Sachbuch

Einen Mörder zum Ehemann

Besprochen von Pieke Biermann · 18.11.2013
Frauen, die Schwerverbrecher heiraten, werden in den Medien meist mit Häme bedacht. Elisabeth Pfister hat ihre Beweggründe ernsthaft untersucht. Sie hat Frauen getroffen, die vor allem eint, dass sie selbst Opfer von Gewalt wurden.
Im Buchtitel sind sie die Subjekte: Frauen, die sich in einen der Männer verlieben, die wegen extremer Gewalt lange im Gefängnis oder in Sicherungsverwahrung sitzen. Sonst sind sie zumeist Objekte kopfschüttelnder Verachtung oder hämischer Empörung, von Boulevardmedien als erotisch-emotionale Garnitur zum x-ten "Report" über die viel faszinierenderen "Bestien" ausgeschlachtet.
Dass ausgerechnet die grausamsten Täter körbeweise Frauenpost kriegen, dass Mörder wie Degowski und Rösner, Zurwehme und der "Heidemörder" geheiratet wurden, ist bekannt und nicht neu. Schon in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts schäumte die Presse, als eine Frau den Kindermörder Jürgen Bartsch heiratete. Hans-Dieter Grabes sensibler Interviewfilm über sie hatte keine Chance, den Skandal mit ganz unboulevardesken Fragen zu entschärfen: Wer sind eigentlich "solche" Frauen, warum tun sie das? Der Film verschwand im Archiv.
Die Frauen erzählen mit eigenen Worten
Diesen Fragen geht auch die Journalistin Elisabeth Pfister in ihrem Buch nach. Sie hat einige dieser Frauen aufgespürt und lässt sie in ihren eigenen Worten erzählen. Sie rekonstruiert, was sich über einige andere Frauen herausfinden ließ, die nicht (mehr) darüber reden möchten – wie die Therapeutin Tamar Segal, die dem "Heidemörder" zur Flucht verhalf – oder können, weil sie ihr Vertrauen und die tragische Fehleinschätzung der Sachverständigen mit dem Leben bezahlt haben.
Elisabeth Pfister hat Orte und Knäste quer durch die Republik besucht und die Leiterin eines Männergefängnisses und einen psychiatrischen Gutachter befragt. Daraus ist, wenn man will, ein Buch über eine Reise in zwei Richtungen entstanden – ins Innere dieser Frauen und gleichzeitig ins eigene.
So verschieden wie die Frauen sind auch ihre Motive. Trotzdem gibt es Konstanten. Das auf den Kopf gestellte Machtverhältnis, zum Beispiel. Der Mann im Knast ist abhängig von der Frau, die jederzeit gehen kann. Er muss freundlich sein, sie dauererobern mit etwas "typisch Weiblichem": Reden, Briefeschreiben über Persönliches.
Er ist hilflos, das appelliert an ihr "weibliches" Rettenwollen, aber gleichzeitig "super-männlich" durch seine Taten, seinen Körper vielleicht: So eine Mischung birgt ein erotisches Abenteuer, das auch "normalen" Liebenden nicht fremd ist. Die zentrale, nur scheinbar paradoxe Konstante ist aber wohl, dass die Frauen oft selbst Gewalterfahrungen haben – als Opfer.
Warnung vor selbstgerechten Schlüssen
Es ist noch immer ein Tabu, dass sich Frauen von Gewalt und Gewalttätern angezogen fühlen können. Elisabeth Pfister warnt aber auch vor selbstgerechten Schlüssen: "Frauen, die Verbrecher lieben, sind keine gestörten Exotinnen. Sie stehen für den – oft unbewussten – Kampf gegen die Verletzung weiblicher Integrität und den Versuch, ihrem Trauma zu entkommen. Wer will darüber richten, welches der politisch korrekte Weg dafür ist?"
Ein wichtiges Buch, das auch eine unangenehme Frage aufwirft: Warum gibt es eigentlich hierzulande bisher keine Forschung zu einem – keineswegs nur für Gender Studies – so brisanten Thema?

Elisabeth Pfister: Wenn Frauen Verbrecher lieben
Ch. Links Verlag, Berlin 2013
240 Seiten, 16,90 Euro