S wie Schweiz

    Von Jürgen Liebing |
    Die Schweiz sollte mit Unterbrechungen für mehr als zwanzig Jahre Wagners Wahlheimat sein. Nicht zuletzt bot sie ihm Rettung, als er steckbrieflich gesucht wurde.
    "Mein liebes, treues Weib! Glücklich bin ich auf dem Schweizerboden angekommen! Ich hoffte Dir schon einen Tag früher von hier aus schreiben zu können, leider ging die Reise aber sehr langsam von statten, viel Aufenthalt usw."

    Das schrieb Richard Wagner am 28. Mai 1849 an seine Frau Minna, und er fügte erleichtert hinzu, so als sei ihm ein Stein vom Herzen gefallen:

    "Ich bin im Sichern!"

    Wagner befand sich auf der Flucht, denn am 16. Mai 1849, also knapp zwei Wochen zuvor, war sein Steckbrief von der Dresdner Polizei veröffentlicht worden.

    Bis zum letzten Moment befürchtete Wagner, verhaftet zu werden, erst als er auf dem Schiff war und es von Lindau am Bodensee abgelegt hatte, fühlte er sich einigermaßen vor dem Zugriff der Obrigkeit geschützt.

    Als der Komponist am Schweizer Ufer des Bodensees in Rorschach ankam, da hatte er mehr Glück als sein Opernheld Siegmund, der bei seiner Flucht ausgerechnet im Haus seines Feindes Hunding Unterschlupf gesucht hatte.

    Die Schweiz sollte mit Unterbrechungen für mehr als 20 Jahre Wagners Wahlheimat sein. Die meiste Zeit verbrachte er in Zürich – mehrere Jahre davon im sogenannten "Asyl", einem Gartenhaus neben der Villa der Familie Wesendonck. Diese Zeit endete, als die Liebschaft zwischen Wagner und Mathilde Wesendonck aufflog. Später wohnte er in Tribschen bei Luzern in einem stattlichen Haus. Erst 1872 sollte mit der Übersiedlung nach Bayreuth das Schweizer Kapitel endgültig abgeschlossen sein.

    In den Schweizer Jahren komponierte Wagner große Teils des "Rings", den "Tristan" und die "Meistersinger", verfasste zahlreiche theoretische Schriften und dirigierte Symphoniekonzerte und Opern.

    Aber Wagner war auch ein begeisterter Wanderer, zumindest in den ersten Züricher Jahren. In "Mein Leben" schreibt er:

    "Von Alpnach am Vierwaldstätter See aus trat ich die streng zu Fuß eingehaltene Wanderung an, und zwar nach einem Plane, welcher außer den Hauptpunkten des Berner Oberlandes mir besondere, weniger betretene Pfade durch die Alpenwelt anwies. Ich verfuhr hierbei ziemlich gründlich, indem ich z.B. im Berner Oberland auch das damals noch beschwerliche ‚Faulhorn‘ besuchte."

    Und Cosima notiert in ihrem Tagebuch:

    "Gestern sprach er über die Alpen, die erhabene Ruhe der Vegetationslosigkeit: ‚Wo noch ein Grashalm wächst, ist die Möglichkeit für Goethe und Schiller da: aber wo bloß Stein ist, da ist Ruhe, das ist der Platz der Götter."