Russland in der Finanzkrise
Die internationale Finanzkrise hat weltweit Milliardenvermögen ausradiert, einige Staaten und Großbanken in den Bankrott gestürzt und der Weltwirtschaft eine globale Rezession beschert. Doch in Russland beruhigte das neue Tandem im Kreml - Präsident Dmitri Medwedew und Premier Wladimir Putin - die Bevölkerung, dass ihr Land keine großen Probleme zu befürchten brauche.
Die seit acht Jahren gebunkerten Milliarden von Petrodollars aus dem Energieexportgeschäft hätten das Land gegen die Finanzkrise immun gemacht. Für Putin kam die internationale Finanzkrise sogar zur rechten Zeit, um die globale Vorherrschaft der USA in der Weltpolitik zu terminieren. Das Ziel der Begründung einer multipolaren Weltordnung konnte endlich in Angriff genommen werden.
Ein erster Bericht des Internationalen Währungsfonds vom September gab Putin Recht. Er ging davon aus, dass sich das Wirtschaftswachstum in den sogenannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) fortsetzen, während das in der Europäischen Union zum Stillstand kommen würde. Russland konnte in der Tat auf einen Stabilitätsfonds in Höhe von fast 700 Milliarden US-Dollar zurückgreifen, aus dem die Regierung die auftretenden Brände löschen würde.
Darüber hinaus, so die Experten, besaß Russland alle diejenigen strategisch wichtigen Rohstoffe, die andere Kontinente und Länder des Planeten für ihre Existenzsicherung benötigten. Für Russland wären diese "assets" die beste "Altersvorsorge" für die Zukunft. Schließlich hieß es, Russland sei noch nicht so weit in die internationale Weltwirtschaft integriert, um von den Finanzproblemen der USA infiziert zu werden.
Im Oktober kollabierte die russische Börse. Zuvor mussten westliche Banken - aufgrund der eigenen Liquiditätskrise - ihre Kredite an private Unternehmen in Russland einstellen. Das führte zum Stopp zahlreicher Investitionsprojekte im Land. Es kam zu Massenentlassungen und radikalen Einkommensrückgängen. Die russischen Großunternehmer, die alle ihre Geschäfte über Pump finanziert hatten, standen plötzlich vor dem wirtschaftlichen Aus.
Nun baten sie den Staat um Hilfe. Dieser half jedoch nur Wirtschaftszweigen, die für die strategische Entwicklung des Landes wichtig waren - zum Beispiel dem Energiesektor. Der Staat stellte den Konzernen ein Hilfspaket von 100 Milliarden US-Dollar zur Verfügung, damit diese ihre Auslandsschulden tilgen konnten. Die größte Gefahr für die russische Wirtschaft ist die Verstaatlichungswelle, die nun allen angeschlagenen Firmen droht.
Im November fiel der internationale Ölpreis von 140 US-Dollar pro Barrel auf unter 50 US-Dollar. Sollte der Verfall des Ölpreises anhalten, kann Russland seine ambitionierten Modernisierungspläne nicht realisieren. Nun muss sich zeigen, inwieweit die Wirtschaft sich von ihrer Rohstoffexportabhängigkeit befreit hat.
Offenbar kam es Anfang November in Moskau zu Unstimmigkeiten darüber, wie das Rettungspaket geschnürt werden sollte. Präsident Medwedew trat dafür ein, den Stabilitätsfonds für die soziale Absicherung großer Teile der Bevölkerung und des Mittelstandes zu nutzen und ambitionierte Rüstungs- und Industrieinfrastrukturprojekte hinten anzustellen. Die Lobby der Geheimdienste wollte dagegen die große Chance nutzen, solange das Geld im Stabilitätsfonds reichte, die billig gewordenen privaten Industrieanlagen in Russland, aber auch in den von der Finanzkrise noch stärker bedrohten ehemaligen Sowjetrepubliken, aufzukaufen. Die Idee eines internationalen Gaskartells unter russischer Führung wurde geboren.
Dann schlug Medwedew in seiner Rede zur Lage der Nation eine umfassende Verfassungsänderung vor, die einerseits Parlamenten auf allen Ebenen mehr Einfluss geben, gleichzeitig die Vollmachten des Präsidenten ausweiten sollte. Für seine Person konnte der gerade einmal ein halbes Jahr regierende Medwedew die Forderungen nach größerer Machtfülle wohl kaum gestellt haben. Somit erhielten die Spekulationen neue Nahrung, wonach Putin die Lust verloren hatte, in Zeiten der Krise, die sich sehr schnell in sozialen Unmut verwandeln konnte, auf dem Schleudersitz des Premierministers zu verharren. Offensichtlich strebt Putin wieder nach dem Präsidentenamt, um, im heftigen Sturm der Wirtschaftskrise, sein Modernisierungs- und Großmachtprojekt Russland zu retten.
Noch ist verfrüht zu sagen, wer mit den wenigsten Blessuren der Finanzkrise entkommen kann. Russland steht nicht vor dem Kollaps wie während der Wirtschaftskrise vor genau zehn Jahren. Angesichts der sich fortsetzenden Wirtschaftswachstumsraten in den asiatischen Ländern ist mit einem völligen Absturz des internationalen Ölpreises nicht zu rechnen. Ein Ölpreis von über 50 US-Dollar pro Barrel sichert Russlands Überleben.
Doch die globale Finanzkrise hat auch eine positive Dimension einer Kooperation aller Staaten der Welt aufgezeigt. Und die Liquiditäts- und Kreditkrise der russischen Wirtschaft hat offenbart: Russland kann seine Modernisierung nicht ohne ausländisches Investitionskapital bewerkstelligen. Diese Einsicht wird positive Folgen für künftige Kooperationsprojekte haben.
