als Kind spurlos verschwunden) als erotische Passion miteinander verbindet. Auch leidet das Paar tief unter seiner Kinderlosigkeit.

Gemeinsam retten die beiden einen jungen Schiffbrüchigen, der zum Katalysator ihrer unerfüllten Sehnsüchte nach einem Geliebten, einem Sohn, einem Bruder wird. Gefühlskitsch liegt da gefährlich nahe. Dass Nicholas Shakespeare ihn vermeidet, ist nicht der geringste Bonus dieses gut gebauten, farbensatten Schmökers.


Rezensiert von Sigrid Löffler


Nicholas Shakespeare: Sturm
Aus dem Englischen von Susanne Höbel.
Marebuchverlag, Hamburg 2007, 542 Seiten, 24,90 Euro