Sängerisch überzeugend, schauspielerisch enttäuschend

Von Rainer Zerbst |
Rudolf Freys "Nabucco"-Inszenierung bewegt sich am Rande der Lächerlichkeit, meint unser Kritiker Rainer Zerbst. Nur der Staatsopernchor vermag - wie immer - zu überzeugen.
Noch während die Ouvertüre erklingt, füllt sich in der Stuttgarter Inszenierung nach und nach die Bühne, erst vereinzelt, dann immer mehr treten sie auf, die Hebräer, verzweifelt, nervös, schließlich müssen sie damit rechnen, dass ihre Stadt der Belagerung durch die Babylonier unter Nabucco nicht standhalten wird. Dann schälen sich aus dem Chor einzelne Protagonisten heraus, der Hohepriester Zaccaria, seine Schwester.

Damit macht Regisseur gleich zu Beginn die Struktur dieser Oper deutlich: Es geht um zwei gegnerische Völker - deren Schicksal aber von Individuen vertreten wird. Doch damit endet auch schon eine sinnvolle Deutung des Stücks durch den Regisseur. Schon nach wenigen Minuten wird deutlich, dass Rudolf Frey offenbar keine Ahnung hat, wie man einen Chor auf der Bühne bewegt. Meist steht er wohlgeordnet in Reih und Glied auf der Bühne, meist mit Blick nach vorn, wie überhaupt die Figuren meist zur Rampe hin singen, einerlei, ob sie sich im Duett mit einer anderen Figur befinden oder allein mit ihrem Schicksal handern.

Dabei stehen Frey durchaus Sänger zur Verfügung, die zu tragisch-dramatischem Ausdruck fähig sind. Catherine Foster zum Beispiel ist mimisch eine überzeugende Abigail, auch wenn sie stimmlich in der Höhe Schärfen hat und zumindest in der ersten Hälfte der Premiere auch Intonationsschwächen.

Immerhin: Regisseur Frey gibt ihr hin und wieder Gelegenheit, auch mimisch den fast schon krankhaften Ehrgeiz dieser Figur zu gestalten, wie sie gierig nach der Krone, sprich Macht greift. Aber ihre große Vision von ihrer künftigen Machtposition bettet Frey in eine Show ein und lässt maskierte Männer mit Federwedeln um sie tanzen, als wäre es eine Show im Lido. Und der Oberpriester des Baal wirkt wie ein Conférencier eines zweifelhaften Etablissements.

Mag man das auch noch als Versuch werten, die Welt Babylon als Sündenpfuhl zu charakterisieren, so wird vollends lächerlich, wenn Nabuccos Mannen am Ende ihren Führer umtänzeln und ihre Mützen dabei schwenken, als wären sie ein heiteres Männerballett. Wenn Figuren verzweifelt sind, greifen sie sich an die Stirn, wenn Abigail dem Tod geweiht die Bühne betritt, schauen alle nach vorn zum Dirigenten, als ginge sie das Ganze nichts an. Sängerisch überzeugt vor allem Sebastian Catana als Nabucco.

Und natürlich brilliert der Staatsopernchor in dieser Oper, in der der Chor eine Hauptrolle spielt. Und Giuliano Carella entlockt dem Orchester feinste Klangnuancen, lyrische Passagen und dramatische Ausbrüche der Partitur, dass man zumindest akustisch, bei geschlossenen Augen Verdis grandiose Operndramatik erleben kann.

Giuseppe Verdi: Nabucco
Oper Stuttgart
Regie: Rudolf Frey