Dietmar Dath, Swantje Karich: "Lichtmächte. Kino – Museum – Galerie – Öffentlichkeit"
Diaphanes-Verlag, Berlin 201
256 Seiten, 24,95 Euro
Macht der Bilder
Große Bilder im Kino, besondere Momente auf der Leinwand - die alten Lichtmächte sind nicht mehr so viel Wert wie früher. Die Journalisten Dietmar Dath und Swantje Kirch wollen in der Zeit von Facebook und Netflix dringend die "Ordnung der Bilder" neu ausrichten.
Die "Macht der Bilder". Mehr als 20 Jahre ist dieser Slogan ein Dauerbrenner in Feuilleton und Kulturtheorie. Doch offenbar hat das, was seit Ende der 80er-Jahre als "pictorial" oder "visual turn", als kopernikanische Wende vom Text zum Bild als Basis der gesellschaftlichen Kommunikation beschrieben wird, für Dietmar Dath und Swantje Karich inzwischen dramatische Dimensionen angenommen.
"Die alten Bilder, in denen alles daheim war, sind von epidemischem Plausibilitätsschwund befallen", schreiben die beiden Feuilletonredakteure des textuellen Leitmediums FAZ in ihrem gemeinsamen Buch "Lichtmächte".
Das klingt nach Kulturpessimismus. Doch die Kritiker können objektive Parameter dafür anführen, warum es dringend notwendig sei, sich um die "im Weltmaßstab in Bewegung geratene" Ordnung der Bilder zu kümmern: Sie registrieren eine "nie zuvor da gewesene Reproduktionsrate für Daten", die "globale Reichweite des technisch verbesserten Blicks" und eine "Beschleunigung der Bildabfrage bis hin zum Verschwinden des Unterschieds zwischen Übertragung und Echtzeiterleben".
Alte gegen neue Lichtmächte
Die Sorge, ob und wie sich die alten Lichtmächte Kino und Museum gegen die neuen Lichtmächte Facebook oder Netflix behaupten können, ist also berechtigt. Genauso wie ihre Warnung vor einem "drückenden, neuen Feudalismus". Hat doch die britische Regierung mit dem "Instagram Act" vom Frühjahr 2013 alle privat auf Flickr oder Instagram hochgeladenen Bilder zur kommerziellen Verwertung freigegeben. "Enteignung der Kleinproduzenten" nennen Dath und Karich das Gesetz nicht ganz unzutreffend.
"Wie sähe eine Kunst, ein Stil aus, der die positiven Gesetzmäßigkeiten des technischen Materialstandes von den impliziten und expliziten Normen trennt, die Facebook, YouTube, iTunes derzeit durchsetzen, und gegen diese Normen etwas Anderes, Freieres postuliert?"
fragen die Autoren. Und plädieren für andere "imaginäre Institutionen" als "Dispositive des Empowerment" und für eine "Schule des Sehens". Damit stehen sie nicht allein. "Nicht der Schriftunkundige ist der Analphabet der Zukunft, sondern der Bildunkundige" hat der Medienwissenschaftler Edgar Wolfrum schon vor zehn Jahren konstatiert.
Malversuche auf dem iPad
Praktikable Alternativen zur Herstellung "visueller Mündigkeit" haben Dath und Karich freilich nicht anzubieten. Sieht man von dem "Fulgurator" des deutschen Künstlers Julius von Bismarck ab: einer Art Blitzlicht, mit dem sich Objekte optisch markieren lassen. Oder von David Hockneys Malversuchen auf dem iPad oder Ulrike Ottingers Filmen. In solchen Versuchen sehen die Autoren den Vorschein einer Ästhetik jenseits des Kommerzes. Karich lässt ihre Kunststudentinnen Bildbeschreibungen üben. Dath hofft, dass "Kinder, die Bildende Kunst und Kino erleben" schneller herausfinden, "wie Gesellschaft ihre Wirklichkeit erzeugt".
Mal als Essay, mal im Dialog erproben die beiden, gern abschweifenden Feuilletonisten ihre Thesen in einem weiteren Kontext: Vom zeitgenössischen Science-Fiction-Film über den Spiegel in der Renaissance bis zu den Bildstrategien der Performance-Künstlerin Marina Abramovic. Ihr größtes Manko ist ihre Sprache. So wichtig ihre Forderung nach "Wahrnehmungssouveränität" ist – die Mischung aus intellektueller Hermetik und ausufernder Feuilletonistik, in die sie sie kleiden, dürfte kaum eine breitere Öffentlichkeit erreichen. Ein konzentrierter Essay hätte mehr diskursive Schlagkraft entwickelt als diese 271 Buchseiten.