Russland

Erfolg an der Newa

Von Heide Rasche |
Sankt Petersburg war schon immer die Stadt der Kultur und der Kreativen. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Hier ist es für junge Kreative einfacher, sich selbständig zu machen. Der Erfolg ist an vielen Stellen der Stadt zu sehen, kleine, feine Restaurants, Büchershops und ausgefallene Designerläden beleben die historische Altstadt.
Den Eingang zum Taiga finden nur Eingeweihte: Lediglich ein kleiner Schriftzug an der Eingangstür deutet darauf hin, was sich hinter der Fassade des etwas herunter-gekommenen Hauses aus dem frühen 18. Jahrhundert befindet. Ursprünglich residierte hier ein enger Mitarbeiter Zar Peters des Großen, heute bieten 25 Start-up-Unternehmen ihre Dienste an. Unter anderem Architekten, ein Internetradio, ein kleiner Buchladen, ein Hostel, ein Fotostudio, ein Café, ein Friseur, ein Optiker, eine kleine Boutique und ein Gitarrengeschäft. Die Idee für dieses Projekt hatten Alina Selesnjowa und Mark Kalinin. Ihr großes Vorbild ist das autonome Wohnprojekt und Kultur-zentrum Köpi in Berlin-Mitte.
Alina Selesnjowa; Besitzerin:"Als wir dahin kamen, haben wir gedacht: Wie kann das sein?"
Mark Kalinin, Besitzer: "Wir haben uns überlegt, wenn es die Punker schaffen, ihren Alltag da gut zu organisieren und ganz normal zu leben, warum soll das eigentlich bei uns in die Hose gehen?!"
So etwas wollten die beiden auch in ihrer Heimatstadt haben. Sie mieteten ein leerstehendes Haus an der Newa und krempelten die Ärmel hoch.
Auf einer Baustelle gelebt
Mark Kalinin, Besitzer: "Und schon am erstem Tag haben wir Arbeitskleidung angezogen und - Ab! An die Arbeit. Im ersten halben Jahr haben wir so richtig auf einer Baustelle gelebt. Dann haben alle allmählich ihre eigenen Projekte gemacht."
Das war vor drei knapp drei Jahren. Inzwischen haben sich hier 25 kleine Start-up-Unternehmen zusammengeschlossen, beschäftigen 135 Mitarbeiter. Ein Raum nach dem anderen wird liebevoll restauriert, immer, wenn etwas Geld da ist. Der ganze Stolz der beiden ist der große Saal, das Herzstück des Hauses, mit gut erhaltener Stuckdecke und Parkettboden. Platz genug für Hausversammlungen, Partys und den nötigen sportlichen Ausgleich, erzählt die 30-jährige Alina.
Alina Selesnjowa; Besitzerin: "Diese Tischtennisplatte steht hier für unsere Freunde, weil einige von uns immer vor dem Rechner sitzen müssen. Wir wollten hier sogar schon mal einen Wettkampf organisieren, aber die Jungs wollten uns nicht mit dabei haben! Wir waren beleidigt und das Spiel wurde gestrichen."
Lage des Gebäudes ist perfekt
Direkt vom großen Saal gelangen die Besucher in einen kleinen Geschäftsraum, randvoll mit ausgefallenem Schmuck, fantasievollen Handtaschen, extravaganter Kleidung und mit einem atemberaubenden Blick auf die Peter- und Paulsfestung.
Alina Selesnjowa; Besitzerin: "Und das ist der schönste Ausblick aus dem Taiga! Das ist Veronika, eine der Inhaberinnen des Ladens, die beiden kennen die meisten russischen Mode-Designer. Sie haben ihre Sachen hier zusammengetragen. Die Idee ist, russisches Design hier im Taiga zu fördern."
Und beim Stadtfest trifft sich natürlich die gesamt Taiga-Belegschaft hier, um das Feuerwerk über der Newa zu bewundern. Die Lage des Gebäudes ist nahezu perfekt, Angst, dass ein großer Investor ihnen das Objekt abspenstig machen könnte, hat der 28-jährige Mark nicht
"Die Räume sind sehr klein und wenn ein Bank oder andere zahlungskräftige Interessenten es mieten wollten, dann müssten sie erstmal viel Geld investieren für eine richtige Generalüberholung. Hier gibt es keine Parkplätze, die elektrische Spannung ist niedrig..Es gibt viele Gründe."
Der Vermieter habe von Anfang an gesagt, der Vertrag könne nur auf Zeit abgeschlossen werden, aber noch gehe doch alles gut, lächelt Mark optimistisch. Er und seine Freundin wollen noch so lange wie möglich hier bleiben, arbeiten und leben. Trotz aller Nachteile. Das hier, so erzählen die beiden, das sei ihre Idee von einem schönen Leben.