"Russland braucht Medienfreiheit und Demokratie"
Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende, Andreas Schockenhoff, hat Russland aufgefordert, Medienfreiheit und unabhängiges zivilgesellschaftliches Engagement zuzulassen. Nicht-Regierungsorganisationen seien durch Gesetze und bürokratische Übergriffe in ihrer Entfaltung eingeschränkt, kritisierte Schockenhoff vor dem heutigen Antrittsbesuch des neuen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew in Berlin.
Hanns Ostermann: Vom Kreml ins Bundeskanzleramt. Knapp einen Monat nach seiner Vereidigung kommt der russische Präsident Dimitri Medwedew heute nach Berlin zum Antrittsbesuch. Es ist sein erster Abstecher in dieser Funktion in einem westlichen Staat und erst seine zweite Auslandsreise überhaupt. Zuvor war der Putin-Nachfolger in China und Kasachstan. Man darf davon ausgehen, dass Frau Merkel und ihr Gast höchstens am Rande über die Fußball-Europameisterschaft reden werden. Auch die Russen sind ja qualifiziert. Es dürfte stattdessen um schwergewichtige Themen wie die Menschenrechts- und Demokratiedefizite in Russland und um Energiefragen gehen. Andreas Schockenhoff ist der Koordinator für die deutsch-russische Zusammenarbeit. Den CDU-Politiker begrüße ich um 6.51 Uhr am Telefon. Guten Morgen, Herr Schockenhoff!
Andreas Schockenhoff: Guten Morgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Ist es ein vielversprechendes Zeichen, dass der neue erste Mann Russlands so schnell nach Deutschland reist?
Schockenhoff: Das ist ein gutes Zeichen. Wir haben jetzt die Chance, das Nachfolgeabkommen zum Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit Russland anzugehen. Die EU hat die Voraussetzungen für die Verhandlungen geschaffen. Dabei geht es nicht nur um Energie und Wirtschaftsfragen, sondern um eine umfassende Zusammenarbeit auch in Wissenschaft und Kultur, in der Zivilgesellschaft, in der Frage Rechtsstaat, Demokratie, also umfassende, breite Zusammenarbeit.
Ostermann: Bei der Zusammenarbeit, wie sollte die Kanzlerin mit Kritik an russischen Demokratiedefiziten umgehen?
Schockenhoff: Medwedew hat selbst in viel beachteten Reden vor seiner Wahl eine besondere Betonung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Zivilgesellschaft, Freiheit, Bürgerrechten hervorgehoben. Und wir sollten ihn beim Wort nehmen. Russland macht es übrigens nicht, um uns im Westen einen Gefallen zu tun, sondern Russland braucht es für seine eigene innere Entwicklung. Wenn Russland den Wandel zu einem wettbewerbsfähigen Staat vollziehen will, dann muss es das Potenzial seiner Bürger besser und vollständiger nutzen und ihnen dafür Freiräume schaffen. Ohne eine starke und unabhängige Zivilgesellschaft, eine kritische Öffentlichkeit, und ohne unabhängige Medien kann es kein modernes Russland geben.
Ostermann: Sind Sie sicher, dass Frau Merkel ähnlich klare Worte findet wie Sie?
Schockenhoff: Frau Merkel hat es in der Vergangenheit auch gegenüber Präsident Putin getan. Wir tun das in einer Atmosphäre der Partnerschaft, nicht anklagend und nicht durch Drohungen. Sondern wir selbst haben ein Interesse an einem modernen, demokratischen Russland. Und deshalb werden wir das in angemessener Form ansprechen.
Ostermann: Aber, Herr Schockenhoff, wo fehlt es den Russen aus Ihrer Sicht an Rechtsstaatlichkeit?
Schockenhoff: Das geht vor allem bei der Medienfreiheit, es geht vor allem auch durch ein Gesetz zu Nichtregierungsorganisationen, das viele Organisationen durch bürokratische Übergriffe in ihrer Entfaltungsmöglichkeit einschränkt. Unter Putin war die Demokratisierung eher nachrangig. Viel wichtiger war ihm, den Staat nach den Jahren der Wirren zum Ende der Jelzin-Zeit zu stärken. Jetzt hat Russland aber ein Stabilitätsniveau erreicht, dass es mehr Pluralismus und Öffnung zulassen kann.