Alexander Rahr, MA in Geschichte und Politikwissenschaft, arbeitete zunächst bei Radio Freies Europa und am Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien in Köln. Heute ist er Programmdirektor Russland/Eurasien bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. Er schrieb Biografien über Gorbatschow und Putin und zuletzt zum Thema: "Russland gibt Gas".
Ein erster Bericht des Internationalen Währungsfonds vom September gab Putin Recht. Er ging davon aus, dass sich das Wirtschaftswachstum in den sogenannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) fortsetzen, während das in der Europäischen Union zum Stillstand kommen würde. Russland konnte in der Tat auf einen Stabilitätsfonds in Höhe von fast 700 Milliarden US-Dollar zurückgreifen, aus dem die Regierung die auftretenden Brände löschen würde.
Darüber hinaus, so die Experten, besaß Russland alle diejenigen strategisch wichtigen Rohstoffe, die andere Kontinente und Länder des Planeten für ihre Existenzsicherung benötigten. Für Russland wären diese "assets" die beste "Altersvorsorge" für die Zukunft. Schließlich hieß es, Russland sei noch nicht so weit in die internationale Weltwirtschaft integriert, um von den Finanzproblemen der USA infiziert zu werden.
Im Oktober kollabierte die russische Börse. Zuvor mussten westliche Banken - aufgrund der eigenen Liquiditätskrise - ihre Kredite an private Unternehmen in Russland einstellen. Das führte zum Stopp zahlreicher Investitionsprojekte im Land. Es kam zu Massenentlassungen und radikalen Einkommensrückgängen. Die russischen Großunternehmer, die alle ihre Geschäfte über Pump finanziert hatten, standen plötzlich vor dem wirtschaftlichen Aus.
Nun baten sie den Staat um Hilfe. Dieser half jedoch nur Wirtschaftszweigen, die für die strategische Entwicklung des Landes wichtig waren - zum Beispiel dem Energiesektor. Der Staat stellte den Konzernen ein Hilfspaket von 100 Milliarden US-Dollar zur Verfügung, damit diese ihre Auslandsschulden tilgen konnten. Die größte Gefahr für die russische Wirtschaft ist die Verstaatlichungswelle, die nun allen angeschlagenen Firmen droht.
Im November fiel der internationale Ölpreis von 140 US-Dollar pro Barrel auf unter 50 US-Dollar. Sollte der Verfall des Ölpreises anhalten, kann Russland seine ambitionierten Modernisierungspläne nicht realisieren. Nun muss sich zeigen, inwieweit die Wirtschaft sich von ihrer Rohstoffexportabhängigkeit befreit hat.
Offenbar kam es Anfang November in Moskau zu Unstimmigkeiten darüber, wie das Rettungspaket geschnürt werden sollte. Präsident Medwedew trat dafür ein, den Stabilitätsfonds für die soziale Absicherung großer Teile der Bevölkerung und des Mittelstandes zu nutzen und ambitionierte Rüstungs- und Industrieinfrastrukturprojekte hinten anzustellen. Die Lobby der Geheimdienste wollte dagegen die große Chance nutzen, solange das Geld im Stabilitätsfonds reichte, die billig gewordenen privaten Industrieanlagen in Russland, aber auch in den von der Finanzkrise noch stärker bedrohten ehemaligen Sowjetrepubliken, aufzukaufen. Die Idee eines internationalen Gaskartells unter russischer Führung wurde geboren.
Dann schlug Medwedew in seiner Rede zur Lage der Nation eine umfassende Verfassungsänderung vor, die einerseits Parlamenten auf allen Ebenen mehr Einfluss geben, gleichzeitig die Vollmachten des Präsidenten ausweiten sollte. Für seine Person konnte der gerade einmal ein halbes Jahr regierende Medwedew die Forderungen nach größerer Machtfülle wohl kaum gestellt haben. Somit erhielten die Spekulationen neue Nahrung, wonach Putin die Lust verloren hatte, in Zeiten der Krise, die sich sehr schnell in sozialen Unmut verwandeln konnte, auf dem Schleudersitz des Premierministers zu verharren. Offensichtlich strebt Putin wieder nach dem Präsidentenamt, um, im heftigen Sturm der Wirtschaftskrise, sein Modernisierungs- und Großmachtprojekt Russland zu retten.
Noch ist verfrüht zu sagen, wer mit den wenigsten Blessuren der Finanzkrise entkommen kann. Russland steht nicht vor dem Kollaps wie während der Wirtschaftskrise vor genau zehn Jahren. Angesichts der sich fortsetzenden Wirtschaftswachstumsraten in den asiatischen Ländern ist mit einem völligen Absturz des internationalen Ölpreises nicht zu rechnen. Ein Ölpreis von über 50 US-Dollar pro Barrel sichert Russlands Überleben.
Doch die globale Finanzkrise hat auch eine positive Dimension einer Kooperation aller Staaten der Welt aufgezeigt. Und die Liquiditäts- und Kreditkrise der russischen Wirtschaft hat offenbart: Russland kann seine Modernisierung nicht ohne ausländisches Investitionskapital bewerkstelligen. Diese Einsicht wird positive Folgen für künftige Kooperationsprojekte haben.
Alexander Rahr, MA in Geschichte und Politikwissenschaft, arbeitete zunächst bei Radio Freies Europa und am Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien in Köln. Heute ist er Programmdirektor Russland/Eurasien bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. Er schrieb Biografien über Gorbatschow und Putin und zuletzt zum Thema: "Russland gibt Gas".

Alexander Rahr, Russlandexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.© Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V