Russland

Patriotismus trotz Panama-Papiere

Sergej Roldugin (links) ist Cellist und gilt als Freund und Vertrauter der Familie von Russlands Präsident Wladimir Putin (rechts), aufgenommen 2009
Der Cellist Sergej Roldugin gilt als Vertrauter Putins. © dpa
Von Sabine Adler · 11.04.2016
Die Panama-Papiere haben in der russischen Führung einen Schulterschluss ausgelöst. Um den Putin-Jugendfreund Sergej Roldugin, der über eine Offshore-Firma zwei Milliarden Dollar besitzen soll, scharen sich die Verteidiger aus Politik und Kultur.
Es ist ein Reflex wie zu Sowjetzeiten: bei Vorwürfen, erst recht aus dem Ausland, greift die Wagenburgmentalität. Die Philosophin und Herausgeberin der "Neuen Literaturumschau" Irina Prochorowa sagt, dass man in Russland noch immer nicht gelernt hat, mit Kritik umzugehen.
"Unser Patriotismus wird immer an der Loyalität der Führung gegenüber gemessen. Und da sitzt man auch schon in der Klemme. Denn die Logik lautet: Wenn du den Präsidenten, die Führung kritisierst, kritisierst und verkaufst du die Heimat. Die Leute trennen das nicht. Zumal unsere militaristische Geschichte unverändert in der Schule gelehrt wird und jetzt noch die allgegenwärtige Propaganda hinzukommt."

"Kreml ist wegen Korruption bis auf die Knochen verfault"

Ilja Jaschin, enger Mitstreiter des vor einem Jahr ermordeten Oppositionspolitikers Boris Nemzow, schreibt auf der Internet-Kulturplattform Colta.ru, dass er um die an den Panama-Rechcherchen beteiligte unabhängige Zeitung "Nowaja Gaseta" fürchtet:
"Jetzt tauchen Beweise für die totale Verschmelzung von Geschäft und Macht auf. Die Bereicherung der engsten Umgebung Putins ist eine Tatsache, ebenso die Korruption. Es ist verständlich dass deine Freunde Dollarmillionäre werden, wenn du Präsident wirst. Der Kreml ist wegen der Korruption bis auf die Knochen verfault. Diese Regierung rächt sich, solche Sachen lässt sie nicht zu und sie duldet sie nicht. Das betrifft nicht nur Journalisten, auch Aktivisten und Oppositionspolitiker."
Niemand in Russland hat breitere Schultern als Wladimir Putin, um sich vor den beschuldigten Cellisten Sergej Roldugin zu stellen. Dass der verdiente Künstler des Volkes, Dirigent, Musikprofessor und Jugendfreund des russischen Präsidenten Geschäften nachging, bestreitet er nicht.
"Nun, um welches Business handelt es sich? Er ist Minderheitsaktionär in einer unserer Firmen. Und da erwirtschaftet er etwas Geld. Aber doch keine Milliarden. Blödsinn. Ich bin stolz auf solche Leute wie Sergej Pawlowitsch, nicht, weil wir Freunde sind, sondern weil er fast das gesamte Geld, das er erarbeitet, für den Kauf von Instrumenten anlegt und sie nach Russland bringt. Teure Sachen. Wir begrüßen immer, wenn jemand so etwas tut. Aber er geht noch weiter. Er übergibt die Instrumente in den Besitz des Staates. Seit Jahren organisiert er Konzerte im Ausland und bezahlt sie mit seinen Mitteln. Je mehr solcher Leute es gibt, desto besser. Ich bin stolz darauf, solche Freunde zu haben."

"Ich wollte immer das Allerbeste"

Ein solcher Freund wird unterstützt, mit einer orchestrierten Verurteilung der Enthüllungen durch die Staatsmedien. Für das Kamerateam des "Ersten Kanals" werden millionenteure Instrumente hervorgeholt, werden die Flügeltüren im Petersburger Haus der Musik geöffnet, das Roldugin aufwendig restaurieren ließ.
"Das ist der fantastische Saal des französischen Königs, Ludwig XXVI. , ein Ballsaal. Die Kronleuchter sind original. Das Parkett besteht aus acht unterschiedlichen Holzsorten."
Die Panama-Papiere gelten als Angriff auf Russland, obwohl auch viele andere Staaten betroffen sind. Sie haben keine Recherche- sondern eine Rechtsfertigungswelle ausgelöst. Die Vorwürfe werden nicht geprüft, sondern zurückgewiesen. Die offizielle Lesart: Mäzen haben Roldugin Firmenanteile offeriert, damit er nicht weiter Klinken putzen muss.
"Ich bin überall betteln gegangen, denn alles ist teuer. Die Instrumente, die Professoren, wenn man die besten holen möchte. Und ich wollte die allerbesten Instrumente, die allerbesten Professoren, die allerbesten Konzertsäle. Ich wollte immer das Allerbeste für unsere russischen Musikschüler."
Pawel Malotin, ein angeblich von dem berühmten Cellisten selbst entdeckter Geiger aus der sibirischen Stadt Perm, schätzt sich glücklich, auf einer millionenschweren Violine gebaut im Jahre 1801 spielen zu dürfen.
"Das ist die Verlängerung meiner Hand, und wenn man so will, meiner Seele, meines Herzes."
Roldugin scheut keine noch so hohe Ausgabe für ein gutes Instrument. Der Leiter der Eremitage in Sankt Petersburg, Michail Piotkowski, sagt über den Künstlerkollegen für das russische Fernsehen:
"Er ist ein ausgezeichneter Musiker und er ist ein Geschäftsmann, dem es im Unterschied zu vielen in der Kultur gelingt, Geld zu finden für diese großartigen Instrumente. Und die sind eben teurer als viele Exponate, die ein Museum kauft."
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