Sachbuch

Gefesselt in Raum und Zeit

Physikalische Formel zur Äquivalenz von Masse und Energie, aufgestellt von Physiker Albert Einstein.
Physikalische Formel zur Äquivalenz von Masse und Energie, aufgestellt von Physiker Albert Einstein. © dpa / picture alliance / Georg Göbel
Von Eva Raisig · 07.06.2014
E = mc² - hinter dieser harmlos wirkenden Formel verbirgt sich die komplexe Gedankenwelt von Albert Einstein. Die Auswirkungen von dessen berühmter Relativitätstheorie beschreibt der Astrophysiker Pedro Ferreira in einem spannenden Buch.
Als dem britischen Astronomen Arthur Eddington gesagt wurde, er sei wohl einer der drei Menschen auf der Welt, die Einsteins Relativitätstheorie verstanden hätten, überlege er laut, wer wohl die dritte Person sei. 1919 soll das gewesen sein, vier Jahre, nachdem Einsteins Theorie veröffentlicht wurde. Seitdem haben sich Generationen von Physikern und Mathematikern an ihr abgearbeitet, – und wenn man dem portugiesischen Astrophysiker Pedro Ferreira glauben darf, wird sich das auch nicht ändern. Denn längst hätten Einsteins Gedanken über Raum und Zeit ein Eigenleben entwickelt und wer sich mit der Theorie auseinandersetze, komme irgendwann zu dem Schluss, dass ihre Geschichte nicht weniger faszinierend sei als das Gedankengebäude selbst. Und genau darum geht es in Ferreiras Buch "Die perfekte Theorie".
In 14 Kapiteln zeichnet Ferreira die verschlungenen Pfade nach, die Einsteins Theorie seit ihrer Veröffentlichung genommen hat. Dabei stehen neben den verschiedenen Ansätzen, die komplizierten Feldgleichungen zu deuten, die Wissenschaftler im Mittelpunkt. Mit viel Zuneigung erzählt Ferreira deren Geschichten – und damit viel über wissenschaftlichen Erfolg, über Rückschläge und Auseinandersetzungen, über Privatfehden und genialen Ideen.
Von wissenschaftlichem Erfolg und herben Rückschlägen
Gleichzeitig gibt Ferreira aber auch Einblick in die unruhigen Zeiten, in die die Entwicklung der Relativitätstheorie und die Ideen, die sich aus ihr ergaben, fielen. Die erste Lösung der Einstein'schen Feldgleichungen etwa schickte der deutsche Astronom Karl Schwarzschild von der Ostfront des Ersten Weltkriegs. Technische Entwicklungen rund um den Zweiten Weltkrieg, die Atombombenprogramme und die Auseinandersetzungen des Kalten Kriegs hatten ebenfalls Einfluss auf die wissenschaftliche Forschung an der Relativitätstheorie. So erfährt man nicht nur von den bahnbrechenden Konsequenzen, die die Theorie für die Vorstellung von Raum und Zeit hatte, von der Vorhersage schwarzer Löcher und dem Nachweis, dass das Universum expandiert, sondern auch unter welchen politischen und gesellschaftlichen Bedingungen geforscht wurde. Albert Einstein, der in der Weimarer Republik immerhin eine Art Superstar war, tauchte unter den Nationalsozialisten nicht einmal mehr im Lehrbuch auf. In der Sowjetunion versuchte man, die Theorie eines expandierenden Universums als „ideologisch inkorrekt" aus dem Forschungsbetrieb zu verbannen.
Ferreiras Faszination für Einsteins Leistung und für die vielen anderen Wissenschaftler, die sich dieser Theorie verschrieben haben, spricht durch jede Zeile seines Buches und schlägt sich, wenn auch selten, in einigen Superlativen zu viel nieder. Die physikalischen Konzepte werden kurz beschrieben - für Leserinnen und Leser, denen diese Ideen bisher wenig bekannt sind, vielleicht zu bündig. Entschädigt werden sie aber durch die dazugehörigen Geschichten, denn klar ist: Pedro Ferreiras erzählt hier kurzweilig und unterhaltsam ein wichtiges Stück Wissenschaftsgeschichte.
Pedro Ferreira: Die perfekte Theorie
Übersetzt von Nobert Juraschitz und Friedrich Pflüger
CH Beck, München 2014
320 Seiten, 24,95 Euro