Russell Davies leitet das Orchestra della Svizzera Italiana

Bach elektronisch gedacht

Der Dirigent Dennis Russell Davies
Der Dirigent Dennis Russell Davies © Reinhard Winkler/Patrick Garvey Management
09.12.2016
Barockmusik im Format eines Sinfonieorchesters klingt schlank und dennoch prächtig - das Orchester der Italienischen Schweiz spielte unter Dennis Russell Davies Johann Sebastian Bachs "Kunst der Fuge", Pergolesis Concertino Nr. 3 und andere Werke in den Orchestrierungen von Hermann Scherchen und Bruno Maderna.
Eine Hommage an Hermann Scherchen gehört unbedingt nach Lugano und in das Tessin. Im Juni vor fünfzig Jahren starb der aus Berlin stammende Künstler. Hier in der italienischen Schweiz verbrachte der Dirigent, Komponist und Förderer der musikalischen Avantgarde entscheidende Jahre seines Lebens. In einem kleinen Dorf namens Gravesano, das sein Wohnort war, gründete Scherchen 1954 mit Unterstützung der UNESCO sein "elektroakustisches Experimentalstudio".
An einer Veranstaltungsreihe zu Ehren Scherchens beteiligte sich das Orchester der Italienischen Schweiz, das Radioorchester der Region, mit einem Konzertabend, der einheitlich gestaltet war: Allein Bearbeitungen von Barockmusik standen auf dem Programm. Am Ende dirigierte Dennis Russell Davies die von Hermann Scherchen verfasste Orchestrierung von ausgewählten Teilen von Bachs "Kunst der Fuge".
Im ersten Teil gab es Bearbeitungen italienischer Musik des frühen und späteren Barock, die Scherchens Schüler Bruno Maderna vorgenommen hat. Die reichen von den volksliedhaft eingängigen "Sinfonie" Lodovico Grossis über die kunstvolle Orgelmusik Girolamo Frescobaldis und die prachtvoll venezianische Mehrstimmigkeit Giovanni Gabrielis bis zu dem hochbarocken sogenannten Palestrina-Konzert Giovanni Battista Pergolesis.
Was die beiden Avantgardisten des 20. Jahrhunderts, Scherchen und Maderna, gereizt hat, die dreihundert Jahre alte Musik neu zu interpretieren, indem sie sie für ein größeres Orchester gesetzt haben, wird beim Hören dieses Konzerts deutlich. Diese Alte Musik ist nicht nur zeitlos, sondern bietet undendlich viele Facetten der Klanggestaltung - im akustischen wie im musikalischen Sinne. Was Scherchen und seine Schüler, ob sie nun Bruno Maderna, Iannis Xenakis, Luc Ferrari oder anders heißen, in dem Studio im kleinen Dorf Gravesano mit komplizierter Elektronik ausprobiert haben - all das konnten schon Gabrieli, Bach und Zeitgenossen quasi unbewusst in ihrer Musik realisieren, ohne dass sie das Wissen und die technischen Geräte dafür besaßen.
Auditorio Stelio Molo della RSI, Lugano
Aufzeichnung vom 18. November 2016
Giovanni Battista Pergolesi
"Palestrina Konzert "(orchestriert von Bruno Maderna)
Girolamo Frescobaldi
Tre pezzi per organo (orchestriert von Bruno Maderna)
Giovanni Gabrieli
Canzona a tre voci (orchestriert von Bruno Maderna)
Lodovico Grossi da Viadana
"Sinfonie Napoletana, Veronese, Romana, Mantovana" (orchestriert von Bruno Maderna)
Johann Sebastian Bach
Auszüge aus "Die Kunst der Fuge" (orchestriert von Hermann Scherchen)

Orchestra della Svizzera Italiana
Leitung: Dennis Russell Davies