Russland

Prominentester Häftling Russlands kommt frei

Putin während seiner vierstündigen Jahrespressekonferenz
Putin während seiner vierstündigen Jahrespressekonferenz © picture alliance / dpa / Said Tcarnaev
Von Gesine Dornblüth  · 19.12.2013
Vier Stunden und fünf Minuten, das ist lange für eine Pressekonferenz, aber es war nicht mal Putins längste. Es ging natürlich um die Ukraine, um soziale Fragen, um die gerade von der Duma beschlossene Amnestie. Die wirkliche Nachricht kam erst zum Schluss: Putin will den ehemaligen Jukos-Manager Michail Chodorkowski, seit zehn Jahren in Haft, zwei Mal verurteilt und wohl der prominenteste politische Häftling in Russland, begnadigen.
Die Neuigkeit kam kurz nach der mehr als vierstündigen Pressekonferenz des russischen Präsidenten. Vladimir Putin antwortete auf die Frage eines Journalisten:
"Was Michail Chodorkowskij betrifft, habe ich schon früher gesagt, dass er ein Gnadengesuch stellen muss. Er hat das lange nicht getan, aber vor ganz kurzer Zeit hat er doch so ein Papier geschrieben und sich an mich mit der Bitte um Begnadigung gewandt.
Er hat mehr als zehn Jahre in Haft verbracht, das ist eine harte Strafe, er verweist auf humanitäre Umstände, seine Mutter ist krank, und ich meine, dass man diese Entscheidung treffen kann. In nächster Zeit wird ein Erlass über seine Begnadigung unterschrieben werden."
Nachricht kam überraschend
Für Chodorkowskis Eltern und auch für seine Anwälte kam die Nachricht offenbar überraschend. Ein Verteidiger des ehemaligen Yukos-Chefs teilte mit, er wisse nichts von einem Gnadengesuch. Auch die Begnadigungskommission in der Region Karelien, wo Chodorkowski einsitzt, hat, Medienberichten zufolge, kein Gesuch erhalten.
Normalerweise käme Chodorkowski im Sommer 2014 frei. In den letzten Wochen hatten sich aber die Hinweise darauf verdichtet, dass die Staatsanwaltschaft noch einen dritten Prozess gegen Chodorkowski vorbereitet. Im Rahmen dieses dritten Prozesses könnten, hieß es, auch diverse russische und internationale Experten und Manager angeklagt werden. Auch dazu äußerte sich Putin bei seiner Pressekonferenz:
"Was ein drittes Verfahren betrifft – ich kenne keine Details, aber aus der Distanz betrachtet, sehe ich da keine besonderen Perspektiven und verstehe auch nicht, wo die ganze Sache liegt. Ich habe gehört, dass darüber gesprochen wird, aber bisher sehe ich für niemanden eine Bedrohung."
Putin verurteilte Pussy-Riot-Auftritt erneut
Erst gestern hatte die Staatsduma auf Initiative Putins ein Amnestiegesetz verabschiedet, von dem weitere Kremlkritiker profitieren werden, zum Beispiel die beiden inhaftierten Aktivistinnen der Performance-Gruppe Pussy Riot. Putin verurteilte deren Auftritt in der Christ-Erlöser-Kathedrale heute erneut.
"Sie haben mir nie leid getan, weil sie in Haft mussten. Mir hat leid getan, dass es mit ihnen so weit gekommen ist, dass sie die Würde der Frauen beschmutzt haben. Um auf sich aufmerksam zu machen, war ihnen alles recht."
Ähnlich hart äußerte sich Putin über die dreißig Aktivisten von Greenpeace, die gleichfalls unter die Amnestie fallen. Die Umweltschützer au 19 Staaten hatten im September gegen die Ölförderung in der Arktis protestiert und waren daraufhin von russischen Sicherheitskräften festgenommen und angeklagt worden. Der Internationale Seegerichtshof in Hamburg hatte Russland wegen der Verhaftung der Crew verurteilt. Putin rechtfertigte das Vorgehen der russischen Behörden heute erneut.
"Den Leuten von Greenpeace ging es bei der Aktion nur darum, Aufmerksamkeit zu erregen. Oder es war der Versuch von Erpressung. Oder sie handelten im Auftrag eines Dritten, um uns an der Öl- und Gasförderung in der Arktis zu hindern. Was passiert ist, sollte ihnen eine Lehre sein."
Pressekonferenz verlief zahm
Insgesamt verlief die Pressekonferenz eher zahm. Vor einem Jahr noch hatten vor allem Moskauer Journalisten Putin mit kritischen Fragen bedrängt. Heute berichteten Journalisten aus den russischen Regionen von Korruption und Misswirtschaft und baten Putin, sich persönlich der Probleme dort anzunehmen.
Relativ viel Raum nahmen die Ereignisse in der Ukraine ein. Russland hat der Ukraine am Dienstag finanzielle Hilfe in Milliardenhöhe zugesichert. Putin verteidigte dieses Vorgehen.
"Ich sage Ihnen ganz ernst und ohne Ironie: Wir sprechen oft vom Bruderstaat oder dem Brudervolk. Die Ukraine befindet sich derzeit in einer schwierigen Situation, wirtschaftlich, sozial und politisch. Wenn wir die Ukraine wirklich als Brudervolk betrachten, dann müssen wir uns auch dementsprechend verhalten und das ukrainische Volk in dieser schwierigen Situation unterstützen. Mit dem Maidan oder den Verhandlungen der Ukraine mit der EU hat das nichts zu tun."