Saarländischer Koalitionsbruch war "ohne Alternative"

Peter Stefan Herbst im Gespräch mit Marietta Schwarz |
Die nächsten Skandale bei der saarländischen FDP waren absehbar, das Ende der Koalition daher unausweichlich, meint Peter Stefan Herbst, Chefredakteur der "Saarbrücker Zeitung". Nach Parteiaustritten, Strafanzeigen und Dienstwagenaffären sei "das Fass übergelaufen".
Marietta Schwarz: Im Saarland ist Ende vergangener Woche die einzige "Jamaika"-Koalition in der Bundesrepublik zerbrochen - gescheitert, so sagte Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, an der FDP. Die CDU will jetzt Koalitionsgespräche mit den Sozialdemokraten führen. Aber es mehren sich auch die Stimmen für vorgezogene Neuwahlen. Das beschäftigt natürlich auch die "Saarbrücker Zeitung", und deren Chefredakteur Peter Stefan Herbst ist jetzt am Telefon. Guten Morgen!

Peter Stefan Herbst: Guten Morgen aus Saarbrücken!

Schwarz: Der Schritt der Ministerpräsidentin, die Koalition aufzulösen, war ja auch, Herr Herbst, mutig. Er könnte ihr eigenes Aus bedeuten. Oder wie würden Sie die Chancen bei Neuwahlen für die CDU einschätzen?

Herbst: Zweifellos ist Annegret Kramp-Karrenbauer ein gewisses Risiko eingegangen. Das war allerdings ohne Alternative, weil die nächsten Skandale bei der saarländischen FDP waren bereits absehbar. Der Verband ist völlig zerstritten. Austritte aus Partei und Fraktion, Strafanzeigen, Dienstwagenaffären, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, da ist einfach irgendwann mal das Fass übergelaufen.

Schwarz: Nun ist die FDP momentan gut als Sündenbock zu gebrauchen. War es wirklich nur die FDP, die sich fehl verhalten hat in dieser "Jamaika"-Koalition, oder gibt es auch noch andere Schuldige?

Herbst: Die FDP war sicherlich der Anlass für das Zerbrechen dieser "Jamaika"-Koalition. Es ist aber kein Geheimnis, dass die Grünen gerade zu Beginn dieser "Jamaika"-Koalition das Bündnis dominiert haben und natürlich auch das vielen in der CDU nicht gefallen hat. Die Grünen haben dieses Bündnis dominiert, weil es ja darum ging, sie zu dieser Koalition zu bewegen, und insofern hatten sie einen besonders starken Einfluss auf den Koalitionsvertrag.

Schwarz: Im Kommentar Ihrer Zeitung, der "Saarbrücker Zeitung", heißt es heute, Kramp-Karrenbauer habe das Heft des Handelns mit dieser Auflösung aus der Hand gegeben. Hätte sie denn irgendetwas anderes tun können?

Herbst: Nein, das glaube ich eben nicht. Sie hätte möglicherweise noch einige Tage oder Wochen weitermachen können mit dem Risiko, dass das Drama mit der FDP noch schlimmer geworden wäre. Deshalb war dies ohne Alternative. Aber es ist richtig: Sie hat das Heft des Handelns nicht mehr in der Hand. Jetzt entscheidet Heiko Maas und die saarländische SPD, ob es zu einer Großen Koalition kommt, oder zu Neuwahlen, wie wohl auch am Ende von Neuwahlen könnte eine Große Koalition stehen, dann möglicherweise mit einem Ministerpräsidenten Heiko Maas und einer CDU als Juniorpartner. Denn es gibt in der SPD zwar große Probleme, in eine Koalition mit der CDU einzusteigen, aber es gibt auch große Probleme, mit Oskar Lafontaine und den Linken zusammenzuarbeiten. Hier sind alle Wunden der Vergangenheit noch nicht verheilt.

Schwarz: Schauen wir doch noch mal genauer auf die SPD. Das haben Sie in Ihrer heutigen Ausgabe ja auch gemacht. Wäre denn eine Große Koalition aus deren Sicht glaubwürdig?

Herbst: Das ist schwierig. Sie haben zwei Komponenten. Einerseits hat die SPD immer wieder massiv gegen die CDU und auch gegen Annegret Kramp-Karrenbauer Position ergriffen. Da ist es schwierig zu kommunizieren, dass man mit dem, den man jahrelang angegriffen hat, jetzt eine Partnerschaft eingeht. Andererseits muss sich auch die SPD der Verantwortung für dieses Land stellen, und obwohl die SPD in Umfragen, in den letzten gerade, vor der CDU liegt, ist ja lange nicht ausgemacht, wie dies nach Neuwahlen wirklich aussehen würde. Wir wissen, dass auch innerhalb kürzester Zeit sich sehr viel verändern kann.

Schwarz: Sie haben ja jetzt auch noch mal genauer auf die FDP geschaut. Die ist verständlicherweise, würde ich fast sagen, sauer, denn diese Auflösung der Koalition fand ja zeitgleich mit dem Dreikönigstreffen der FDP statt. Da wird jetzt auch von einer Dolchstoßlegende geredet. Was halten Sie davon?

Herbst: Ich persönlich glaube nicht, dass es das Ziel von Annegret Kramp-Karrenbauer war, auch die Bundes-FDP zu treffen. Sie hat im Saarland aufgeräumt und etwas beendet, was nicht mehr fortzuführen war, und dabei billigend in Kauf genommen, dass auch auf Bundesebene das Verhältnis von CDU und FDP ein wenig mehr belastet ist. Aber es ist ja auch ohnehin schon belastet. Deshalb ist dieser zusätzliche Schaden sicherlich nicht ganz so schlimm.

Schwarz: Hat sie denn, Kramp-Karrenbauer, mit diesem Entschluss auch ein Signal an die Bundes-CDU, an Angela Merkel gesendet? Sehen Sie das so?

Herbst: Das würde ich nicht überbewerten. Ich glaube, wenn die schwarz-gelbe Koalition in Berlin kracht, dann kracht sie wegen Berlin und nicht wegen dem Saarland. Aber es ist natürlich ein weiterer schwarzer Fleck auf einer lange schon nicht mehr weißen Weste.

Schwarz: Peter Stefan Herbst war das von der "Saarbrücker Zeitung", der Chefredakteur.

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