Ostermann: Die Frage ist ja, Medwedew als erster Mann Russlands, ist er das nur auf dem Papier? Zieht Putin nicht doch noch die entscheidenden Fäden?
Schockenhoff: Medwedew ist der gewählte Präsident und wird dieses Amt voll ausfüllen. Wir sollten ihn nicht nur als eine Marionette betrachten, dazu war er in der Vergangenheit schon in der Kreml-Verwaltung zu stark.
Ostermann: Sie haben schon den Partnerschaftsvertrag zwischen der EU und Moskau angesprochen. Es geht natürlich entscheidend auch um Energiefragen. Hat der Westen hier nicht schon eine Abhängigkeit von den Russen erreicht, die uns eigentlich Sorgen machen muss?
Schockenhoff: Die Abhängigkeit wird in der Zukunft wachsen. Aber es ist eine gegenseitige Abhängigkeit. Auch Russland ist auf die Märkte in Europa angewiesen. Und vor allem ist Russland auf die Europäische Union als Modernisierungspartner angewiesen, wenn es seine Infrastruktur, seine Wirtschaft wirklich zu einem modernen, wettbewerbsfähigen Industriestaat ausbauen will.
Ostermann: Aber ist unsere Abhängigkeit von der Energie, ist unsere Abhängigkeit nicht größer als die umgekehrt?
Schockenhoff: Sie ist es dann nicht, wenn die Europäische Union mit einer Stimme spricht und mit ihrer Marktmacht auch politisch einheitlich auftritt. Deswegen müssen wird die rein bilaterale Energiezusammenarbeit überwinden und uns in der Europäischen Union auf eine einheitliche Haltung gegenüber Russland einigen.
Ostermann: Das ist die europäische Aufgabe und zugleich geht es ja auch um andere sensible Fragen im Gespräch mit dem russischen Präsidenten. Ich denke da nur an den Atomstreit mit dem Iran oder die Lage im Kosovo. Das sind Problemfelder, auf denen Moskau andere Positionen hat und vertritt als die Europäer. Wie tief ist da der Graben?
Schockenhoff: Es gibt Interessengegensätze. Das zeigt aber auch, dass wir solche globalen Herausforderungen nur gemeinsam lösen können. Russland ist ein schwieriger Partner. Aber gegen Russland werden wir die Fragen wie Umweltschutz, Klimawandel, aber auch Sicherheitsfragen in unserer gemeinsamen Nachbarschaft, Sie haben zwei Beispiele genannt, nicht lösen. Wir können es nur mit Russland, und deswegen setzen wir darauf, dass Russland ein konstruktiver Partner in internationalen Fragen wird.
Ostermann: Ich danke Ihnen für das Gespräch! Andreas Schockenhoff von der CDU war das, der Koordinator für die deutsch-russische Zusammenarbeit.
Das Gespräch mit Andreas Schockenhoff können Sie bis zum 5.11.2008 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.
Andreas Schockenhoff: Guten Morgen, Herr Ostermann!
Ostermann: Ist es ein vielversprechendes Zeichen, dass der neue erste Mann Russlands so schnell nach Deutschland reist?
Schockenhoff: Das ist ein gutes Zeichen. Wir haben jetzt die Chance, das Nachfolgeabkommen zum Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit Russland anzugehen. Die EU hat die Voraussetzungen für die Verhandlungen geschaffen. Dabei geht es nicht nur um Energie und Wirtschaftsfragen, sondern um eine umfassende Zusammenarbeit auch in Wissenschaft und Kultur, in der Zivilgesellschaft, in der Frage Rechtsstaat, Demokratie, also umfassende, breite Zusammenarbeit.
Ostermann: Bei der Zusammenarbeit, wie sollte die Kanzlerin mit Kritik an russischen Demokratiedefiziten umgehen?
Schockenhoff: Medwedew hat selbst in viel beachteten Reden vor seiner Wahl eine besondere Betonung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Zivilgesellschaft, Freiheit, Bürgerrechten hervorgehoben. Und wir sollten ihn beim Wort nehmen. Russland macht es übrigens nicht, um uns im Westen einen Gefallen zu tun, sondern Russland braucht es für seine eigene innere Entwicklung. Wenn Russland den Wandel zu einem wettbewerbsfähigen Staat vollziehen will, dann muss es das Potenzial seiner Bürger besser und vollständiger nutzen und ihnen dafür Freiräume schaffen. Ohne eine starke und unabhängige Zivilgesellschaft, eine kritische Öffentlichkeit, und ohne unabhängige Medien kann es kein modernes Russland geben.
