Sachsen-Anhalts Umweltminister lehnt Flut-Pflichtversicherung ab

Moderation: Ute Welty · 31.08.2013
Vor der am Montag beginnenden Landesumweltministerkonferenz warnt Hermann Onko Aeikens, Umweltminister in Sachsen-Anhalt, vor der Einführung einer Hochwasser-Pflichtversicherung. Er will keine weitere staatliche Verpflichtung einführen, stattdessen setzt er auf Aufklärung.
Ute Welty: Die Hiobsbotschaften für die Versicherungsbranche reißen nicht ab. Generali Deutschland hat zum Beispiel jetzt bekannt gegeben, dass Hagelsturm "Andreas" von Anfang Juli rund 150 Millionen Euro kostet. Insgesamt gehen die Kosten sogar in die Milliarden und übertreffen wohl auch die des Hochwassers von Juni. Trotz dieser enormen Schadenssummen in dem einen wie in dem anderen Fall, viele Hagel- oder Hochwassergeschädigte können gar nicht mit irgendwelchen Zahlungen rechnen, weil ihre Versicherung die sogenannten Elementarschäden eben nicht mit abdeckt. So sind in Sachsen-Anhalt nur 38 Prozent der Haushalte entsprechend abgesichert. Ob sich da was ändern kann oder muss, darüber habe ich mit Hermann Onko Aeikens gesprochen, Minister für Landwirtschaft und Umwelt in Sachsen-Anhalt, der während des Interviews im Auto unterwegs war, und ich habe ihn gefragt, inwieweit auf dem sogenannten Hochwassergipfel der Länder am Montag ein veränderter Versicherungsschutz zur Diskussion schickt. Denn offenbar steigt ja das Risiko, von einem unfreundlichen Naturereignis überrascht zu werden.

Hermann Onko Aeikens: Sie haben recht, wir müssen aufgrund des Klimawandels damit rechnen, dass sich die extremen Witterungsereignisse verstärken in Zukunft. Insofern ist es geboten, dass die Menschen von den Versicherungsoptionen in einem stärkeren Ausmaß Gebrauch machen. Wir stehen hier auch in Gesprächen mit der Versicherungswirtschaft, die uns sagt, dass viele, die sich versichern könnten, es nicht tun. Hier ist mehr Aufklärung vonnöten, und ich bin sehr dankbar, wenn wir Gelegenheit bekommen, auch über die Medien dafür zu werben: Versichert euch. Es ist gut für den eventuellen Schadensfall. Die Versicherungen haben uns erklärt, dass sie bereit sind, ganz überwiegend die Baulichkeiten zu versichern. Der Anteil der nicht versicherbaren Objekte bewegt sich im minimalen Prozentsatz.

Welty: Aber wie wollen Sie werben bei Menschen, die sich eine solche Versicherung zum Teil gar nicht leisten können?

Aeikens: Die Frage ist die, welche Versicherungsprämie ist wo zu zahlen. Die Sätze, die mir bekannt sind, sind überwiegend in dem Rahmen, dass man sich solche Prämien auch leisten kann. Wir müssen darüber reden, welche internen Ausgleichsmechanismen in den Versicherungen möglich sind. Insofern sieht ja die Beschlussvorschlagslage für die Konferenz der Umweltminister auch vor, die Erfahrungen zu sammeln und gemeinsam mit dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft Vorschläge zu unterbreiten, wie wie die Elementarschadensversicherung zu einer größeren Verbreitung führen, damit die Menschen im Eventuellfall, im Schadensfall besser gewappnet sind.

Welty: Muss man in einer solchen Situation die Menschen nicht auch ein Stück weit zu ihrem Glück zwingen, sprich, eine Versicherungspflicht einführen für bestimmte Lagen, Regionen oder Berufsgruppen?

Aeikens: Ich glaube, mit freiwilligem Engagement sind wir besser beraten als hier schon wieder mit der staatlichen Pflicht zu drohen. Hier ist Aufklärung erforderlich. Versicherungspflicht würde bedeuten, dass auch möglicherweise Menschen versichert werden müssten, die es erstens gar nicht wollen, die es möglicherweise aufgrund der geografischen Lage auch nicht nötig haben, weil man die Regionen auch immer nur schwerlich eingrenzen kann. Ich setze hier zunächst auf freiwillige Lösungen.

Welty: Und am Ende steht der Steuerzahler mit der Rechnung da.

Aeikens: Die Frage ist die, was der Steuerzahler zahlen muss und zahlen kann. Der Steuerzahler sollte dafür Sorge tragen, dass wir unseren Hochwasserschutz zum Beispiel intensivieren. Das ist eine ganz wichtige Aufgabe. Wir können nicht prognostizieren, welche extremen Witterungsereignisse wir noch bekommen, aber wir können zum Thema Hochwasserschutz, und das ist ja Anlass für die Sonderumweltministerkonferenz, mit Mitteln des Steuerzahlers, des Staates dazu beitragen, dass Schäden erst gar nicht eintreten. Das ist das, was wir primär verfolgen sollten.

