Runter von der Bühne

Von Astrid Mayerle · 13.07.2013
Off-Bühnen bieten Kultur fernab des Mainstreams, holen internationale Künstler in die Stadt und haben ein großes Publikum. Und dennoch: Die Szene kämpft in München um ihre Räume und ihre Existenz. Ihr größter Feind sind die stetig steigenden Mietpreise.
"Ich hatte eine Anfrage von einer Band aus Istanbul. Die hatten vor zwei Monaten angefragt, denen konnte ich nicht zusagen, weil ich nicht wusste, ob wir jetzt noch Betrieb haben. Ich hab das Konzert dann auf eigenes Risiko gebucht, weil ich diese Band haben wollte."

Eine Postavantgardeband, erzählt Tuncay Acar vom Kernteam des Import Export. Anfangs wurde der Mietvertrag ihrer Musikbühne im Halbjahresrhythmus verlängert, jetzt nurmehr monatsweise. Ein Alarmzeichen, dass der Auszug naht. Innerhalb von drei Jahren hat das Team eine Musik-, Kunst- und Kulturszene fernab des Mainstream etabliert. Und das mitten in der Stadt, genauer: im Bahnhofsviertel von München.

Nach Jahren der Unsicherheit möchten die Akteure endlich einen dauerhaften Ort finden - gerne mit erweitertem Programm. Daher erarbeiten sie seit Monaten ein neues Konzept und laden Freunde, Gäste und Nachbarn zu einem Aktionstag ein.

"Was wünschst du dir für die Zukunft?"

"Dass ihr eine schöne Lokalität findet. Ich mag solche Ort, wo schon was gelebt wurde, wo man Spuren sieht. Ich wünsche euch, dass ihr so was ähnliches findet für einen längeren Zeitraum."

Bislang wurde den Akteuren von der Stadt nur ein Zwischennutzungsmodell angeboten: ein ehemaliges Bundeswehrgelände, mehr als zehn Kilometer vom aktuellen Standort entfernt, irgendwo zwischen Euroindustriepark und Niemandsland. Wie die Besucher des Aktionstags wünscht sich auch das Team des Import Export, einen neuen Standort im selben Viertel. Das haben auch Kulturszenen in anderen Stadtteilen bereits versucht.

Eigentumswohnungen statt Theaterbühne
Beispiel München, Au: Ein Bagger rollt über das platte Gelände. Der größte Teil eines Gebäudeensembles ist bereits abgerissen, von dem Tanzsaal eines Tangostudios sowie der Bühne eines Marionettentheaters ist nichts mehr übrig. Eigentumswohnungen entstehen an dieser Stelle. Von dem Neubau sieht man noch nichts, dennoch, so Jürgen Schorn, der für die Vermarktung zuständig ist:

"Von den 38 Wohnungen haben wir nur noch zwölf. Kurz vor Weihnachten haben wir mit der Vermarktung begonnen, der Prospekt ist noch nicht einmal gedruckt und schon 70 Prozent verkauft."

6000 bis 11.000 Euro kostet der Quadratmeter. Eine mittelgroße 3-Zimmerwohnung also fast eine Million Euro. Laura Cairo und Ulrich Avenarius hatten dort, wo die Bagger jetzt den Schutt beiseite schieben, ihre Tangoschule. Laura Cairo kocht Tee, während Ulrich Avenarius von der inzwischen drei Jahre andauernden Suche erzählt:

"Wir haben uns an viele Immobilienmakler gewandt, acht und davon haben sechs von vornherein gesagt, machen wir nicht, es gibt gar nicht diese Räume, die Sie suchen. Wir bewegen uns mit dem, was wir suchen, auf einem sehr engen Markt, aber dass er so eng ist, das war nicht zu erwarten."

Ulrich Avenarius spricht immer schneller, wenn er die lange Suche und die Verzögerungen beschreibt. Ihre Nachbarn vom Marionettentheater sind mit ihrer Bühne mittlerweile aus München weg an den Schliersee gezogen.

An fünf verschiedenen Orten unterrichten Laura Cairo und Ulrich Avenarius im Moment. Zwar haben sie mittlerweile einen neuen Standort gefunden, aber umziehen können sie noch nicht. Vor mehr als drei Monaten bereits haben sie der Stadt den Nutzungsänderungsantrag geschickt. Bislang keine Antwort, die Stadt lässt sie zappeln. "Tango im Exil" steht auf den Flyern, mit denen Laura Cairo und Ulrich Avenarius für ihre Tanzkurse werben. Wie lange das "Exil" noch dauert: ungewiss.

Zurück zum Import Export: das Team trifft sich im Hinterhof mit Alexander Miklosy dem Vorsitzenden des Bezirksausschuss II:

"Es ist klar, dass wir als Bezirksausschuss Nutzungen bevorzugen, die stadtviertelverträglich sind. Jetzt ist das mit der Kultur so eine Sache. Wenn die Kultur dem Wohnen den Platz wegnähme ist es auch nicht verträglich, aber wenn überhaupt keine Kultur stattfindet, ist das erst recht nicht verträglich. Und diesen Fall haben wir gerade: Wir haben kein Kulturhaus. Wir sind am kämpfen seit Jahrzehnten. Ich denke an ein Kulturhaus, ein Bürgerhaus, was auch immer."

Bezirksausschuss als Vermittler
Alexander Miklosy stellt Möglichkeiten vor: Der Bezirksausschuss verhandelt im Moment als Vermittlerorgan der Bürgerinteressen mit der Stadt über ein Gelände, das nicht in der Bahnhofsgegend liegt, sondern anderthalb Kilometer südlich davon, das aber noch zum Stadtteil gehört.

Miklosy: "Ist denn Interesse an einer vielfältigen Nutzung, die aber nicht nur in ihrer Hand liegt, wenn's um diesen Neubau geht, gegenüber vom Viehhof? Der wird vielleicht 2020 fertig oder 2018 früher auf keinen Fall. Der ist ja noch nicht einmal in der Planung."

Acar: "So weit sind wir gar nicht gewohnt zu denken..."

Früher Abend: Nach etwa einer Stunde verabschiedet sich Alexander Miklosy. Hinterlassen hat er eine vage Option, eine leer stehende Halle. Den genauen Ort nannte er nicht. Eventuell wieder ein Übergangsmodell, sicher kein dauerhafter Standort.