Ostermann: Sind Sie sicher, dass Frau Merkel ähnlich klare Worte findet wie Sie?
Schockenhoff: Frau Merkel hat es in der Vergangenheit auch gegenüber Präsident Putin getan. Wir tun das in einer Atmosphäre der Partnerschaft, nicht anklagend und nicht durch Drohungen. Sondern wir selbst haben ein Interesse an einem modernen, demokratischen Russland. Und deshalb werden wir das in angemessener Form ansprechen.
Ostermann: Aber, Herr Schockenhoff, wo fehlt es den Russen aus Ihrer Sicht an Rechtsstaatlichkeit?
Schockenhoff: Das geht vor allem bei der Medienfreiheit, es geht vor allem auch durch ein Gesetz zu Nichtregierungsorganisationen, das viele Organisationen durch bürokratische Übergriffe in ihrer Entfaltungsmöglichkeit einschränkt. Unter Putin war die Demokratisierung eher nachrangig. Viel wichtiger war ihm, den Staat nach den Jahren der Wirren zum Ende der Jelzin-Zeit zu stärken. Jetzt hat Russland aber ein Stabilitätsniveau erreicht, dass es mehr Pluralismus und Öffnung zulassen kann.
Ostermann: Die Frage ist ja, Medwedew als erster Mann Russlands, ist er das nur auf dem Papier? Zieht Putin nicht doch noch die entscheidenden Fäden?
Schockenhoff: Medwedew ist der gewählte Präsident und wird dieses Amt voll ausfüllen. Wir sollten ihn nicht nur als eine Marionette betrachten, dazu war er in der Vergangenheit schon in der Kreml-Verwaltung zu stark.
Ostermann: Sie haben schon den Partnerschaftsvertrag zwischen der EU und Moskau angesprochen. Es geht natürlich entscheidend auch um Energiefragen. Hat der Westen hier nicht schon eine Abhängigkeit von den Russen erreicht, die uns eigentlich Sorgen machen muss?
Schockenhoff: Die Abhängigkeit wird in der Zukunft wachsen. Aber es ist eine gegenseitige Abhängigkeit. Auch Russland ist auf die Märkte in Europa angewiesen. Und vor allem ist Russland auf die Europäische Union als Modernisierungspartner angewiesen, wenn es seine Infrastruktur, seine Wirtschaft wirklich zu einem modernen, wettbewerbsfähigen Industriestaat ausbauen will.
Ostermann: Aber ist unsere Abhängigkeit von der Energie, ist unsere Abhängigkeit nicht größer als die umgekehrt?
Schockenhoff: Sie ist es dann nicht, wenn die Europäische Union mit einer Stimme spricht und mit ihrer Marktmacht auch politisch einheitlich auftritt. Deswegen müssen wird die rein bilaterale Energiezusammenarbeit überwinden und uns in der Europäischen Union auf eine einheitliche Haltung gegenüber Russland einigen.
Ostermann: Das ist die europäische Aufgabe und zugleich geht es ja auch um andere sensible Fragen im Gespräch mit dem russischen Präsidenten. Ich denke da nur an den Atomstreit mit dem Iran oder die Lage im Kosovo. Das sind Problemfelder, auf denen Moskau andere Positionen hat und vertritt als die Europäer. Wie tief ist da der Graben?
Schockenhoff: Es gibt Interessengegensätze. Das zeigt aber auch, dass wir solche globalen Herausforderungen nur gemeinsam lösen können. Russland ist ein schwieriger Partner. Aber gegen Russland werden wir die Fragen wie Umweltschutz, Klimawandel, aber auch Sicherheitsfragen in unserer gemeinsamen Nachbarschaft, Sie haben zwei Beispiele genannt, nicht lösen. Wir können es nur mit Russland, und deswegen setzen wir darauf, dass Russland ein konstruktiver Partner in internationalen Fragen wird.
Ostermann: Ich danke Ihnen für das Gespräch! Andreas Schockenhoff von der CDU war das, der Koordinator für die deutsch-russische Zusammenarbeit.
Das Gespräch mit Andreas Schockenhoff können Sie bis zum 5.11.2008 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören.