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"Zur Eskalation gehört auch Entspannung"

Am Montag trauerte Russland um die Opfer der Brandkatastrophe von Kemerowo. Am selben Tag wiesen westliche Staaten im Fall Skripal russische Diplomaten aus. Der Spiegel-Journalist Dirk Kurbjuweit findet das pietätlos.
Beim Brand eines Einkaufszentrums in der sibirischen Stadt Kemerowo kamen mehr als 60 Menschen ums Leben, die meisten von ihnen Kinder. Diese Katastrophe habe man im Westen weniger wahrgenommen, sagt Dirk Kurbjuweit. Das sei einerseits menschlich, denn Mitgefühl habe mit Nähe zu tun. Andererseits sei es ungerecht, denn es gehe immer um Menschen und große Trauer:
"Ich fand das in dem Fall auch ziemlich pietätlos. Ich finde die Maßnahmen richtig, aber erst mal sozusagen einen Tag Mitgefühl ausdrücken den Russen - das hätte ich auch für die westlichen Staaten angebracht gefunden."
Zählen russische Opfer weniger?
Kurbjuweit erinnerte an den Anschlag auf ein russisches Passagierflugzeug durch den IS in Ägypten 2015: Damals seien 224 Menschen an Bord der Maschine gestorben: "Was hätten wir daraus gemacht, also wie sehr hätte es den Westen erschüttert, wenn das jetzt Franzosen, Amerikaner oder Deutsche gewesen wären? Es waren aber Russen, und damals haben die Medien das wirklich sehr klein gefahren."

Dirk Kurbjuweit, stellvertretender Chefredakteur des "Spiegel"© imago
Er erinnere sich auch noch an russische Politiker damals, die gesagt hätten: Zählen unsere Menschenleben eigentlich weniger als eure? "Dieser Eindruck sollte natürlich nicht aufkommen", so Kurbjuweit. Bei den "robusten Gegenmaßnahmen", mit denen der Westen auf den Giftanschlag auf den russischen Ex-Spion Skripal und dessen Tochter reagiert, komme es auf einzelne Tage nicht an:
"Was wir wirklich aus dem Kalten Krieg gelernt haben, ist, dass zur Eskalation auch Entspannung gehört. Und wenn man sich jetzt mal beharkt für ein paar Tage oder Wochen - das kann man ja machen. Aber da muss man immer im Blick haben, dass unbedingt die Entspannung dann der nächste Schritt ist."
(bth)