Sachbuch

Saurierkämpfe in Öl

Von Carsten Hueck · 26.12.2013
Der tschechische Maler Zdenek Burian hat mit seinen Illustrationen unser Bild von den Sauriern geprägt, wie kaum ein Zweiter. Ein Band mit eindrücklichen Werken gibt nun Überblick über sein Schaffen.
In diesem Jahr fanden amerikanische Wissenschaftler stichhaltige Belege für die These, dass vor gut 66 Millionen Jahren ein Asteroideneinschlag das Aussterben der Saurier auf unserem Planeten bewirkt hat. Übrig geblieben sind von diesen prähistorischen Wesen nur Knochen – und doch glauben wir zu wissen, wie sie ausgesehen haben: Brontosaurus (der tatsächlich ein Apatosaurier ist), Iguanodon, Tarbosaurus, Dimorphodon, Tyrannosaurus, Torosaurus und viele andere. Zu verdanken ist das vor allem einem Mann: dem tschechischen Maler und Buchillustrator Zdenek Burian.
1905 in Mähren geboren, begann Burian bereits mit vierzehn Jahren an der Prager Akademie der Bildenden Künste zu studieren. In den 1920er-Jahren startete er seine Karriere als Buchillustrator – für die Romane von Jules Verne, Robert Louis Stevenson, Karl May, R. Kipling und J.F.Cooper schuf er ausdrucksstarke Cover und Bilder. Ab Mitte der 1930er-Jahre arbeitete er eng zusammen mit dem Paläontologen Josef Augusta und illustrierte seitdem vor allem wissenschaftliche Erzählungen und populärwissenschaftliche Werke zur Prähistorie.
Als Burian 1981 starb, hinterließ er ein umfangreiches Werk: Tausende von Ölgemälden, Tempera-Malereien, Zeichnungen und Aquarellen. Sie prägten in den 1950er- und 60er-Jahren das kulturelle Bild der Urzeit – auch weit über die Grenzen des damaligen Ostblocks hinaus. Selbst in den 1990er-Jahren noch wurden Bücher mit Burians am Realismus des 19. Jahrhunderts ausgerichteten Illustrationen im deutsch- und englischsprachigen Raum neu aufgelegt.
Karbonwälder mit Riesenlibellen, Wüsten und Sumpfgegenden
Einen berückenden Eindruck von der besonderen Fantasie und Malkunst Zdenek Burians vermittelt nun ein aufwendig gestalteter Band aus der von Judith Schalansky herausgegebenen Reihe "Naturkunden" des Matthes & Seitz Verlages. Vier Jahrzehnte Dinos in Öl, Karbonwälder mit Riesenlibellen, Landschaften des Ordoviziums im Stil von Historienbildern, Wüsten, Sumpfgegenden, Unterwasserwelten in der Totale sind darin verdichtet zu zahllosen Kurzgeschichten.
Ein sehr persönliches Vorwort des Schriftstellers Clemens J. Setz sowie das instruktive Nachwort der Kunst- und Kulturhistorikerin Angela Fischel schlagen eine gedankliche Brücke von den Abbildungen dieser verlorenen Welten in die Gegenwart.
Die Natur ist als großes Schauspiel dargestellt, die Bilder sind immer auch Bühne. Burians Perspektiven suggerieren Nähe, Arrangement und Lichtgestaltung verleihen den abgebildeten Szenen Dramatik: Kämpfe zwischen Sauriern, Vulkanausbrüche, abgestorbene Vegetation, gigantische Solitäre im Schuppenpanzer, einsame Helden.
Sie lösen beim Betrachter Emotionen aus, wirken hilflos, grausam, bedroht oder aggressiv. Das macht diese Bilder besonders: Sie laden zur Identifikation ein, Identifikation in eine zeitlose unerbittliche Welt, abgeschlossen und geräuscharm. Der Blick in diese Welt verführt dazu, den Saurier in uns zu sehen – ein fühlendes Monstrum, das andere vernichtet und selbst zum Überleben nicht taugt, das zähnefletschend sein Geworfensein auf den Planeten zu bewältigen versucht.
Judith Schalansky (Hg.): Die verlorenen Welten des Zdenek Burian
Mit einem Vorwort von Clemens J. Setz
Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2013
239 Seiten, 68,00 Euro
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