Welty: Aber im konkreten Fall, im Falle des Hochwassers ist der Schaden ja eingetreten, und der Steuerzahler stellt acht Milliarden Euro im Fluthilfefonds zur Verfügung.

Aeikens: Dafür sind wir auch sehr dankbar, dass diese großartige Solidarität in Deutschland möglich war, nicht nur zwischen den Menschen, in den Familien, in den Nachbarschaften, sondern auch zwischen den Bundesländern und dem Bund. Es ist für mich auch ein guter Indikator für das Funktionieren des föderalen Systems. Aber die Frage ist die: Kann ich mit verbessertem Hochwasserschutz Schäden reduzieren? Und das können wir. Wir haben in Sachsen-Anhalt in den letzten elf Jahren etwa 500 Millionen für Hochwasserschutz ausgegeben, damit die Hälfte der Deiche Din-sicher gemacht und dadurch erhebliche Schäden verhindern helfen, denn ohne diese Maßnahmen hätten wir noch viel größere Schäden zu beklagen, als es jetzt der Fall ist.

Welty: Ich hab es gerade schon gesagt, die Bundesregierung hat ja reagiert mit einem Hilfsfonds, der acht Milliarden Euro schwer ist und der sich wohl auch etwas schwerfällig verhält, was das Tempo der Auszahlungen angeht. Was sagen Sie den Flutopfern, denen Sie jetzt beispielsweise im Wahlkampf begegnen?

Aeikens: Die Auszahlungen sind angelaufen, sowohl was die privaten Haushaltungen angeht, als auch, was die Landwirtschaft angeht. Ich glaube, da ist sehr rasch reagiert worden. Es ist ja nicht nur der Bund, der diesen Fonds aufgelegt hat, sondern die Lasten teilen sich ja Bund und Länder. Und das ist, finde ich, erstens bemerkenswert. Zweitens, die Beschlüsse wurden gefasst, als die Flut noch gar nicht beendet war, und wenige Wochen danach wurden sofort Hilfen ausgezahlt. Jetzt werden die eigentlichen Hilfen ausgezahlt mit Sätzen, die dazu beitragen, dass die Menschen wieder Hoffnung schöpfen können, dass sie wieder Häuser bauen können, dass sie ihre Schäden in der Landwirtschaft ausgleichen können. Wir möchten nämlich, dass keine Existenzen durch diese Flut ruiniert werden. Und ich bin optimistisch, dass wir das auch schaffen werden.

Welty: Das sehen die Betroffenen zum Teil anders.

Aeikens: Da müssen wir uns den Einzelfall anschauen. Ich glaube, wenn wir wenige Wochen nach der Flut in der Lage sind, in erheblichem Ausmaß Gelder auszuzahlen, und es handelt sich um Gelder des Steuerzahlers, wir können nicht mit dem Geldkoffer durchs Dorf rennen, sondern wir müssen darauf achten, dass in der Tat auch die Menschen Hilfe bekommen, die Hilfe benötigen. Gewisse Erfahrungen, wie ich gehört habe aus einem anderen Bundesland, haben gezeigt, dass Mittel bereits wieder zurückgefordert werden mussten, weil leider Bürgerinnen und Bürger, die nicht berechtigt waren, auch in den Genuss der Soforthilfe gekommen waren. Insofern: Es geht um unser aller Geld, es geht um Steuergeld. Ohne Antragstellung und Prüfung geht es nicht, aber wir sind schnell. Vergleichen Sie das mit Hilfsmaßnahmen in anderen Teilen dieser Welt.

Welty: Das heißt, mit welchen Vorschlägen wartet Sachsen-Anhalt am Montag auf der Konferenz auf?

Aeikens: Nun, wir werden uns um das Thema Klima kümmern müssen. Das ist ein Warnsignal gewesen, was wir im Juni erlebt haben. Wir werden zweitens darüber sprechen müssen, was wir tun, um verbesserten Hochwasserschutz sicherzustellen. Das beinhaltet Fragen des technischen Hochwasserschutzes, das beinhaltet Fragen der Schaffung zusätzlicher Retentionsräume, das beinhaltet Fragen der Schaffung von zusätzlichen Poldern, die zur Senkung von Hochwasserscheiteln als sehr wirksam erwiesen haben, und da wird natürlich auch über Geld zu sprechen sein.

Welty: Onko Aeikens, Umweltminister in Sachsen-Anhalt, über die Mühen der Ebenen vor dem Hochwassergipfel. Ich danke!

Aeikens: Ich danke auch!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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