Ruth Reinecke verlässt das Gorki-Theater

"Sich mit Hamlets Geist zu verabschieden, ist doch wunderbar"

11:58 Minuten
Die Schauspielerin Ruth Reinecke im Gorki in Berlin.
Vergangene Woche hatte Ruth Reinecke ihre letzte Premiere am Maxim Gorki Theater – darin spielt sie den Geist von Hamlets Vater. © imago images / tagesspiegel
Moderation: André Mumot · 08.02.2020
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40 Jahre lang war die Schauspielerin Ruth Reinecke am Berliner Maxim Gorki Theater. Nun verlässt sie das Haus. Sie selbst habe mit der Neuausrichtung der Bühne viel gelernt. Für Theaterensembles wünscht sie sich mehr Altersdiversität.
Ein großes Publikum kennt Ruth Reinecke aus ihrer Rolle als Marlene Kupfer in der ARD-Fernsehserie "Weißensee". Vor allem aber ist sie Theaterschauspielerin. Sie gehört seit gut 40 Jahren zum Ensemble des Berliner Maxim Gorki Theaters, das sie nun aber zur nächsten Spielzeit verlässt.
Vergangene Woche hatte sie ihre letzte Premiere am Haus, spielte den Geist von Hamlets Vater in Christian Weises aktueller Shakespeare-Inszenierung. Anfangs habe sie gezögert, diese Figur als letzte Rolle anzunehmen, dann aber gesagt: "Sich mit Hamlets Geist zu verabschieden, ist doch wunderbar. Weil das das Los aller Theaterschauspieler ist, dass sie irgendwann von der Bühne verschwinden."

Nicht nur nach ökonomischer Effizienz

Dass ältere Darstellerinnen und Darsteller in den Ensembles nur selten mit großen Rollen betraut werden, sieht Reinecke kritisch: "Es ist bundesweit zu beobachten, dass es keine Ensembles mehr gibt, wo die Generationen aufgefächert sind."
Ein Verlust, den es durchaus zu beklagen gelte. "Das geht schon lange so. Ich hoffe sehr, dass es da eine Veränderung gibt und sich die Theater nicht nur nach der ökonomischen Effizienz ein Theaterensemble zusammensuchen. Da wünsche ich mir einfach, dass es anders wird. Ich kann nur hoffen, dass die jungen Leute das auch einfordern. Das wäre das Allergrößte."
Seit der Spielzeit 2013/14 spielte Reinecke unter der Intendanz von Shermin Langhoff und Jens Hillje am Maxim Gorki Theater, das sich konzeptionell neu aufstellte, als postmigrantische Bühne, in der nicht zuletzt viele autobiografische und postdramatische Stückentwicklungen auf dem Spielplan standen. Eine Art des Theaters, die Reinecke völlig neue künstlerische Perspektiven eröffnet habe, die sie aber als Schauspielerin auch nicht ganz zufrieden stellen konnte: "Ich war eigentlich immer ein bisschen unterfordert", sagt sie. "Mein Potenzial ist da nicht angerufen und abgerufen worden." Sie habe sehr viel gelernt, auch über sich selbst: "Aber mein Herz ist das Spielen, das muss ich schon mal sagen".

Zeit für Urlaub nutzen

Vermissen werde sie die Bühne aber in jedem Fall: "Was man liebt am Theater, ist auch das ganze Drumherum: Wie komme ich in ein Haus, welche Kollegen treffe ich, wie durchgeschwitzt verlässt man eine Probe, wie sauer ist man über den Regisseur, wie findet man sich in einem Ensemble wieder, wie viel Leben geht auch da durch einen hindurch? Das werde ich alles sehr vermissen."
In die Zukunft schaut Ruth Reinecke trotzdem positiv, freue sich erstmal "auf eine bindungslose Zeit. Ich war noch nie im Frühjahr oder im Herbst vereist. Das kann man sich nicht vorstellen. Darauf freue ich mich auch. So ganz einfach."
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