Sachbuch

Der Fußballkönig aus Neukölln

Ein Champions League-Ball.
Nur die Besten kommen auf den Platz. Lars Mrosko weiß auch, wie. © picture-alliance/ dpa / Stephen Pond
Von Thomas Jaedicke · 07.08.2015
Als Bundesliga-Scout hatte Lars Mrosko eine klare Mission: die perfekte Fußball-Elf zu finden. Dabei startete sein eigenes Leben alles andere als erfolgreich, wie Ronald Reng in seinem neuen Dokudrama "Mroskos Talente" beschreibt.
Ronald Reng hat eine große Vorliebe für eigenwillige Charaktere. Und wenn diese dann auch noch aus der schillernden Halbwelt des Fußballs kommen, beißt er natürlich an. Wo viele Kleindarsteller um wenige Hauptrollen kämpfen, gibt es viel zu erzählen. Und das kann Ronald Reng, auch über eine Strecke von mehr als 400 Seiten, ganz fabelhaft.
Nach Heinz Höher nun also Lars Mrosko. Wieder so eine Type wie aus dem Bilderbuch für liebenswerte Loser, die uns Reng in seinem neuen Buch, das eine Art Dokudrama ist, sehr, sehr nahe bringt. Aufgewachsen zwischen den steilen Hochhausschluchten der Neuköllner Gropiusstadt, begeht Mrosko schon mit 15 seinen ersten Bruch. Seine Fußballleidenschaft verhilft ihm jedoch parallel zu einer sich immer stärker abzeichnenden kriminellen Karriere auf wunderbare Weise im Jahr 2000 zu einem ersten Job im Fußballgeschäft: Er wird Talentscout für den FC Bayern München. Aber, so wie es sich für einen echten Jungen von der Straße gehört, geht es nicht lange gut mit dem deutschen Rekordmeister und Mrosko, dem kleinen König von Neukölln.
Ronald Reng hat das Buch zusammen mit Lars Mrosko erarbeitet. Befragt wurden viele Weggefährten aus Beruf und Privatleben. Entstanden ist ein sehr persönliches, genaues Psychogramm, das sich stellenweise fast wie ein Roman liest und viele Seiten Mroskos zeigt: Einerseits ist er ein hilfsbereiter, innerlich zutiefst zerrissener junger Mann, getrieben von dem Gefühl, es allen recht machen zu müssen, extrem ehrgeizig, ständig auf der Suche nach Anerkennung. Andererseits kann er auch ein gewalttätiger Hitzkopf sein, der sich oft, befeuert von einem übertriebenen Gerechtigkeitsgefühl, bis ins Extreme von seinen Emotionen lenken lässt, unfähig, seine Gefühle zu verarbeiten oder negative Erlebnisse abzuschütteln.
Heute trainiert Mrosko die A-Jugend des TSV Rudow
Ronald Reng erzählt aber nicht nur Lars Mroskos persönliche Geschichte. Durch die vielen Interviews mit kleinen und großen Darstellern der Fußballszene wird auch deutlich, wie radikal sich der Sport in den vergangenen 15 Jahren verändert hat. Trainer vom alten Schlag wie Felix Magath, mit dem Lars Mrosko beim VfL Wolfsburg im Meisterjahr 2009 eine große Zeit erlebte, wirken im modernen Fußball, der im Training immer mehr auf sachliche, wissenschaftlich fundierte Methoden setzt, wie endgültig aus der Zeit gefallen.
Vor anderthalb Jahren hat sich Lars Mrosko nach über zehn Jahren, in denen er als Scout und Spielerberater tätig war, aus dem Profigeschäft zurückgezogen. Die vielen Zurückweisungen, vergeblichen Anläufe und Demütigungen haben ihn müde gemacht. Lars Mrosko ist zu seinen Wurzeln zurückgekehrt, in die Gropiusstadt. Er trainiert die A-Jugend des TSV Rudow. "Als sie hinausgehen, knirschen ihre Stollenschuhe auf den Steinplatten zum Fußballplatz, es ist eines der schönsten Geräusche des Fußballs, jeder Spieler erkennt es sofort. Das Knirschen der Stollen klingt nach Aufbruch, nach Erwartung und Hoffnung."

Ronald Reng: Mroskos Talente – Das fabelhafte Leben eines Bundesligascouts
Piper, München 2015
416 Seiten, 20 Euro

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